Nicolaus Kremer
Clemens Volckamer

98.01 Kremer-Volckamer240Mit dem sogenannten Portrait of a Nobleman (1529. Öl auf Holz 59,7 x 44,1 cm. National Gallery, Washington) von Nicolaus Kremer (ca.1500 ─ 1553) haben sich schon Kapazitäten wie Max J. Friedländer (1867─1958) und Hertha Wescher (1899 ─ 1971) beschäftigt, ohne eine Auflösung des unbekannten Dargestellten anbieten zu können. Durch die Siegelung auf der Rückseite des Bildes veranlaßt, vermuteten sie in dem wohlhabenden Mann einen Adligen. Er trägt eine dunkle Schaube mit rötlich-braunem Pelzbesatz vor einem grünen Vorhang, der rechts den Ausblick in eine Landschaft mit einer kleinen Ansiedlung freigibt. Die kräftig gebaute Kirche mit zwei dazugehörigen Gebäuden allerdings weist nicht gerade auf einen Adelssitz hin, eher auf ein Dorf, wie es sich Augsburger, Nürnberger und Ulmer Kaufleute zulegten, um dort für sich einen Landsitz zu errichten, den sie ihrem Namen ─ wie einem adligen ─ anfügen konnten. Friedländer plädierte als ausführenden Künstler für Nicolaus Kirberger, während Hertha Wescher sich 1936 für Kremer entschied, einen am Oberrhein nachgewiesenen Künstler, über den wenig bekannt ist, jedoch etwas kunstgeschichtlich Wichtiges: Er war es, der den Nachlaß von Hans Baldung Grien erwarb und damit für die Nachwelt rettete.

Es bleibt deshalb nur das Gemälde selbst als Ausganglage und was es an Informationen preisgibt. Da ist vor allem zu bemerken, daß der Mann keine Kette um den Hals trägt, also eher im städtischen Patriziat zu suchen ist, aber einen Pelz. Hier handelt es sich um einen Baummarder, wie die Aufhellungen beweisen. Leider hat Kremer nicht wie Holbein oder Cranach das Alter des Porträtierten angegeben. So läßter sich nur schätzen auf Ende 20 bzw. Anfang 30. Dementsprechend ist nach ihm zu suchen unter den kurz vor der Jahrhundertwende Geborenen, bei denen jedoch die Einschränkung besteht, daß es vor der Reformation keine Taufregister gab.

Da die Landschaft im Hintergrund offenbar als süddeutsch anzusehen ist, aber doch kein topographisches Charakteristikum aufweist, besteht nur die Möglichkeit, nach Vergleichsportraits zu suchen. Unter den graphischen Portraits der Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel kommt Clemens Volckamer (1495 ─ 1541) als Ratsherr vor, welcher in der Version A 22933 im Rechtsprofil mit kräftigem Haarwuchs und Scheitel dargestellt ist, was leider im 98.01 Volckamer-NEB-240Johann AlexanderBöner:
Clemens Volckamer. Postume Radierung
Gemälde verdeckt ist von dem schwarzen Barett. Doch daß er auf dem Blatt ohne Bart dargestellt ist, obwohl damals Bärte überwogen, ist ein nützlicher Anhaltspunkt. Die zweite Version A 22934 zeigt ihn mit Pagenkopf, nur stimmt die Physiognomie nicht mit der anderen Medaille überein.


Eine weitere Möglichkeit für Vergleichsportraits bietet das Medaillenwerk von Georg Habich. Auf diesem Portrait ist deutlich die auch im Gemälde auffallende, zugespitzte Nase zu erkennen. Während die Wolfenbütteler Stiche wohl posthum gemacht wurden, hat die Medaille Nr. 932 von 1526 den Vorzug fast zeitgleicher Darstellung; nur ist das kleine Format weniger aussagekräftig. Immerhin ergeben sich zum Gemälde keine gravierenden Widersprüche. So kann angenommen werden, daß der von Kremer porträtierte Mann tatsächlich Clemens Volckamer ist. Schließlich war ein Portrait, ob gemalt oder gegossen, ein Kostenfaktor, den sich nur Begüterte leisten konnten. Diese Voraussetzung erfüllte Volckamer auf alle Fälle.

Wie verlief das Leben von Clemens Volckamer? Er wurde als Sohn des angesehen Paulus V. Volckamer und Apollonia Haller, einer Tochter aus der Oberschicht von Nürnberg geboren. Er selbst heiratete 1515 Anna Schnürstab und wurde 1518 Ratsherr. Offenbar machte er sich verdient, 98.01 Münze-NEB-240Unbekannter Medailleur: Clemens Volckamer
1526. Habich Nr. 932
denn 1527 rückte er zum alten Bürgermeister auf. Als solcher hielt er es wohl für angebracht (oder wurde dazu aufgefordert?), sich 1529 porträtieren zu lassen. Nun war im Jahr zuvor Albrecht Dürer gestorben. So sah er sich möglicherweise nach einem ´Ersatz´ um. Wäre er z.B. 1529 zum Reichstag nach Speyer gefahren, möglicherweise im Auftrag der Stadt Nürnberg, könnte er dort auf Nicolaus Kremer getroffen sein, denn daß er Reichstage dienstlich besuchte, ist verbürgt. So reiste er 1530 zusammen mit Christoph Kress nach Augsburg und unterschrieb die confessio augustana, das Augsburger Bekenntnis der Lutheraner, die u.a. von Philipp Melanchthon entwickelte Lehrnorm der Protestanten im Reich. Eine postume Medaille für Clemens Volckamer rühmt übrigens seine Verdienste um die Reformation. Sein Ansehen in Nürnberg muß groß gewesen sein, denn 1536 wurde er zu einem der sieben ´Älteren Herren´ im Stadtregiment bestimmt.

Trotz der wenigen Archivalien kommen doch einige Anhaltspunkte zusammen, welche für Clemens Volckamer sprechen als den von Nicolaus Kremer Porträtierten: einem charakteristischen Handelsherrn im Übergang von alter zu neuer Zeit.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2023

Literatur
Georg Habich: Die deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts. Bd.I, 1. München 1972
Oliver Hand: German Paintings of the fifteenth through seventeenth Centuries. Washington 1993 S. 115ff

Bildnachweis
Oliver Hand: German Paintings of the fifteenth through seventeenth Centuries. Washington 1993 S.117
Georg Habich: Die deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts. Bd.I, 2. München 1972 Nr. 932