Erstveröffentlichung

Gabriel Zehender(?)
Hans Daucher

89 01-Dauchers 590





















Seit 1975 besitzt das
Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid unter dem Titel Portrait of a married couple das Doppelbildnis eines Ehepaars (Öl auf Holz 40,9 x 51,5 cm. Nr.443.1525 datiert), wie es in der Malerei der Zeit nicht oft vorkommt; vergleichbar ist es jedoch mit dem malerischer angelegten Doppelportrait von Gossært (vgl. Beitrag Gossært, Graphæus). Üblicher waren Paarbilder, welche die Diptychen ablösten. Sie treten besonders bei Bartholomäus Bruyn auf (vgl. Essay Die Portraits des B. Bruyn…). Als Künstler des genannten Doppelportraits wurde von Alfred Stange auf Grund der Signatur GZ Gabriel Zehender ermittelt, der 1527-1535 in Basel tätig war. »Als tüchtiger, auf der Höhe stehender Künstler bewährt sich da der Meister GZ« (Stange S. 261). Um welches Ehepaar es sich hier im Bild handelt, konnte aber bisher nicht aufgedeckt werden.

Zehender hat die beiden Brustbilder vor monochrom rotem Hintergrund platziert. Da die Köpfe ungleich groß sind, erscheint der einnehmende Mann vor der Frau zu rangieren. »…die Frau, die mit etwas müden, verschleierten Augen zu ihm hinschaut, während er von ihr keine Notiz nimmt« (Alfred Stange S. 260), spricht für die damals tonangebende Rolle des Hausherrn. »Beim Mann wirkt jede Form aktiv, dem Betrachter suggerierend, bei der Frau dagegen passiv, in sich zurückgenommen« (Stange). Er nimmt etwa 2/3 der Breite ein, während sie nur über die Schulter des Mannes sichtbar wird. Obwohl beide Gesichter etwas grobschlächtig angelegt sind, wirken sie plakativ.

Der Mann trägt ein schwarzes Obergewand, aus dessen Ärmel ein wenig von dem blaßgelbem Unterfutter am unteren Bildrand erkennen ist. Ein breiter, braunschwarzer Pelz bedeckt seine Schultern und gibt ihm zugleich den Anschein eines gewissen ständischen Rangs. Dazu kontrastiert farblich ein weißes plissiertes Hemd mit gekräuseltem Kragen. Demnach war er ein vermögender Mann. Den Kopf bedeckt wie üblich ein schwarzes, etwas ausladendes Barett.

Der Mann trägt keinerlei Schmuck; dagegen zeigt die Frau fast demonstrativ eine fast schon barock erscheinende zweiteilige Brosche vor, welche ihr lavendelfarbenes ´Bolero´-Oberteil zusammenhält. Ihr Kleid erscheint einfarbig oliv mit einem leichten Grünschimmer. Den Kopf hat sie mit einem weißen Tuch umhüllt, das drei schwarze Streifen zeigt.

Ähnlich grobschlächtig wie die Gesichter sind vom Künstler auch die Hände angelegt und weisen damit auf eine praktische Tätigkeit. Eigenartigerweise ist von beiden Personen jeweils nur die linke Hand zu sehen. Beim Mann drückt die Hand Energie aus, denn sie hält den Pelzkragen zusammen, wobei der Daumen hochsteht. Die Hand der Frau ruht auf dem (nicht mehr sichtbaren) rechten Unterarm. Der Gesamteindruck führte zur Annahme, daß es sich hier um ein Handwerkerehepaar handelt.

Offenbar wollte der Maler dem Betrachter eine Verständnisbrücke bauen, indem er am oberen Bildrand eine Inschrift anbrachte:

links steht A. NATAL. 35 rechts steht A. NATAL. 39

Zwischen den Köpfen hat Zehender die Datierung 1525 angebracht und seine Signatur GZ.

