Erstveröffentlichung


Barthel Beham

Hans U. von Schellenberg

77.02-Beham-Schell 240»Bildnis eines rechnenden Mannes« ist dieses Werk von Barthel Beham (1502─1540) im Kunsthistorischen Museum, Wien (Öl auf Linde 84,8 x 66 cm. Nr. 783. Galerie-Nr. 649) betitelt, das 1529 datiert ist. Im Laufe der Zeit wurden allerlei Mutmaßungen über das Bild angestellt, so z.B., es handle sich um einen Niederländer; doch es gelang bisher keine überzeugende Identifizierung des Dargestellten. Er trägt an der linken Hand einen Siegelring mit den Initialen HS und einem schwarz-gold quergestreiften Wappen (s.u.). Die rechte Hand greift zum Degen an der Seite. Über sein Alter ist nichts ausgesagt; doch ist ein mittleres Alter um die 40 Jahre anzunehmen.

Die Schwierigkeiten gingen vor allem von der Tischplatte aus. Auf ihr ist ─ sonst nirgendwo vorkommend ─ mit Kreide nicht nur die Datierung (in Spiegelschrift) zu lesen, sondern auch eine Zahlenfolge, deren Ziffern jeweils durchgestrichen sind. Außerdem ist ein Glas Weißwein und ein Apfel links auf der Platte abgelegt. Die Phantasie wurde vor allem von den Zahlen angeregt und führte zu dem provisorischen Titel. Dabei ging man von einem Schiedsrichter bei einem Turnier aus. Doch gelang es nicht, in dem Bereich eine Person namhaft zu machen. Die Garderobe des Mannes scheint seine Arbeits- oder Reisekleidung gewesen zu sein: feldgrau. Das Gemälde gehört zu einem Bilderpaar; das ebenfalls sehr sorgfältig ausgeführte Portrait der Frau zeigt einen Papagei ─ damals ein Luxusartikel bzw. eine Attraktion.

Durch den Kontakt mit der Neuen Welt (Neu-Spanien = Amerika) tauchte dieses exotische Tier auf und spielte wenig später in der Emblematik eine Rolle. Wenn er im Bauer sitzt, kann man ihn »den Schläfer nennen / welcher vom Monat October an unter freyen Himmel auf einem Baum sitzt / und stets schlafft / auch in diesem Zustande bleibet / biß er bey eintretendem April und hervorblühenden Blumen / aufwacht« (Emblemata Sp. 804/5).

Als einziger Anhaltspunkt für eine Namensuche blieb der Fingerring am linken Zeigefinger übrig. Auf ihm sind die Initialen H S erkennbar. Zieht man die Geschichte Bayerns zu Rate bzw. das darin enthaltene Namenregister, stellt man wider Erwarten fest, daß unter dem Buchstaben S Vornamen mit H selten sind. Dort kommen jedenfalls nur zwei mit H S vor: Hanß von Seckendorff ( 1535), Oberamtmann zu Schwabach 1495-98, später Amtmann zu Feuchtwangen. Dieser müßte jedoch 1495 wohl schon 30 Jahre alt gewesen sein, denn bei Sebastian Münster (S. 121) wird er 1485 als ´der alt´ bezeichnet. Daher kommt er für dieses Portrait nicht mehr infrage.

Stützt man sich weiterhin auf die Initialen HS, passen die Buchstaben aber auf einen aktiven Heerführer namens Hans Ulrich von Schellenberg (1487─1558), der auf der Seite des Kaisers vielfach in Oberitalien gegen die Franzosen kämpfte. Zeitweilig befehligte er eigene Heerhaufen aus Schweizern d.h. er stellte als condottiere nach italienischem Vorbild selbst seine Truppe zusammen, wenn sich eine condotta anbot. Da er aus Kißleg im Allgäu stammte, hatte er nachbarschaftliche Kontakte zu Schweizer Söldnern. Sie immer wieder anzuwerben, stellte für ihn kein Problem dar, weil er eine ganze Reihe militärische Erfolge und damit Aussicht auf Beute aufweisen konnte. Insbesondere 1525 in Pavia war er zugegen, wo er vom Kaiser zum Obristen befördert wurde, sowie 1511 bei Bicocca und Vicenza, wo er schwerverwundet schon fast aufgegeben wurde.

