Erstveröffentlichung

Jan Cornelisz Vermeyen
Jan van Gorp/Goropius

73.03-Vermey-Goropius 240Dieses eindrucksvolle Portrait of a Man with a skull (Öl auf Holz 50 x 37,5 cm), gemalt von Jan Cornelis Vermeyen (ca. 1500─1559), ist leider der Öffentlichkeit nicht zugänglich, da sein Standort nicht bekannt ist. So kann es hier nur nach der einfarbigen Vorlage (Horn A 115) beurteilt werden. Es zeigt einen 34jährigen Mann, der 1554 gemalt wurde, wie die Inschrift in Versalien links oben aussagt; gefühlt wirkt der Vollbärtige jedoch älter, zumal sein Bart mittig schon weißes Haar aufweist. Seine Züge wirken grob, sind aber vom Künstler sehr individuell wiedergegeben. Die Gestik des Dargestellten ist demonstrativ. Auf einem Sims am unteren Bildrand liegt ein Totenschädels (ohne Kinnlade), auf der die rechte Hand ruht; die linke darüber ist gespreizt und auf den Betrachter ausgerichtet. Ganz offensichtlich will sie auf die Vergänglichkeit des Lebens hinweisen.

Darüber hinaus appelliert der Porträtierte durch zwei Schriftzeilen an den Betrachter; eine parallel zur Platte des Sims lautet fatalistisch: VIVITVR INGENIO CETERA MORTE ERVNT (Man lebt durch den Geist, das übrige wird dem Tod zufallen). Aus der dunklen, einem Professor angemessenen Garderobe (vgl. Essay Bartholomäus Bruyn) ─ flaches dunkles Barett und schwarzer Überrock ─ und die durch die beiden Sentenzen zum Ausdruck gebrachte humanistische Bildung ist zu schliessen, daß hier ein Mann auftritt, der beruflich mit dem Tod zu kämpfen hat: vermutlich ein Arzt.

Dieser umsichtige Mann hinterließ noch eine zweite Botschaft auf einem weißen Flatterband oben rechts unterhalb eines Wappens: FIDENTI SPERATA CEDVNT (dem, der glaubt, von dem fallen alle Befürchtungen ab). Beide Sinnsprüche finden sich nicht in den Publikationen über lateinische Devisen (wie u.a. Dielitz). Auch das Wappen führte nicht weiter, da es sich weder bei J. B. Rietstap, noch bei Hubert de Vries findet. Es ist auch die Frage, ob der Altersvermerk wirklich authentisch ist. Doch bleibt zunächst nur der Weg offen, in den Jahrgängen um 1520 in den damaligen spanischen Niederlanden nachzuforschen, denn Vermeyen war für den Kaiserhof tätig bzw. die Statthalterinnen der Niederlande (damals Maria von Ungarn).

Zutage kamen auf diese Weise fünf Mediziner, von denen die Wahrscheinlichkeit für Jan van Gorp spricht, der sich selbst Becanus nannte. Sein Geburtsjahr wird unterschiedlich angegeben. Er wurde angeblich 1518/19 in Hilvarenbek in Brabant als Adliger geboren. Über seine Ausbildung besteht keine Klarheit; man vermutet, daß er bei der damaligen Kapazität Gemma Frisius (1508─1555) in Leuven studierte; möglich ist jedoch auch eine Universität in Oberitalien. Er fiel sehr bald durch seine originellen Einfälle auf. Wie es scheint, wandte er unkonventionelle Methoden an und hatte damit Erfolge. Jedenfalls suchten beide Kaiserschwestern, Eleonore und Maria, ärztlichen Rat bei ihm. Durch sie wurde der Kaisersohn Philipp auf ihn aufmerksam und wollte ihn als Leibarzt engagieren; dieser Festlegung wich van Gorp aus.

Für zwei Jahre ließ er sich in Antwerpen als Stadtarzt nieder; zeitweilig übte er diese Tätigkeit auch in Leiden aus. Durch seine medizinischen Erfolge war er versucht, sich auch in andere Fachgebiete einzumischen und vertrat dabei abenteuerliche Thesen. Der berühmte Drucker Christophe Plantin (ca,1520─1589) druckte 1569 seine Origines Antverpianae im Folioformat. Darin gab er u.a. seine Ansicht zum bersten, daß die flämische Sprache die älteste der Welt sei. Der Enzyklopädist Johann Heinrich Zedler erwähnt seine Sprachbegabung, schreibt aber: »An Geschicklichkeit und Geist hat es zwar diesem Manne nicht gemangelt; aber sein Urteil ist nicht alle Zeit das beste; seine eignen Gedanken und Einfälle gefielen ihm gar zu wohl, und seine Vermessenheit, Muthmassungen, welche nicht die geringste Wahrscheinlichkeit haben, vor gewisse Wahrheiten auszugeben, war ungemein groß«. In seinem Leben veröffentlichte er neun umstrittene Bücher, die noch lange zu Auseinandersetzungen Anlaß gaben.

Le Roy meinte, Goropius agierte geistesverwandt mit Scaliger (s. Beitrag Unbek.Künstler, Scaliger) und äußerte: »Seine Schriften präsentieren eine bizarre Melange von abenteuerlichen Theorien und Beobachtungen und gesunder Kritik«, und sein Zeitgenosse Patrick Besnier kam zu der Einsicht: »Dieser Mensch ist sehr erfinderisch für Irrtümer«.

73.03-Vermey--Goropius NEBUnbekannter Künstlker: Jan van Gorp:
Da sein Geburtsjahr üblicherweise mit 1518 angegeben wird, im Bild aber aus der Inschrift hervorgeht, daß er 1520 auf die Welt kam, könnten Bedenken auftreten, ob das Portrait zutreffend identifiziert wurde. Nun gibt es aber im Internet (wikimedia.org) ein Vergleichsportrait eines unbekannten Malers, das erhebliche Übereinstimmung mit dem hier
diskutierten Gemälde aufweist. Bedauerlicherweise versäumte wikimedia jedoch, die obligatorischen Angaben beizufügen: Es werden weder Standort, noch Material und Format, vor allem aber nicht die Datierung angegeben. Immerhin bestätigt es, daß die Identifikation des Vermeyen-Portraits den Arzt Jan van Gorp wiedergibt.

Da Goropius im damaligen europäischen Machtzentrum tätig war, wurde sein Wirken auch in Deutschland wahrgenommen. Sogar der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646─1716) nahm Stellung und entlarvte seine Ansichten in einem fiktiven Dialog (in seinen nouveaux essais I, III. etc). Übertreibungen und Exzentrik wurden ihm mehrfach vorgeworfen. Aber Goropius ließ sich durch niemanden und nichts zu Korrekturen seiner Auffassungen bewegen.

© Christoph Wilhelmi Stuttgart 2016


Literatur
Henrik J. Horn: Jan Cornelis Vermeyen. I/II Doornspijk 1989
Alphonse Le Roy. In: Biographie Nationale de Belgique. Vol. VIII Bruxelles 1884/85
J.-B.Rietstap: L’Armorial général. Berlin 1934
Hubert de Vries: Wapens van de Nederlanden. Amsterdam 1995
Johann Heinrich Zedler: Das Grosse vollständige Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. Leipzig 1732/34

Bildnachweise
Henrik J. Horn: Jan Cornelis Vermeyen. I/II Doornspijk 1989 A115
commons.wikimedia.org/wiki/File:Becanus.jpg (26.1.2016)

Übersetzungen aus dem Latein: Christian Graf