Bei nachstehendem Beitrag handelt es sich um eine Erstveröffentlichung.


Christoph Wilhelmi


Die Portraits von Bartholomäus Bruyn
und das Umfeld des Künstlers



Unbestritten erreichte die Portraitkunst zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Deutschland einen Höhepunkt. Sind die gemalten Portraits in der Ära Kaiser Maximilians I. (Regierungszeit 1486─1519) oft noch etwas unbeholfen und vielfach aufs Profil beschränkt, so wird nach 1500 erstaunlich schnell von mehreren Künstlern ein relativ hoher Standard erreicht. Dabei setzte zweifellos Albrecht Dürers Talent Maßstäbe durch seine Suche nach der Wahrheit. Diese ging soweit, daß er in dem Feld unter dem Kupferstich von Philipp Melanchthon von 1526 ein persönliches lateinisches Distichon setzte, das übersetzt lautet: »Wohl vermochte Dürers gelehrte Hand ein Porträt Philipps so lebensnah zu zeichnen, nicht jedoch seinen Geist«. Heute verstehen wir unter Wahrheit eher Lebensnähe oder Sinn für Realität.

Daß der Wunsch nach einem realistischen Portrait, wie es die Herrscher hatten, so rasch auch die Bürger erfaßte, deutet auf ein erstarktes Selbstbewußtsein der Stadtbewohner hin. Ermöglicht haben es vor allem drei besonders befähigte Künstler:

im Süden: Hans Holbein d. Ä. (*ca.1465)

in Mitteldeutschland: Lucas Cranach d. Ä. (*1472)

im Nordwesten: Bartholomäus Bruyn d. Ä. (ca. *1493).

Auffällig an diesen drei Künstlern ist vor allem, daß ihre malerische Begabung sich bei ihren Söhnen fortsetzte, Holbein d. J. überflügelte sogar den Vater, sein ebenfalls malender Bruder starb früh. So konnte das malerische Werk sozusagen bruchlos fortgesetzt werden und damit die Wirkung der Ateliers steigern. Dies gilt auch für die beiden Portraitisten Jean (Vater) und François (Sohn) Clouet, einer aus Flandern stammenden Familie. die aber am französischen Hof großen Erfolg hatte und ein umfangreiches Oeuvre an Silberstiftzeichnungen des französischen Hochadels zur Zeit der Valois hinterlassen haben (allein 343 männliche Bildnisse) sowie gemalte Portraits.

Hans Holbein d. J. (1497─1543) wurde zum Spitzenreiter, aber nicht in seiner Heimat sondern im Königreich England. Durch die konfessionellen Umwälzungen mußte sich der in Basel Ansässige nach Auftraggebern erst in Frankreich, dann erfolgreich in England umsehen.

Lucas Cranach d. J. (1515─1586) schloß so unmittelbar an die Produktion des Vaters an, daß bis heute die Autorschaft bei einigen Portraits der 1540er Jahre immer noch nicht überzeugend geklärt werden konnte, welche Bildnisse nun vom Vater und welche vom Sohn stammen.

Für Bartholomäus Bruyn d. J. (* um 1530─1607/10) gilt das Gleiche. Welche Portraits der beginnenden 50er Jahre von dem Vater ausgeführt wurden oder von dem Sohn, blieb bisher ungeklärt. Beide Junioren, Bruyn und Cranach, übernahmen die Bildauffassung der Väter, sodaß eine eindeutige Klärung wohl kaum mehr zu erzielen ist.

Kunstgeschichtlich ist es eine einmalige Konstellation, daß diese drei Senioren in einem jeweils gesonderten Herrschaftsbereich zu dominanten Porträtisten avancierten (einschränkend sei gesagt: Holbein d. Ä. Œuvre ist offenbar durch Verluste gelichtet und noch immer nicht vollständig aufgeklärt). Ihre stilbildende Leistung wurde zu einer epochalen dadurch, daß sich ─ fast nahtlos ─ das Werk der Junioren anschloß; dabei übertraf der Holbein-Sohn den Vater an Bedeutung. Für die anderen beiden Junioren läßt sich dies nicht sagen, da sie keine Eigendynamik entwickelten.

Die Rezeption dieser drei Portraitleistungen in der Kunstwissenschaft fiel sehr unterschiedlich aus. Das Werk Holbein d. Ä. ist offenbar fragmentarisch und harrt insgesamt noch der Aufarbeitung. Dagegen erzielte sein Sohn auf Grund seiner Perfektion wohl die größte Aufmerksamkeit von allen. Der Stolz der Briten machte ihn, wie Händel, zu einem Nationalhelden.

