Erstveröffentlichung

Unbekannter Künstler

Anna Maria von Schweden

71.40 240 Anna v. SchwedenDie National Gallery, Dublin, verfügt als Nr. 974 über ein Portrait of a woman aged 22, das in etwas ungelenker Malweise zwar eine Adlige vorstellt, deren Physiognomie aber ist flach und maskenhaft angelegt. Auffällig ist hier die Massierung von Schmuck. Zwei lange Goldketten aus großen Gliedern hängen bis über die Brust. An einer feineren Kette hängt ein Medaillon mit dem Gekreuzigten. Auf einem Tischchen am unteren Bildrand hat die Dame ihre Arme übereinandergelegt und zeigt ihre Ringe: zwei am rechten Zeigefinger, drei an der darüberliegenden linken Hand. Die Ausstattung deutet auf eine Prinzessin.

Im Portrait kommen sich Schmuck und applizierte Ornamentbänder in die Quere: jeweils am Unterarm, um den Hals und entlang des Brustbeins sowie unter dem Spatenkragen, mit dem das durchweg schwarze Gewand einen erwünschten Kontrast zum Schmuck bietet. Dieses endet unterhalb der Schultern, um dem Schwarz durch ein weißes, unter dem Kinn in einem schmalen plissierten Kragen endende weiße Hemd ein Gegengewicht zu bilden. Auch die weiße Haube, welche alle Haare verhüllt, ist mit einem Ornamentband versehen, auf dem Blüten befestigt sind und Perlenreihen. Ganz offensichtlich sollte dieses Brautwerbebild dem Künftigen imponieren.

Das Museum hat den unbekannten Urheber mit Upper Saxony School umschrieben, ohne eine Begründung für diese Annahme zu liefern. Doch die Malerei in Sachsen war dank Lucas Cranach d. J. und seinen Mitarbeitern erheblich feiner, als dieses provinziell angelegte Bildnis erkennen läßt. Dementsprechend ist als Ursprungsland ein peripheres Gebiet Europas zu vermuten.

Die im Hintergrund des Gemäldes erhaltene Inschrift wurde vom Museum offenbar nicht zur Aufklärung genutzt. Sie zeigt oben rechts in der oberen Zeile das Entstehungsjahr an: 1567 und darunter AETATIS SVA·22. Daraus ergibt sich der Geburtsjahrgang der Person mit 1545. Offenbar hatte man in Sachsen keine passende Prinzessin gefunden und danach die Suche aufgegeben. In den Randgebieten Europas taucht aber durchaus eine Kandidatin auf, nämlich die Tochter des selbst ernannten schwedischen Königs Gustav Vasa (ursprünglich Gustaf Erikson, 1496─1560), der die Unabhängigkeit seines Landes vom dänisch-norwegischen König als König Jösta durchgefochten hatte. Seine Tochter Anna Gustavsdotter bzw. Anna Maria von Schweden wurde 1545 geboren und verlor schon mit sechs Jahren ihre Mutter. Aufgezogen wurde sie daher von ihrer Amme Brigitta Lars Anderssons und zwei Hofdamen.

Auch Anna Maria nahm ihre eigene Zukunft in die Hand und betrieb ihre Heirat 1562 selbst. Wie sie auf ihren Bräutigam gestoßen war, ist leider nicht bekannt. Der war Herzog Georg Johann I. von Veldenz (1543─1594), ein Wittelsbacher. Beide brachten es auf zehn Kinder. Dem Portrait nach zu urteilen, war Anna Maria eine robuste Natur. Nur bewahrte das sie nach dem Tod ihres Mannes nicht vor Armut. Sie starb 1610.

Das unterhalb der Inschrift angebrachte Wappen ist leider so vergangen, daß es die Identität von Anna Maria nicht mehr bestätigen kann. Als Urheber käme evtl. Hans van Uther (+1597) infrage, der Persönlichkeiten am schwedischen Hof gemalt hat, u.a.1565 die Stiefmutter von Anna Maria, die Königin Katharina von Schweden.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2020

Literatur
David Oldfield: German Paintings in the National Gallery of Ireland. Dublin 1987
https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_I._Wasa (15.1.2018)

Bildnachweis
David Oldfield: German Paintings in the National Gallery of Ireland. Dublin 1987 Fig. 40