Erstveröffentlichung

Barthel Beham

Erhard Etzlaub

77.04-Beham-Etzlaub-240Soweit sich die Provenienz dieses Portraits von der Hand Barthel Behams (1502─1540) zurückverfolgen läßt, hing das Bildnis eines 63jährigen Mannes (Öl auf Linde 44,5 x 34,5 cm. Národní Galerie, Praha Nr. O 720) früher auf Schloß Troja bei Prag, wo es dem Grafen Sternberg gehörte. Heute ist es Teil des Bestandes der Nationalgalerie. Es handelt sich hier um ein frühes Werk Behams, der damals gerade 22 Jahre alt war. Insofern ist die psychologische Ausdruckskraft des Künstlers erstaunlich.

Durch das Bild tritt ein konzentriert nach rechts schauender Mann in Erscheinung, der von einem anstrengenden Arbeitsleben gezeichnet ist. Die Schließlinie seines Mundes wirkt ganz dünn wie bei einem, der sich seiner Sache sicher ist, aber hart hatte kämpfen müssen, um sich durchzusetzen. Offensichtlich ist er nicht von Adel, denn es fehlen entsprechende Indizien. Sein Rockkragen, der mit Pelz besetzt ist, wurde hochgeschlagen. Auf dem Kopf trägt er einen vorn schutenartig vorgezogenen Hut. Das weiße Hemd ist oben mit einer schwarzen Kordel geschnürt. Die Ohren werden durch die Haare des Pagenkopfs bedeckt. Die individuelle Note seiner Garderobe läßt vermuten, daß es sich um einen versierten Handwerker handelt.

Trotz dieser Beobachtungen gelang es bisher nicht, der Person auf die Spur zu kommen. Dabei hat B. Beham am Kopf des Gemäldes ein gemaltes cartiglio angebracht, das folgendermaßen beschriftet ist:

DA.MAN.1524 CALT.
DA.BAS.ICH.62 IAR.ALT

Rechnet man von der Datierung 1524 die 62 Lebensjahre ab, ergibt sich das Geburtsjahr des Dargestellten mit 1462. Von den etwa zwanzig Personen dieses Jahrgangs fallen einige als Norditaliener oder Flamen heraus sowie einige, welche das 62. Lebensjahr gar nicht erreichten. Von den restlichen Personen wollte keiner durch Tätigkeit oder Region so recht überzeugen. Dagegen kam ein Kandidat aus Nürnberg in Betracht, dessen Geburtsjahr bisher nur auf ca. 1460 geschätzt wurde, weil sein Handwerk ihn profilierte. Selbst in einer so fortschrittlich organisierten Stadt wie Nürnberg gab es damals noch keine Geburtsregister.

Der Lebenslauf des Erhard Etzlaub entspricht allem Anschein nach dem des Dargestellten. Er kam in Erfurt auf die Welt; die Familie zog schon in seiner Kindheit nach Nürnberg. Seine Eltern erkannten offenbar seine besonderen Qualitäten und gaben ihn bei einem Instrumentenbauer in die Lehre, zumal in Nürnberg die neue Technik »die Herstellung wissenschaftlicher Instrumente in hoher Blüte stand« (Herbert Krüger S. 76/77). Sehr bald richtete er sich eine eigene Werkstatt ein. 1484 wurde er ins Bürger- und Meisterbuch eingetragen. Zunächst »stellte er kleine, mit einem Kompaß kombinierte Taschensonnenuhren, die Horologiae her, ein Nürnberger Erzeugnis, das man auch in Rom kannte und liebte« (Krüger S. 76/77). Auffallend daran waren auf Papier gezeichnete, vom Äquator bis Jütland reichende Landkärtchen auf die Deckel aufgeklebt.

Erst relativ spät kamen Forscher darauf, daß der Hersteller auch Kartograph gewesen sein könnte. An stilistischen Merkmalen stellte man fest, daß Karten, die man pauschal Gerhard Mercator (1512─1594) zugeschrieben hatte, eigentlich von Erhard Etzlaub angefertigt waren. Dieser Nachweis gelang erst 1917. Bislang hatte man Etzlaub als Schreib- und Rechenmeister eingestuft. Weitere Spuren deuteten auf die Berufe Arzt und Astronom. In diesen Bereichen gab es damals keine strenge Abgrenzung der Berufe. Aber 1492 erschien in Eichstätt eine Karte von Nürnberg und Umgebung als Etzlaubs erstes eigenes kartographisches Werk. »Eine Legende und ein Meilenmaßstab erläutern, wie die Entfernungen „von einer stat zur andern“ mit dem Zirkle abzustecken sind. In einem Kreis von je 16 Meilen um Nürnberg sind, von Coburg ´unten´ und über die Donau hinaus ´oben´ einhundert Orte in ihrer deutschen Namensform verzeichnet« (Krüger S.76/77). Die Grenzen der Territorien sind rot markiert. »Es bleibt ein Rätsel, wie zwischen 1492 und 1501 das Erstlingswerk einer Straßenkarte in der Fülle ihrer kartographischen Erstmaligkeit unvermittelt in geradezu klassischer Vollendung erscheinen konnte« (Krüger S. 76/77).