Das umfangreiche Portraitœuvre Cranach d. Ä. ist seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts durch Friedländer/Rosenberg zwar erfaßt, hat aber durch fehlende Namen von Dargestellten und eine große Zahl von Werkstattarbeiten in seiner Heimat nicht die Ausstrahlung, welche von seinen Spitzenwerken ausgeht.

Die reichste Bildnisproduktion gelang Bartholomäus Bruyn d. Ä., obwohl auch sein Oeuvre dem Schwund ausgesetzt war. Joachim von Sandrart schrieb in seiner Teutschen Academie I über ihn: »Viel Jahre vorher war in der berühmten Stadt Cölln Augustin Brun [sic!] ein herrlicher Künstler, der allda fürnehme und gute Arbeit von Contrafäten, wormit er großes und herrliches Lob verdient«.

Bruyn gilt durch sein ortsfestes Leben in Köln eher als eine regionale Größe des Niederrheins. »So war Bruyn der geschätzte Porträtist des ganzen Niederrheins« (Westhoff-Krummacher S.49). Von den bei Westhoff-Krummacher erfaßten 63 Portraits tragen 48 (also rd. 3/4) einen schwarzen Rock bzw. die Schaube eines Akademikers. Nachteilig wirkte sich aus, daß eine große Zahl von Dargestellten bisher nicht aufgeklärt waren (nur 33 von 113 d.h. 29%). Somit fehlte den Bildnissen etwas Entscheidendes. Auch erscheint die Gleichförmigkeit, die bei flüchtiger Betrachtung eine Serienproduktion suggeriert, verhindert zu haben, daß Bruyn mit den anderen beiden Meistern auf eine Stufe gestellt wurde. Bezeichnend dafür ist auch, daß ein Œuvreverzeichnis der Portraits von Bruyn erst 1965 durch Hildegard Westhoff-Krummacher bewerkstelligt wurde.


Aber während für Lucas Cranach d. Ä. seit einigen Jahren immerhin eine Forschungsstelle zur Werkregistrierung (cranach research institute bzw. Cranach digital archive) existiert, die sich in der Sichtung in authentische und zweifelhafte Werke hervorgetan hat, fehlt eine entsprechende Institution für Bruyn. Dabei sind in den letzten 50 Jahren diverse, Bruyn zugeschriebene Werke aufgetaucht, die kritisch beurteilt und entsprechend eingestuft werden sollten.

Überblickt man Bruyns Portraitoeuvre, fällt der hohe Anteil von Paarportraits auf. Darin überflügelt er die übrigen genannten Kollegen. Von der Haltung der Dargestellten im Bild her geht Bruyn noch vom Diptychon aus und arbeitet durchgängig auf Holz. Tatsächlich sind einige Paarbilder auch als solche hergestellt worden; im Laufe der Zeit aber geht er zu zwei getrennten Tafeln über. Sonderbarerweise ist in Süddeutschland keine vergleichbar hohe Anzahl von Paarportraits bei einem Künstler entstanden. Möglicherweise hängt das damit zusammen, daß Paarportraits im Süden (einschließlich Österreich) in den Jahrzehnten Bruyns meist als Bildnismedaillen hergestellt wurden, da Giessereien dort häufiger vorkamen. So kompensierte Bruyn sozusagen die Nachfrage im Norden durch gemalte Portraits.

Offensichtlich hat sich bei Bartholomäus Bruyn d. Ä. negativ ausgewirkt, daß er ein zurückgezogenes Leben führte und nicht für einen Fürstenhof gemalt hat bzw. wie Lucas Cranach, der auch in die politisch-konfessionellen Spannungen in Deutschland involviert war. Man weiß nur von zwei Söhnen, von denen ´jong Barthel´ ebenfalls Maler wurde und des Vaters Stil nahezu bruchlos fortsetzte. Bruyn d. Ä. attestieren die Biographen eine stilistische Abhängigkeit von Joest van Kalkar und Joos van Cleve. Tatsächlich scheint Bruyn kaum weiter als Aachen gelangt zu sein, obwohl einige Holländer unter seinen Auftraggebern zu finden ist. Wie aber aus den Biographien der Auftraggeber hervorgeht, hielt Bruyn Kontakt zu der Führungsschicht im Erzbistum Köln und im Herzogtum Jülich-Cleve-Berg und damit zu wichtigen Persönlichkeiten der an Erasmus von Rotterdam orientierten Reformbewegung im Land.

