Erstveröffentlichung

Georg Pencz
Martin Pfinzing

058.01 Pencz-Pfi 240Das Portrait des Mannes in eleganter Haltung und Kleidung gehörte seit 1864 zum Bestand der National Gallery of Ireland in Dublin (Öl auf Leinwand, 84,1 x 65,5 cm. Dyballa B 21), ging verloren, konnte aber 1971 wieder eingegliedert werden. Während der Name des Porträtierten nicht überliefert ist, besteht durch die Signatur oben rechts mit einer Kombination der Buchstaben G und P über den ausführenden Künstler, Georg Pencz (ca.1500─1550), kein Zweifel. Dessen Namen taucht übrigens mit sieben Varianten auf: Benntz, Bentz, Benz, Pens, Pentz, Penz, Pentz – ein Beispiel dafür, wie im 16.Jahrhundert noch gänzlich nach Gehör geschrieben wurde.

Die Ausstattung des Porträtierten mit ärmellosem Überrock, Pelzkragen, Halskrause u.a. lassen auf einen begüterten Mann schließen. Darüber hinaus scheint es sich bei der Person um jemanden zu handeln, dessen Interessen sich über den Gelderwerb hinaus auf ästhetische Ziele richteten, einen frühen Dandy demnach. Er hält ganz betont am rechten Bildrand eine Kleinplastik aus Silber hoch. Bei dieser handelt es sich wohl nicht um eine antike Szene, sondern um eine Neuschöpfung der Renaissance. Sie stellt einen Satyr dar, der sich einer jungen Frau nähert. Bisher wurden darin Pan und Diana vermutet. Folgt man der antiken Mythologie, kommt  nur das Duo Pan und Syrinx infrage, eine Nymphe. »Festzuhalten ist, daß [hier]im deutschsprachigen Raum in einem Gemälde erstmals eine Person dargestellt ist, die eine Figur bzw. eine Statuette in Händen hält« (Dyballa S. 321).

Dem Hang der Humanisten zur Antike trugen damals die Bildhauer Rechnung, indem sie in Anlehnung an antike Vorbilder Neuschöpfungen »im Geist der Renaissance« lieferten. Eine frühe Arbeit Michelangelos wurde sogar als Stück der Antike gehandelt. Diesem Zusammenhang widmete sich vor einigen Jahren eine Ausstellung in Trient unter dem Titel Rinascimento e passione per l’antico. Dort scheinen weniger bekannte (italienische) Bildhauer wie Desiderio da Firenze auf, der z.B. 1525-35 eine vergleichbare Szene Satiro e satiressa geschaffen hat. Ob allerdings auch das im Portrait vorgezeigte Figurenpaar von ihm stammt, muß offen bleiben. Von der Haltung her ist eine gewisse Ähnlichkeit zu der Marmorplastik Atalanta und Meldager with the Caldonyen Boar (1540/48) von Francesco Mosca in Kansas City zu erkennen. Ob er der Schöpfer der von Pencz gemalten Figuren ist, läßt sich jedoch nicht belegen. Bedauerlicherweise ließ sich die gezeigte Figur selbst in keinem publizierten Bestand nachweisen. Würde man die Provenienz der Figur kennen, wäre wohl die Identität der dargestellten Person längst ermittelt. Doch die Zeit vor 1868 liegt im Dunkel. Ins Spiel wurde auch ein Georg Vischer aus der Familie der berühmten Nürnberger Giesserei Vischer gebracht. Aber dessen Identität wurde nicht nachgewiesen, und die in der Firma tätigen Söhne von Hermann und Peter Vischer d. Ä. hießen Hans, Hermann und Peter, nicht Georg.

Bei der Gewandtheit des Malers ist es denkbar, daß keine reale Plastik bestanden hat, sondern der Maler die Szene im Einverständnis des Porträtierten konzipiert hat. Dann stellt sich die Frage, was mit der Figur im Bild beabsichtigt war. Ist das Paar vielleicht im Sinne der Archetypen C. G. Jungs (1875─1961) zu verstehen als eine Anspielung auf Zudringlichkeit? In anderem Zusammenhang hat sich der Schriftsteller Klaus Harpprecht zur Thematik Faun geäußert: »Ihr fielen … die Bilder der mythischen Faune in den Künsten der Antike ein: jener lüsternen Geschöpfe, halb Mann und halb Ziegenbock, die sämtlich spitze Ohren hatten wie ihr griechischer Ahnherr Pan « (S. 9). Später kommt er auf die Thematik zurück: »Faune nannte sie ihn, seiner spitzen Ohren wegen. Er wiederum hätte sie seine Nymphe nennen können, vielleicht Syrinx (oder Syr), nach der Schönen, die auf der Flucht vor den Nachstellungen des mythischen Faun in ein Schilfrohr verwandelt wurde, aus dem der musische Unhold seine Panflöte schnitzte« (S. 164).