Noch als junger Mann war er von Kaiser Maximilian I. wegen der ruhmvollen Verteidigung Novaras zum Ritter geschlagen worden. Er stammte aus der altangesehenen Familie Scalamont, deren Burg früher auf dem Eschnerberg an der Grenze Liechtenstein/Österreich lag, der zur Grafschaft Vaduz gehörte. »Das Wappen der Schellenberg war ein Schild mit vier abwechselnden schwarzen und goldenen Querstreifen, welches sie später mit dem ihnen vom Kaiser verliehenen 77.02-schellenberg-wappen-sWappen der ausgestorbenen Kißlegger, einem schwarzen Panthertier mit Ochsenhörnern in einem goldenen Schild, vereinigten« (P. Beck).
Auch der Nachfolger Maximilians I., sein Enkel Kaiser Karl V., griff gern auf Schellenberg und seine Männer zurück, »welche für ihn durchs Feuer gegangen wären« (Beck), so daß er auch an der Verteidigung Wiens 1529 gegen die Türken unter Süleyman (1494─1566) teilnahm. Dieser Erfolg war offensichtlich der Anlaß, sich 1529 mit dem Beutestück aus dem Türkenkrieg, einem Papagei für seine Frau, für die Nachwelt verewigen zu lassen. »S. wurde von seinen Zeitgenossen als ein Mann von imposanter Persönlichkeit, von Intelligenz und Thatkraft, als ein biederer, witziger und jovialer Ritter gerühmt« (Beck).

Wahrscheinlich war Schellenbergs Umsicht und Generalstabsplanung die Grundlage für seine Erfolge. Die Zahlen auf dem Tisch scheinen daher Schlüsselzahlen für seine Mannschaften zu sein, die er sich als to-do-Liste notiert und abgehakt hatte. Er hat sich weniger als Haudegen profiliert, sondern als Stratege, zumal er gebildet war d.h. er absolvierte ein Jurastudium an der Eliteuniversität Bologna. Das Studium beider Rechte hatte er erstaunlicherweise sogar mit der Promotion abgeschlossen. Dementsprechend bereitete er seine Erfolge detailliert am ´Schreibtisch´ vor. So ist es konsequent, daß er sich hier als kalkulierende Person darstellen ließ, die selbst auf jeglichen Schmuck verzichtete. Vergleicht man mit italienischen Portraits von condottieri, erstaunt die Schmucklosigkeit; Schellenberg nimmt hier fast das ´Feldgrau´ des deutschen Militärs im 20.Jahrhundert vorweg.

Im Jahr 1719 wurde die Grafschaft Vaduz mit der Herrschaft Schellenberg vereinigt und von Kaiser Karl VI. zum Reichsfürstentum Liechtenstein erhoben.


Literatur
P. Beck. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 30. Berlin 1970
EMBLEMATA. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart 1976
Kurt Löcher: Barthel Beham. Berlin 1999 Nr. 66
Kurt Löcher: Studien zur oberdeutschen Bildnismalerei des 16. Jahrhunderts. In: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Baden-Württemberg. Bd. 4 Stuttgart 1967 S. 52f
Sebastian Münster: Die sechs und dreißig Turniere. Hg. F. P. E. München 1820

Bildnachweis
Kurt Löcher: Barthel Beham. Berlin 1999 Nr. 66 Abb. 83
wikipedia.org/wiki/Schellenberg_(Adelsgeschlecht)#/media/File:Schellenberg-ZW.PNG (17.6.2017)