Diese Erkenntnis ist allerdings ganz neu und fußt auf der umfangreichen Promotionsarbeit von Elisabeth M. Kloosterhuis, welche sich mit den Erasmianern im Raum Köln beschäftigte. Unter diesen Begriff fallen die Personen, welche im Geist des Erasmus von Rotterdam (1466/69─1536) eine moderate Kirchen- und Staatsreform unterstützten und sich damit von Lutheranern und Wiedertäufer abhoben. Dieser Zusammenhang war nicht einmal Friedrich Heer, dem Erasmusbiographen, geläufig. Kulturhistorisch ist dieser Zusammenhang sehr aufschlußreich. Er besagt aber nicht, daß Bruyn selbst diese Auffassung politisch teilte; doch er war trotz der damaligen konfessionellen Spannungen diesen Reformern gegenüber nicht abweisend, verhielt sich aber offenbar unentschieden, wie so viele Kölner damals. Die kleinen Formate, die vielfach oben gerundeten Bilder und die vorwiegend dunklen Hintergründe suggerierten anscheinend: Bruyn war ein braver Handwerker, der Neuerungen vermied. Dadurch rückte er im öffentlichen Bewußtsein in die Sphäre der Dunkelmänner d.h. Rückwärtsgewandten. Letztere wurden von Ulrich von Hutten und seine Freunden attackiert.

Obwohl das Verzeichnis der Bruyn-Portraits von 1965 stammt, sind viele, damals anonym Dargestellte auch bis heute Unbekannte geblieben. Wo ein Familienwappen im Bild enthalten war, wurde der Dargestellte bezeichnet als „aus der Familie Wedigh“ o.ä. Damit ist die Identität der Person aber noch nicht aufgelöst.

Dabei hat Bartholomäus Bruyn d. Ä. ─ konsequenter noch als Lucas Cranach ─ auf vielen Portraits neben der Datierung auch das Alter der Person angegeben. Daraus ist immerhin der Jahrgang ablesbar. Aber wie sollte man die Identität aufklären? Die desolate Archivsituation in Köln haben die Medien hinlänglich bekannt gemacht. Daß die Dargestellten zum größten Teil zur Oberschicht der Städte am Niederrhein gehörten, vornehmlich Köln, war klar ─ und dabei blieb es auch. Westhoff-Krummacher vermutete: »Die Frauen waren reiche Apothekers-, Zöllners-, Goldschmiedetöchter, ´betuchte´ Töchter hanseatischer Kaufleute«; doch die neueren Ermittlungen gaben ihr nicht völlig recht. Der Schwerpunkt der Bruyn-Klientel liegt bei Akademikern, Persönlichkeiten aus der Administration und der Wissenschaft; etliche Adlige und Juristen dominieren.

Eine Überraschung ergab sich auch dadurch, daß Wappen meist von den Vertretern des jüngeren Adels d.h. Neu-Adligen ins Bild gebracht wurden, während die Vertreter des alten Adels diesen Ausweis nicht nötig zu haben glaubten. Jedenfalls wurden einige Grafen identifiziert, die auf ihr Wappen keinen Wert legten. In der Garderobe sind bürgerliche Patrizier von Alt-Adligen nicht zu unterscheiden, es sei denn, letztere hätten die traditionelle goldene Kette der Ritter angelegt. Die von Westhoff-Krummacher vermuteten hanseatischen Kaufleute blieben bisher eine Minderheit. Das mag daran liegen, daß sie ihrem Geschäft nachgingen bzw. in der städtischen Öffentlichkeit keine Rolle spielen wollten. Über sie liegt auch zu wenig biographisches Material vor, um sie mit den Portraits abgleichen zu können.

Während Lucas Cranach zum Hof des Protektors des Luthertums gehörte und Holbein d. J. beim Oberhaupt der englischen Nationalkirche engagiert war, befand sich Bruyn d. Ä. beruflich nicht in einem Machtzentrum. Der Erzbischof von Köln, Hermann Graf Wied (1477─1552) zog es vor, in Bonn zu residieren. Zwar übten sich die Juristen der Stadtverwaltung und die Bevollmächtigten des Erzbischofs um Verträglichkeit. Aber der Erzbischof traute den Bürgern von Köln nicht so ganz über den Weg, zumal sein Bruder, der Bischof von Münster, durch die Wiedertäufer in böse Auseinandersetzungen hineingezogen wurde. Ein Portrait von Hermann von Wied hängt übrigens im Kölnischen Stadtmuseum in geschweiftem Rahmen, das zwar nicht als eigenhändiges Werk von B. Bruyn d. Ä. von ca. 1540 gilt, sich aber an ihn stilistisch anlehnt. Daher findet es sich nicht im Verzeichnis von Westhoff-Krummacher. Bruyn war jedenfalls kein Hofmaler.

