Erstveröffentlichung
Bartholomäus Bruyn d. J.(?)

Hubertus Faber

13.04-Bruyn-Faber 240Der vermutlich in Wesel geborene Maler Bartholomäus/Barthel Bruyn (1493─1555 Köln) hat zahlreiche Prominente aus den Städten Wesel und Köln akribisch porträtiert. Das Bildnis eines Mannes von 1557 in geschweiftem Rahmen (Öl auf Eiche, 56 x 42 cm. Wallraf-Richartz-Museum, Köln Nr. 285) wird jedoch als nicht eigenhändig eingestuft, zumal Bruyn zwei Jahre vorher verstarb. Im Katalog heißt es: »aus B. Bruyn’s Schule stammend« (S. 85). Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß es der gleichnamige Sohn des Künstlers (*um 1530─1607/10) es ausgeführt hat, zumal ein kleiner, manieristischer Effekt in das Bildnis eingearbeitet ist: Durch die Beleuchtung des Gesichts fällt ein Schatten des Baretts auf den Hintergrund. Doch hier interessiert nicht der Anteil des einen oder anderen Meisters an dem Werk, sondern welche angesehene Person darauf dargestellt wurde. Diese Frage konnte in Köln bisher nicht gelöst werden, obwohl sich das Gemälde schon sehr lange in der Sammlung befindet.

Da die Person vorgerückten Alters einen Pelzkragen trägt, kann sie zu dem bürgerlichen Mittelstand der Stadt gezählt werden. Der Kopf ist bedeckt mit einem flachen, dunklen Barett ohne Rand, das eher einer cappa gleicht. Ins Auge springend ist ein Totenschädel dargestellt, auf dem die linke Hand des Porträtierten ruht. Ferner ist unten ein mit einem Tuch belegter Sims erkennbar. Die rechte Hand hält ein Buch, wobei ein Finger im Buch steckt. »Das Gebetbuch als Zeichen der Frömmigkeit und der Schädel als Vanitas-Symbol erklären hier keinen Berufsstand, sondern weisen auf das mit dem Portrait häufig verbundene memento mori hin« (Frank-Günter Zehnder). Zehnder vermutet jedoch in dem Mann einen Arzt: »Katalog 1864 bis Niessen 1888 bezeichneten den Dargestellten als einen Arzt« (Zehender S. 85)«.

Dabei bietet das Portrait eine wichtige Hilfestellung zum Identifizieren an, die Angabe des Alters des Porträtierten: AETATIS SUE 44. Bei der Subtraktion dieser Zahl von der Jahreszahl der Datierung des Bildes ergibt sich für die Person das Geburtsjahr 1513. Bisher eine Lösung erschwert hat allerdings, daß man das Geburtsjahr der passenden Person nicht wußte. Darüber wurde um die Zeit noch nicht allgemein Buch geführt. Und doch gibt es einen Weg, zum Ziel zu gelangen.

Vor dem 30-jährigen Krieg hat ein fleißiger Büchermacher namens Melchior Adam ein fünfteiliges Verzeichnis mit Biographien angelegt, dessen einer Teil mit dem Titel: Vitae Germanorum Medicorum versehen ist. Wie der Titel anzeigt, ist es in Latein, der Sprache der gelehrten Welt abgefaßt. Das ermöglichte eine europaweite Verbreitung des Buches. Darin sind die Adam damals bekannten, namhaften Ärzte versammelt. Dieses Werk hat die Universität Mannheim bildhaft ins Internet gestellt und dazu eine Namenliste erarbeitet, die auch die Lebensdaten enthält, soweit bekannt. Hier ist unter Buchstabe F Hubert Faber verzeichnet mit den Daten *ca. 1515─1565. Doch woraus kann man schließen, daß Faber der von Bruyn Porträtierte ist?

Auf S. 136 bringt Adam einen kurzen Lebenslauf des Mannes. Seine Heimat gibt er mit Niederdeutschland an, weiß jedoch nicht den Geburtsort, nur: honesto loco natus (geboren an ehrenvollem Ort). Man erfährt, daß Faber an verschiedenen Schulen studiert und seine Abschlüsse gemacht hat, allerdings auch hier ohne Ortsangaben. Auf den Magister in Sprachen folgte ein Studium der Philosophie und Medizin mit dem Abschluß durch eine Promotion. Stilistisch etwas verschroben drückt sich Adam aus, als er erwähnt, Faber sei von der medizinischen Fakultät der Universität Paris aufgenommen worden. Darauf folgt die aufschlußreiche Bemerkung: Coloniam rediit (er kehrte nach Köln zurück). Dort lehrte er öffentlich Medizin. »In der medizinischen Fakultät starb 1557 der einzige Professor, der noch Vorlesungen gab. Nach seinem Tode stand die ordentliche Lektion verwaist. Die Universität beschloß nun, von der Bestimmung, daß nur ein in Köln selbst Promovierter auch in Köln lesen dürfte, abzusehen und den Dr. Hubert Faber die Professur zu übertragen« (Ennen IV S. 707). Heute kaum vorstellbar ist, was Ennen noch hinzufügt: »Gegen Ende des Jahrhunderts wußte man sich [in Köln] kaum mehr einer medizinischen Promotion zu erinnern«.

Doch die Herzen der Bürger soll Dr. Faber in bewundernswerter Weise gewonnen haben, dazu die Freundschaft der praktizierenden Kollegen, die von Ennen namentlich aufgezählt werden. Das Vertrauen des Senats in ihn war so hoch, daß ihm zusammen mit seinen Kollegen der Dispens für die Herstellung von Medikamenten gestattet wurde. Seine Veröffentlichungen zu nennen, erspart sich Adam, weil er darüber und auch über seinen Todestag nichts Genaues in Erfahrung bringen konnte.

Es ist anzunehmen, daß er sich den Familiennamen selbst gegeben hat, denn er geht auf ein lateinisches Wort zurück und heißt übersetzt: geschickt. Faber diente auch als generelle Bezeichnung für Handwerker bzw. Techniker (vgl. Max Frisch: homo faber). Hubertus Faber wollte wohl mit faber ausdrücken, daß er ein geschickter praktischer Arzt sei.

Da die Daten der drei bei Ennen benannten damaligen Kollegen nicht 1513 als Geburtsjahr haben, ist daraus zu schließen, daß Hubert(us) Faber der Gesuchte ist und zu der Zeit des Gemäldes Stadtarzt war bzw. Professor in Köln wurde. Die Erhebung zum Professor wird mit hoher Wahrscheinlichkeit den Portraitauftrag ausgelöst haben. Leider findet sich keine weitere Portraitdarstellung in den diversen Bildverzeichnissen zum Vergleich.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2021

Literatur
Melchior Adam: Vitae. Frankfurt /Main und Heidelberg, 1615-1620
Leonard Ennen: Geschichte der Stadt Köln. Bd. IV. Köln/Neuss 1869
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn d. Ä. als Bildnismaler. München 1965
Frank Günter Zehnder (Hg.): Katalog der Altkölner Malerei. Köln 1990 S. 85 Abb. 55

Bildnachweis
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn d. Ä. als Bildnismaler. München 1965 Abb. 55