Erstveröffentlichung

Giambattista Moroni
Federico Contarini

52.07-Contarini-240Außer dem Entstehungsjahr 1578 weist das Portrait eines eleganten Bärtigen (Öl auf Lw. 57 x 49. Accademia Carrara, Bergamo Nr. 221) von Giambattista Moroni (1520/24─1579) keinen Anhaltspunkt auf. Daß dieses Portrait 1796 von Giacomo Carrara der Accademia Carrara gestiftet wurde, erhellt die Provenienz, nicht aber die Person des Dargestellten.

Aus leicht schattiertem, monochromen Hintergrund tritt das Halbportrait eines gepflegten, offenbar zur Oberschicht gehörigen Mannes hervor. Er ist nach Art der spanischen Mode vollkommen schwarz gekleidet. Portraits von Tintoretto ähnlich tritt aus dem Dunkel nur die Physiognomie hervor, das unten von einem kunstvoll onduliertem weißen Kragen aufgefangen wird.

Das Alter der Person läßt sich nur ungefähr auf etwas 40 Jahre schätzen, so daß hier ein Vertreter des Jahrgangs 1538 denkbar wäre. Aus rd. 10 Anwärtern kommt Federico Contarini die meiste Wahrscheinlichkeit zu. Er wurde 1538 als Sohn des Francesco Contarini geboren, der zum Zweig der Contarini dalle Due Torri gehörte, die zu den reichsten Patriziern der Seerepublik zählten.

Über seine Jugend und Ausbildung ist nichts bekannt; sie dürfte aber erlesen gewesen sein, jedenfalls analog zu den anderen venezianischen Führungskräften. Öffentlich in Erscheinung trat Federico Contarini 1574, als der Thronaspirant für den polnischen Wahlkönig, der französische König Henri II Venedig besuchte. Wie sein Vater trat Henri II betont opulent und splendid auf. Er ließ sich u.a. die neuerbauten Villen an der Brenta zeigen, wo auch die Contarinis 1546 gebaut hatten. Von der Zeit an war der berühmte Architekt Andrea Palladio (1508─1580) mit Aufträgen ausgelastet. Unter den venezianischen Patriziern zählten die Contarinis zu den kunstfreudigen. Aus der Tintoretto-Werkstatt besaßen sie das Portrait eines Prokurators in majestätischer Haltung und Toga, heute in der Sammlung der Fondazione Giorgio Cini.

Demgegenüber scheint das vorliegende Gemälde kein Repräsentationsportrait zu sein, denn es macht eher den Eindruck, ein privates Portrait zu sein, schon vom kleinen Format her. Jedenfalls versucht es nicht zu imponieren. Der Dargestellte tritt in strengem Schwarz spanischer Mode auf und wirkt beinahe asketisch bzw. verächtlich gegenüber Schmuck und Prunk.

Federico Contarini zielte darauf, zum Prokurator ernannt zu werden. Diese Karriere war mühselig und mit dem Wechsel der Funktionen im Jahrestakt verbunden (s. Wilhelmi: Tintoretto. Stuttgart 2019 S. 97 ff). Er durchlief viele Stationen, sowohl intern als auch extern. Aber unter seinen Mitbewerbern hatte Federico Contarini nicht nur Freunde. Es ist sogar die Rede von Feindseligkeiten gegen ihn in einigen Gremien. Frühzeitig war er schon in den Rat der Zehn gelangt. Dort entwickelte sich eine Antipathie gegen ihn, die zu seinem Ausschluß aus diesem wichtigen Entscheidungsgremium führte. Erst 1584 wurde er wieder als provveditore der Beni culturale herangezogen und im Folgejahr als für die Monti (eine Art Leihanstalt) eingesetzt. Bevorzugt wurde er im Finanzbereich eingesetzt.

Es wird berichtet, daß Federico Contarini religiös war und sich auch am kirchlichen Leben beteiligte. Das bedeutete damals, daß er auf der altkirchlichen Seite stand, denn in Venedig gab es viele Reformorientierte bzw. Kritiker der römischen Kirche. Er aber hielt sich zur traditionellen Kirche und hatte Verbindung zum Jesuitenorden, der sich für die Orthodoxie einsetzte und gegen die Protestanten auftrat.

Diese Positionierung war dem Senat bekannt; deswegen setzten sie ihn 1593, 1598 und 1610 als savio d’Eresia (Sachverständigen für Häresie) ein, dem Gremium der serenissima, das mit der Inquisition zusammenarbeitete. So fiel in seinen Tätigkeitsbereich auch der Fall des berühmten Philosophen und Poeten Giordano Bruno (1548─1600). 1591 »erreichte ihn die Einladung des venezianischen Adligen Mocenigo. Die Motive für Annahme der Einladung und die sofortige Abreise nach Venedig sind ungeklärt. Ob B. seine Gefährdung durch die Inquisition unterschätzte oder ob er eine Aussöhnung mit der Kirche suchte, kann nicht entschieden werden. / Schon am 22. Mai 1592 erfolgte seine Gefangennahme, nachdem er von Mocenigo denunziert und von der Flucht abgehalten worden war… Am 8. Februar 1600 wurde das Ketzerurteil, der Tod durch das Feuer, gegen ihn ausgesprochen« (Wolfgang Zimmermann S. 130).

Der Stadtstaat wachte eifersüchtig auf seine Autonomie, auch in kirchlichen Fragen, und hatte deswegen in der Vergangenheit manchen Konflikt mit dem Hl. Stuhl (s. Wilhelmi: Tintoretto S. 132). Doch Contarini scheint sich sehr loyal zum Vatikan verhalten zu haben, denn er wurde dafür vom Papst ausdrücklich belobigt.

Neben den öffentlichen Aufgaben setzte sich Contarini auch private Ziele. Offenbar ganz im Sinne der Renaissance ausgebildet beschäftigte er sich mit der Antike und legte eine beachtliche numismatische Sammlung an, Münzen und Medaillen. Sein ererbter Reichtum legte ihm bei der Beschaffung solcher Stücke keine Grenzen auf. Iacopo Franco zollte ihm dafür Lob. Außerdem soll er eine stattliche Sammlung römischer Marmorköpfe besessen haben; wahrscheinlich jedoch eher Kopien als Originale. Zudem sammelte er auch Gemälde und bewies damit Kennertum, denn dazu gehörten Bilder von Giovanni Bellini, Giorgione, Sciavone, Tizian und Veronese. Die Sammlung war so attraktiv, daß unter den Besuchern des Musaeum instructissimum auch Diplomaten aus Frankreich waren. 1593 wurde Contarini auf Grund seiner Kompetenz vom Senat dazu bestimmt, ein Museo archeologico zu organisieren. Der Patriarch von Aquilea, Giovanni Grimani (1506─1593) hatte seine Sammlung der serenissima gestiftet; diese Fundstücke bildeten den Grundstock.

Im Jahr 1613 starb Contarini infolge einer Lungenentzündung und wurde in der Nähe des Marmoraltars in der Chiesa delle Zitelle beigesetzt.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2019


Literatur
Gaetano Cozzi. In: Dizionario Biografico degli Italiani. Vol. 28 Roma 1983
Wolfgang Zimmermann. In: Metzler Philosophen Lexikon. Stuttgart 1989

Bildnachweis
Francesco Rossi: Accademia Carrara. Vol. I Mailand 1982 (?) S. 228