Politische Geschichte und Kunstgeschichte haben im Allgemeinen nur Berührung, wenn Herrscher Künstler zu Hofmalern machten. Da Bruyn nicht diesen Status bekam, sah man bisher auch keinen Anlaß, die Sphären zu verknüpfen. Aber Köln war gerade durch die Machtkonstellation Erzbistum, Kurfürstentum und Stadtregierung ein Schnittpunkt für ein großes Territorium. In der interkonfessionellen Auseinandersetzung spielte es daher eine wichtige Rolle. Stadt und Bistum versuchten zusammenzuarbeiten; dennoch gab es auch Spannungen. Diese kamen vorwiegend durch den Druck von außen: von Seiten des Kaisers. Um die Ausbreitung der Reformation einzudämmen, griff Karl V. mit Drohungen ein und setzte nicht nur die Räte in Köln sondern z. B. auch die in Ulm unter Druck. Bei Köln war ihm die Schlüsselfunktion für den Niederrhein und die nördlichen Niederlande wichtig ─ eine Bastion, die er mit allen Mitteln halten wollte. Mehrfach aber war die Stadt nahe daran, die Reformation anzunehmen und der Erzbischof ebenfalls.

Die Niederlande gehörten zum Erbe von Maria von Burgund, der ersten Frau Kaiser Maximilians. Sie waren auf Grund ihrer wirtschaftlichen Stärke keine willigen Untertanen. Dazu kam, daß das Herzogtum Geldern, das traditionell aufsässig war (man denke an Goethes Egmont), 1538 an das Herzogtum Jülich-Cleve-Berg übergegangen war und dessen Herzog Wilhelm eng mit dem aktivsten protestantischen Territorialfürsten, Philipp von Hessen, befreundet war. Aber als Wilhelm gegen die kaiserliche Übermacht unterlag, mußte er 1543 auf Geldern verzichten.

Diese labile politische Gemengelage hatte noch eine bedeutende geistesgeschichtliche Komponente. Der humanistische Gelehrte Erasmus von Rotterdam (1466/69─1536) agierte zwar nicht als Politiker, hatte sich aber für Fürsten als gefragter Berater erwiesen. Durch seine zahlreichen Publikationen beeinflußte er das Denken der Oberschicht in diesem Raum, speziell in den genannten Gebieten. Er trat für eine behutsame Umwandlung der Gesellschaft ein, lehnte aber Luthers Vorgehen als zu impulsiv ab. Dagegen war er mit Melanchthon im Gespräch, weil beide für eine gemäßigte Kirchenreform befürworteten.

Die Ausstrahlung von Erasmus wirkte stark auf alle Reformwilligen, besonders unter Theologen und Juristen an den Höfen in Köln/Bonn und Düsseldorf (Jülich-Cleve), die miteinander kooperierten; Herzog Wilhelm von Cleve war zeitweilig auch Kommandant bei den kölnischen Truppen. Diese Zusammenhänge waren zwar bekannt, wirkten sich aber eher inoffiziell aus, weswegen sie Friedrich Heer nicht erwähnt. Von den neuerdings identifizierten Bruyn-Portraits gehörten allein 17 dieser Denkschule an. Die mit Vorsicht unternommenen Reformprozesse im Nordwesten blieben Karl V. nicht verborgen, da ein Teil der Prominenten dieser Entwicklung entgegenzuarbeiten versuchte.

Um nach diesem gesellschaftspolitischen Exkurs auf B. Bruyn zurückzukommen: Von seinen 113 von Westhoff-Krummacher erfaßten Porträtierten sind 72 Männer. Davon muß man 24 als Erasmianer einstufen. Das ist ein erheblicher Faktor (nämlich 33%), der ein neues Licht auf den Maler Bartholomäus Bruyn wirft. Dieses Resultat hat sich erst neuerdings bei der Identifizierung bisher anonymer Portraits ergeben (von den bis 1965 identifizierten Personen waren es nur 8). Soziologisch ist nun interessant, welchen Rückhalt die moderate Reformation im Erzbistum Köln hatte.

Dabei war der flüchtige Eindruck, Bruyn sei wohl ein Parteigänger der konservativen katholischen Partei gewesen, was auch aus einigen Attributen hervorzugehen scheint wie dem Rosenkranz. Es fehlen aber in seiner Portraitgalerie die stockkonservativen Professoren, die Dunkelmänner wie Ortwin Gratius, die Zielscheibe des Spotts Ulrichs von Hutten waren. Zwar finden sich einige Juristen, Parteigänger von Karl V., unter den Auftraggebern für Bruyn wie Latomus, Rheineck und A. von Siegen. Das legt nahe anzunehmen, daß sich einige Erasmianer durch den Druck der Verhältnisse aus Opportunitätsgründen mit der kaiserlichen Macht arrangierten. Das Abdankungsjahr des Kaisers 1555 war übrigens das Todesjahr Bruyns. Wie unbarmherzig der Kaiser vorgehen konnte, zeigt der Fall Longolius (s. auch Beitrag Bruyn d.Ä., Longolius).