Übrigens ist das Gemälde mit 1549 datiert (wobei die 9 möglicherweise nicht original ist) und zugleich mit AETATIS SV XXVIII das Alter des vornehmen Mannes bestimmt. Sein Geburtsjahrgang ist demnach 1521. Um die Zeit verfügte die Gesellschaft noch nicht über Geburtsregister. Um nun unter den überlieferten Daten nach der Person im Bild zu suchen, muß jedoch erst die Region eingekreist werden. Dabei konnte nur der Lebenslauf des Künstlers weiterhelfen. Allerdings sind nur wenige, aber ausreichende Ortsangaben im Leben Georg Pencz bekannt. Er wurde 1523 erstmalig im Verzeichnis Nürnberger Künstler erwähnt. Die Kunstgeschichtschreibung hatte ohnehin aus seinen Portraits den Einfluß Albrecht Dürers sowie italienischer Künstler nachgewiesen. Schon Joachim Sandrart (1606─1688) vermutete deshalb eine Italienfahrt von Pencz, ohne sie datieren zu können. 1524 wurde er aus Nürnberg wegen Ketzerei verwiesen, zusammen mit zwei Kollegen, den Brüdern Barthel und Hans Sebald Beham. Pencz durfte aber schon 1525 nach Windsheim und bald darauf auch nach Nürnberg zurückkehren. Daß er am Schluß seines Lebens in Leipzig beheimatet war, beweist sein Tod in der Stadt 1550.

Wie sich der Porträtierte gibt, läßt auf seinen Besitzerstolz schliessen.; möglicherweise war er Kunstsammler. Von der Sache her würde das Portrait zu dem kunstsinnigen Nürnberger Willibald Imhoff, einem Enkel Willibald Pirckheimers, passen. Ihm wird im erhaltenen Nachlaßregister ein »erstaunlich Reichtum an Silbergeschirr« attestiert. Doch scheidet dieser wegen seines Geburtsjahrs 1519 aus. Aber ein anderer vermögender Nürnberger aus der Familie Pfinzing weist den passenden Jahrgang 1521 auf. Nach Zedler waren die Pfinzings »ein altes berühmtes Geschlecht in Nürnberg«: Martin (II.) Pfinzing (1521─1572) heiratete 1544 die wohl gleichfalls vermögende Catherina Scherl (1529─1591) aus Leipzig. Pfinzings gebildeter Schwiegervater half ihm bei der Erstellung einer Pfinzing-Genealogie, ein Zeichen für starkes Familienbewußtsein. Martin Pfinzing gehörte in Nürnberg zu dem Personenkreis der Ratswähler und war 1552-71 Mitglied des Rats der Stadt Nürnberg. 1530 erwarb er die Burg Henfenfeld und durfte sich ab 1554 Pfinzing von Henfenfeld nennen sowie ein Wappen führen. Die Burg brannte jedoch im 058.01-WapFamilienwappen der
Pfinzing von Henfenfeld lt. Rietstap
Markgrafenkrieg gegen Albrecht von Brandenburg aus. Sie wurde von ihm um 1570 wieder aufgebaut.

Für eine Bestätigung der Identität des Porträtierten reichen diese Daten nicht aus. Doch war Pfinzing als Großhändler nicht nur in Nürnberg, sondern auch in Leipzig tätig. Möglicherweise hatte er durch seine Heirat mit der Leipzigerin Catherina Scherl die Firma erweitern können. Das Portrait scheint daher in Leipzig entstanden zu sein, da Pencz dort ein Jahr später starb. Das Doppelportrait der Eltern hängt in einer Kopie im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Außerdem existieren mehrere Bildnismedaillen von ihm aus der späteren Lebenszeit und im Profil, so daß dadurch jedoch kein unmittelbarer Vergleich möglich ist.