Bekanntlich rückten die Handwerker im 16. Jahrhundert teilweise in die Leitungsebene der freien Reichstädte vor. Trotzdem wurden oftmals keine Lebensdaten von ihnen überliefert. Die auffallende, goldene Brosche jedoch läßt darauf schließen, daß sich hier z.B. ein Goldschmied hochgearbeitet hat, der finanziell in der Lage war, ein künstlerisches Portrait von sich zu finanzieren.

Unter diesen kommt vom Jahrgang 1486 her, der sich aus den gelieferten Daten ergibt, der Goldschmied und Medailleur Hans Daucher infrage. Bisher wurde für seine Geburt ´um 1485´ vermutet. Er war der Sohn des Augsburger Bildhauers Adolf Daucher. 1514 erhielt Hans Daucher die Handwerkergerechtigkeit. Ab 1528 lebte er in Wien. So könnte das 1525 geschaffene Doppelportrait noch in Augsburg ausgeführt worden sein. Eine Anfrage beim Stadtarchiv Augsburg, ob in neuerer Zeit Aktenfunde zur Vita von Hans Daucher hinzugekommen wären, ergab leider nur, daß das Stadtarchiv 2014/15 wegen Umzugs geschlossen ist. Der Medaillenspezialist Georg Habich hat von den erhalten gebliebenen Portraitmedaillen 18 Stück als Werk Dauchers identifiziert und weitere 5 als aus seinem Umkreis stammend bezeichnet, zu dem auch sein Lehrjunge Bernhart Schwartz gehörte.

In der von Thomas Esser verfaßten Monographie über Hans Daucher hat der Autor alle verfügbaren Archivalien über Daucher zusammengetragen (S. 70ff). Darin wird ein immerhin aufschlußreicher Vorgang berichtet. Zu Ostern des Jahres 1528 versammelten sich die Anhänger der Täuferbewegung (die sog. Wiedertäufer) in Augsburg. Die Stadtoberen erfuhren davon und setzten die Stadtwache in Marsch. Diese sprengte die als illegal eingestufte ´Zusammenrottung´ und verhaftete 88 Personen. Das Ehepaar Daucher gehörte anscheinend dazu, jedenfalls Dauchers Frau Susanna, denn sie wurde aus Augsburg ausgewiesen. Das bedeutete: lebenslange Verbannung. Weil sie schwanger war, wurde ihr die Brandzeichnung (sonst nur bei Tieren eingesetzt) erspart. Ihre beiden kleinen Söhne mußte sie zurücklassen. Vor diesem Hintergrund ist nur zu verständlich, daß Daucher nach Wien auswich.

Daucher selbst ist für seine vorzüglichen Portraitmedaillen bekannt geworden, darunter die von Maximilian I. 1513, Georg Spalatin 1518, Ottheinrich von der Pfalz 1520, Ferdinand von Österreich 1523 und Henry VIII 1526. Sie sind sehr fein durchgearbeitet und geben auf engem Raum dennoch ein individuelles Abbild der Dargestellten. Außerdem verfügt das Städel Museum über ein originelles Relief mit der Szene: Albrecht Dürer kämpft mit Apelles. Leider existiert kein Selbstportrait von Daucher zum Vergleich. Er begab sich ab 1537 in die Dienste des Herzogs von Württemberg nach Stuttgart, wo er vermutlich 1538 im Siechenhaus gestorben ist. Im Totenverzeichnis der »Goldschlager, bildhauer, Maler« ist er als »Hanns dauch, bildhauer« verzeichnet.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2017

Literatur
Thomas Esser: Hans Daucher. Augsburger Kleinplastik der Renaissance. Berlin 1996
Georg Habich: Die deutschen Schaumünzen de XVI. Jahrhunderts. München 1934
Alfred Stange. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte. XX. Berlin 1957 S. 260-67
Johann Heinrich Zedler: Das Grosse vollständige Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. Leipzig 1732-54

Bildnachweis
José Manuel Pita Andrade; María del Mar Borobia Guerrero:Old masters / Thyssen-Bornemisza Museum. Barcelona 1992 S. 280 Nr. 443