Etzlaub war offenbar auch ein kluger Beobachter. So hatte er sich auf das Heilige Jahr 1500 vorbereitet und einen Holzschnitt im Format 30 x 40 cm angefertigt, eine Rom-Weg-Karte, um dem verstärkten Pilgerverkehr eine Orientierung zu verschaffen. Auf der Karte ist das westliche Mitteleuropa einschließlich Budapest, Krakau und Danzig verzeichnet. Sie enthält 558 Ortssignaturen, deren Namen erstaunlich sauber lesbar geschnitten waren. Die Streckenangaben waren mit Entfernungsangaben kombiniert.
77.04 Romkarte-Etzlaub 240Erhard Etzlaub: Romweg-Karte. 1500
Seine Karten waren generell gesüdet.
Etzlaubs Romweg-Karte wartet mit einer weiteren Besonderheit auf: Hier wird auf einer Randleiste sogar die Helligkeitszeit der Sommertage angegeben, die zwischen Norden und Süden drei Stunden Unterschied für die Reisezeit ausmacht. Diese Karte schlug so ein, daß er kurz danach auch Westeuropa auf diese Weise als Landkarte mit 830 Orten herausbrachte. Der Verleger dieser Werke war der Unternehmer Glockendon (
1514), ursprünglich bekannt geworden als Buchilluminator.


Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, welch immenser Arbeitsaufwand notwendig war, um diese, bereits recht zuverlässigen Karten zu erstellen ─ kein Wunder, wenn der Kartograph Etzlaub mit 62 Jahren recht abgearbeitet aussah. Er starb acht Jahre später. Leider wurde sein Bildnis unten beschnitten. Vermutlich waren auf seinem Portrait die Hände mindestens teilweise zu sehen. Aber die übereinstimmende Breite mit einem anderen Werk von Beham spricht für das Format 52,8 x 35,8 cm. Die Suche nach Vergleichsabbildungen fiel negativ aus. Doch durch die Auflösung des Portraits ist nun das Geburtsjahr von Erhard Etzlaub nicht mehr fraglich, sondern steht mit 1462 fest.

Durch seine fachlichen Leistungen gewann Etzlaub sehr rasch an Ansehen und war dementsprechend arbeitsmäßig sehr ausgelastet. 1507 arbeitete er auch als ´geschworener Feldmesser´ im Auftrag der Reichsstadt. Die Stadtverwaltung erteilte ihm ebenfalls Kartenaufträge. Krüger bezeichnet ihn als genialen Kartographen und »als Lehrmeister für seine Wahlheimat Nürnberg«.

Literatur
Herbert Krüger. In: Christoph Imhoff (Hg.): Berühmte Nürnberger. Nürnberg 1989
Kurt Löcher: Barthel Beham. Berlin 1999

Bildnachweis
Kurt Löcher: Barthel Beham. Berlin 1999 Nr. 74
Ute Schneider: Die Macht der Karten. Darmstadt 2006

Barthel Beham
Dorothea Jörg

77.04-Beham-Dorothea 240Das zu dem Bilderpaar gehörende Portrait der Frau von Erhard Etzlaub, ebenfalls von Barthel Beham gemalt, geisterte bisher als Bildnis einer 32jährigen Frau (Dorothea Jörg. Öl auf Linde 52,8 x 35,8 cm. 1961 im Kunsthandel München)in der Beham-Literatur herum. Da Angaben über ihr Leben fehlen, nahm man auf Grund der Abmessungen und demselben Entstehungsjahr als selbstverständlich an, daß Dorothea Jörg die Frau des unbekannten 62jährigen sei. Der große Altersunterschied zwischen beiden könnte darauf zurückzuführen sein, daß Etzlaub eine zweite Ehe einging. Wie im Essay ´Die Portraits von Bartholomäus Bruyn´ erörtert, kann es auch hier so gewesen sein, daß die Ehe aus Grundbesitzgründen eingegangen wurde. Immerhin sind an den Händen der Frau Jörg drei Ringe zu erkennen, die in der Regel auf Liegenschaften hinweisen. Auch die Garderobe der Frau ist wertvoll; das Oberteil jedenfalls ist aus Brokat gearbeitet. Insofern ist zu bedauern, daß das Bild ihres Mannes gekürzt wurde und dort die Hände nicht mehr zu sehen sind.

Dem Etzlaub-Portrait entsprechend befindet sich über dem mit einem dunklen Barett versehenen Kopf der Frau Jörg ebenfalls eine Inschrift:

DA MAN. 15. 2. 4. CALT
DA.BAS . ICH. 32.IAR .ALT

Daraus ergibt sich, daß Dorothea Jörg im Jahr 1492 geboren wurde; solch eine Angabe bei einer Frau ist eine Seltenheit. Aber leider verhält es sich wie in den meisten anderen Fällen so, daß außer den im Portrait erwähnten Fakten keinerlei Angaben über die Ehefrau überliefert sind.

Literatur
s. Beitrag Barthel Beham: Erhard Etzlaub

Bildnachweis
Kurt Löcher: Barthel Beham. Berlin 1999 Nr. 75
wikipedia.org/wiki/Erhard_Etzlaub#/media/File:Rompilger-Karte_(Erhard_Etzlaub).jpg (18.6.2017)