Anmerkung zu: Ein Sprung nach vorn in der Baldung-Forschung / Aktuell Nr. 6 April 2015

Mitte vorigen Jahrhunderts gelang es Carl Koch (1884─1969), das in der Alten Pinakothek in München (Nr. 10646) befindliche Bildnis eines Johanniters als Portrait Balthasar Gerhardis zu identifizieren ─ ein bemerkenswerter Einzelfall. Doch etliche weitere, von Hans Baldung gemalte Persönlichkeiten vom Oberrhein blieben nach wie vor unbekannt ─ bis es jetzt gelang ─ sozusagen in der Tradition von Carl Koch ─ nachzuweisen, daß einige dieser Männer zum Freundeskreis des Künstlers Hans Baldung gehörten d.h. zum Straßburger Zirkel (sodalitas) der Humanisten. Das wirft ein Schlaglicht auf Baldungs Umfeld.
Dieser von Albrecht Dürer ausgebildete (1504─1507) und geschätzte Künstler stammte aus einer schwäbischen Akademiker-Familie. Insofern wundert es nicht, daß Baldung gerade mit Literaten seiner Generation freundschaftlich verkehrte; man kannte bisher aber nur seine Verlagskontakte, jedoch nicht die betreffenden Humanisten des Dreiländerecks selbst.
Der vielseitige Hans Baldung wurde in dem neuen biographischen ´Standardwerk´ Allgemeines Künstlerlexikon ausführlich dargestellt; seine Portraits werden jedoch nur gestreift. Sie sind aber ein gewichtiger Bestandteil seines Werkes, denn er ist nächst Dürer einer der charakteristischen Künstler seiner Zeit, der Renaissance. »Unter diesen Künstlern höchsten Ranges ist Hans Baldung Grien zu nennen, der im Südwesten Deutschlands, am Oberrhein, ein überragendes, von leidenschaftlichem Selbstbewußtsein zeugendes Lebenswerk hervorbringt« (Carl Koch).
Solch ein Ereignis, zu gleicher Zeit vier von Hans Baldung Dargestellte zu dechiffrieren und zu veröffentlichen, gab es noch nie und wird sich nicht wiederholen.
Christoph Wilhelmi, Mai 2015