Erstveröffentlichung


Jan Cornelisz Vermeyen (?)

Jean V. de Hénin-Liétard

73.02-Vermey-Hénin 240Das Portrait dieses würdigen alten Herrn gehört(e) zur Sammlung Henry Weldon New York und wird von Hendrik J. Horn der Werkstatt des Jan C. Vermeyen (ca.1500─1559) zugerechnet (Öl auf Holz 44 x 35,1 cm). Tatsächlich gibt es eine Reihe von Anzeichen dafür, daß es unter Einfluß des Meisters entstanden ist; die charakteristische Physiognomie und die Gestik der Hände finden Entsprehungen in dem Gesamtwerk. Da etliche Portraits weder Entstehungszeit noch den Namen des Dargestellten tragen, wurde offenbar pauschal verfahren: Die Datierung ca. 1528/30 findet sich bei mehreren Portraits. Daher ist diese Aussage zweifelhaft. Zum einen arbeitete Vermeyn bis in die 50er Jahre, zum anderen sind seine Werke keine Serienfertigung.

Signifikant ist die Beigabe des höchsten kaiserlichen Ordens, dem Goldenen Vlies (s. Essay Plaketten·Devisen·Impresen). Aber diese Tatsache verhalf offenbar bisher nicht zu einer Lösung. Mit der Ordensverleihung versicherte sich der oft abwesende Kaiser (er führte Kriege bis nach Nordafrika) der Loyalität wichtiger Befehlshaber in den z.T. unruhigen Provinzen der Niederlande. Jedenfalls sind Personen aus diesem Gebiet überwiegend auf den Listen der Ordensträger zu finden. Doch warum wurde die passende Person bisher nicht ausfindig gemacht? Außer dem Orden ist eben alles unklar an diesem Portrait.

Von daher war es ein Glücksfall, daß bei den mühsamen Recherchen eine Portraitzeichnung aus der Médiathèque d'Arras von Jacques Le Boucq (1520─1573) auftauchte, der seine Skizze sicherlich nicht mit 8-10 Jahren gezeichnet hat (dieses Alter erreichte er zur bisher vermuteten Zeit der Entstehung des Gemäldes). Andererseits erhielt der Ordensträger 1531 die Auszeichnung, denn da ´beförderte´ Kaiser Karl V. eine ganze Reihe von flämischen Honoratioren. Allerdings muß deswegen 1531 nicht das Jahr des Portraitauftrags sein; 1545/50 erscheint realistischer.

Hier im Portrait tritt ein Mann von rd. 60 Jahren auf. Vermutlich ist er um 1490 geboren worden, denn daß ein noch relativ junger Mann vom Kaiser ausgezeichnet worden wäre, ist unwahrscheinlich; ein Kandidat mußte erst eine auszeichnungswürdige Leistung vorweisen können. Doch dadurch war noch nichts über die Person selbst auszusagen. Nur eine Vergleichsabbildung konnte daher weiterhelfen.

73.02-Vermey-Henin--NEBJacques Le Boucq::
Jean V. de Henin-Liétard (1520─1573)
Médiathèque d'Arras
Die Übereinstimmung in der Person von Zeichnung und Gemälde ist trotz der unterschiedlichen Kopfhaltung frappant. Sie besteht in der wuchtigen Nase, dem langen zweigeteilten Bart und vor allem in dem barocken Schnurrbart sowie im hellen Haar. Da die Zeichnung den Porträtierten benennt, liegt nun auch der Dargestellte im Gemälde offen zutage: Jean V. de Hénin-Liétard, seigneur de Cuvilliers. Er war Sohn von Petrus van Hennin (1490), der als Gouverneur von Enghien schon 1478 mit dem Goldenen Vlies ausgezeichnet worden war. Sein Sohn Joannes/Jean diente als Kämmerer und Oberstallmeister bei Karl V. und war verheiratet mit einer prominenten Frau, Anna von Burgund (1551). Er kämpfte auf Seiten der Kaiserlichen bei Grevelingen und St. Quentin, offenbar verdienstvoll, denn Karl V. zeichnete ihn auf besondere Weise aus: »Wie er dereinst den Keyser auf dem im Hennegau liegenden Schloß Bossu bewirthet, ward dieß Schloß nebst der dabei liegenden Stadt zu einer Graffschaft erhoben, er selbst aber zum Ritter des Goldenen Vließes gemacht« (Zedler). Als Comte de Boussu begründete er für das Haus Hénin eine neue Linie, die ihren Besitz 1577 noch durch Fosse erweitern konnte. Einzelheiten über seine besonderen Verdienste erfährt man nicht. Aber da seine Familie ursprünglich aus dem Artois stammte, heute eine französische Provinz, war es für Karl V. vermutlich wichtig, dort einen verläßlichen Mann zu wissen, der den französischen Übergriffen standzuhalten gewillt war.

© Christoph Wilhelmi Stuttgart 2016


Literatur
Hendrik J. Horn: Jan Cornelisz Vermeyen. I/II Doornspijk 1989
Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon. Leipzig 1732/34

Bildnachweise
Hendrik J. Horn: Jan Cornelisz Vermeyen. I/II Doornspijk 1989 A 141
commons.wikimedia.org/wiki/File:Le_Boucq_-_Jean_V_de_Hénin-Liétard.jpg (21.1.2016)