Leipzig scheint für Martin Pfinzing sozusagen Hauptwohnsitz geworden zu sein, denn die Universität Leipzig verwahrt ein » kunst- und kulturhistorisch äußerst bedeutende Werk« (Maria Deiters), die sog. Pfinzing-Bibel. Wie der Name sagt, wurde sie von Martin Pfinzing in Auftrag gegeben. Sie besteht aus den von Sigismund Feyerabend in Frankfurt/M. gedruckten Bogen einer Luther-Bibel, in die originale Holzschnitte von Albrecht Dürer, Virgil Solis (1514─1562) und Jost Amman (1539─1591) eingebunden wurden. Zwischen dem Alten Testament und dem Neuen Testament befindet sich ein Einschub, der das Geschlechterbuch der Familie Pfinzing umfaßt. Er enthält neben einem großformatigen Stammbaum ganzfigurige Portraits der Vorfahren von Martin (II.) Pfinzing, zwei davon von Virgil Solis (lt uni.bamberg.de). Dieses familienbezogene Werk wurde von Hartmut Bock im Netz unter dem Titel Bebilderte Geschlechterbücher analysiert. Die prächtige Stammesfolge arbeitete Jost Amman aus.

Der Dürer-Zyklus des Marienleben wurde »vortrefflich koloriert« von einem, sogar bei Vollmer aufscheinenden Künstler: Martin Pfinzing von Henfenfeld. Demnach bestand Pfinzings Leistung nicht nur in der Konzeption bzw. im Heranziehen namhafter zeitgenössischer Künstler für sein Vorhaben, sondern sogar in eigenem künstlerischem Tun. Damit trat er einen Schritt über das Sammeln von Kunstgegenständen hinaus.

058.01-Pfinzing NEBMichael Fennitzer: Martin II Pfinzing. Stich
Martin Pfintzing der Ander. Schabkunstblatt
Zugleich erklärt sich, weswegen bislang der im Pencz-Portrait Dargestellte nicht identifiziert werden konnte, weil die im Bild enthaltene Kleinplastik offenbar nicht mehr existiert und damit der Bezug zum Sammler Pfinzing verloren ging. Die Vielzahl seiner Aktivitäten im Bereich Kunst machen sehr wahrscheinlich, daß er als Kunstfreund auch figürliche Plastik gesammelt hat, wie sein ´Nachbar´ Willibald Imhoff.

Die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel verwahrt einen Portraitstich des Martin (II) Pfinzing von Henfenfeld. Da er nicht datiert ist, kann nur angenommen werden, daß er etwa um 1565 angefertigt wurde, da er darin mit auffälligerem Bart dargestellt ist. In der Physiognomie gibt es deutliche Übereinstimmungen zum Portrait von Pencz: das länglich-schmale Gesicht, der ruhige Augenausdruck und eine übereinstimmende Lippenpartie. Der Stich muß nach 1554 entstanden sein, da, unten im Rahmen eingelassen, das Wappen der Pfinzing von Henfenfeld abgebildet ist.

Während Rietstap die Familie Pfinzing mit einem schlichten, horizontal zweigeteilten Wappen führt, zeigt ein Wappenfenster der Familie Pfinzing in der Bürgerkirche St. Sebald in Nürnberg in der heraldisch rechten Hälfte des Wappens die (halbierte) schlichte Form, dazu in der heraldisch linken Hälfte einen Burgturm. Ganz offensichtlich ist dies eine Anspielung auf den Erwerb der Burg Henfenfeld.

PS. In der Nürnberger Familie Pfinzing gab es eine starke Affinität zur Kunst, wie auch aus dem Gemälde von Hans Schäufelein: Melchior Pfinzing hervorgeht (s. dort).

© Christoph Wilhelmi Stuttgart 2019

Literatur
Georg Habich: Die deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts. München 1972 Nr. 1749 S. 247
Klaus Harpprecht: Arletty. Frankfurt/M. 2012
J.-B. Riestap: Armorial Général. Bd. V. s’Gravenhage 1921
Rinascimento e passione per l’antico. Andrea Riccio e il suo tempo. Trento 2008
Stadtarchiv Nürnberg GSI-Datenbank Objekt 56578Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Testament Heinrich S.; Stadtarchiv Leipzig, Tit. (F) LIX, Nr. 25, Paket 1, Bd. 2, Testament Heinrich S.s des Eltern, 1549
Hans Vollmer: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. Bd. 26 Leipzig 1932 S. 531
http://www.uni-leipzig.de/~gwzo/index.php?option=com_content&view=article&id=763&Itemid=1183 30.10.2012) Maria Deiters █
Johann Heinrich Zedler: Das Grosse vollständige Universal-Lexicon der Wissenschaften und Künste. Leipzig 1732-54

Bildnachweise
Katrin Dyballa: Georg Pencz. Berlin 2014 S. 188
Die Porträtsammlung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Reihe A. Bd. 18 München u.a. 1991 A 16380