Dem von Bruyn porträtierten Professor der Medizin wurde bei seinem Tode 1543 die Communion verweigert, da er sie in beiderlei Gestalt wünschte (also reformatorisch). Statt an seinem Wohnort Köln begraben zu werden, mußten seine Angehörigen zur Bestattung nach Bonn ausweichen. Seine Witwe bekam den Befehl, Köln binnen drei Tagen zu verlassen. Als sie dem Befehl nicht nachkam, wurde ihr zehn Tage später klargemacht, daß sie sich »mit der Sonne aus der Stadt« zu machen habe, »wenn sie nicht zu Thurm gebracht werden wolle« (Rathsprotokoll No. 12 S. 108 in Ennen IV S. 495).

Die durch aktuelle Identifikationen erweiterte Portraitgalerie B. Bruyns ermöglicht auch kulturgeschichtliche neue Einblicke. Angelehnt an das Kapitel Zur Soziologie der Auftraggeber bei Westhoff-Krummacher ist es aufschlußreich, einige wiederkehrende Details in den Portraits zu untersuchen, da Akzentverschiebungen gegenüber 1965 festzustellen sind.

In gewisser Weise mit Lucas Cranach vergleichbar wirken manche Frauenportraits etwas schablonenhaft und trugen zum Eindruck serieller Produktion bei. Es existieren zwar einige Einzelportraits von Frauen; in der Regel kommen jedoch Frauen nur im Zusammenhang mit den Paarportraits vor. Sie sind z. T. noch nach dem niederländischen Vorbild als Diptychon gemalt, wenn auch meist nicht mehr im Rahmen durch Scharnier miteinander verbunden.

Die Garderobe ist auffallend einheitlich schwarz. Da es sich zumeist um verheiratete Frauen handelt, tragen sie überwiegend weiße Hauben nach Art der Niederländer, im Schnitt differierend. Bräute wurden vornehmlich mit Netzkappen aus Golddraht ausgestattet. Durch die einheitliche Garderobe erschliessen sich individuelle Merkmale überwiegend nur aus der Physiognomie. Diese sind unauffällig, sodaß man sie erst durch direkten Vergleich untereinander bemerkt. Ganz offenbar gehörte aber damals zum Frauenbild eine Art Maskenhaftigkeit, zumal Unterschiede durch Frisuren durch die obligatorischen Hauben ausgeschlossen wurden. »Die Kölner Frauentracht hat einen mütterlichen Stil. Es gibt unter den Kölnerinnen keine Damen, sondern nur mütterliche Frauen und brave Mädchen. Die gestärkten weißen Flügelhauben unterstreichen den reinlichen, aber auch gestrengen autoritären Charakter. Auffallend ist die Geschlossenheit der kölnischen Frauentracht [keine ausgeschnittenen Kleider]… nur die Kölnerinnen trugen hochgeschlossene Kleider. Überall, wo ein Hof bestimmt, ist ein üppiges Decolleté üblich« (Westhoff-Krummacher S. 59).

So ergeben sich durch das Weiß der Haube und das Schwarz des weitgeschnittenen Kleides (vielfach mit Raclan-Ärmeln) starke Farbgegensätze, aber eben auch einheitliche Farbflächen. »Bei B. Bruyn begegnen uns keine freien Kostümstudien… Das Kostüm war ein wesentlicher Porträtanreiz, ein führendes dem Auftraggeber außerordentlich wichtiges Motiv« (Westhoff-Krummacher S. 63).

Bruyn-Essay-Gürtel 240B. Bruyn d. Ä.:
Bildnis einer jungen Frau mit Nelke
Vom Schwarz hebt sich daher der nahezu obligatorische (Braut-)Gürtel umso besser ab, auf den es Bruyn offenbar besonders ankam viel mehr seinen Auftraggebern. Während das Dictionary of Art und das Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte dieses Detail nicht thematisieren, steht im Lexikon der Kunst zu lesen: »Im europäischen MA, als die Kleidung tailliert war, wurde der Gürtel auch zum Symbol der Würde und Ehrenhaftigkeit, Abzeichen des gesellschaftlichen Ranges. Frauen zweifelhaften Rufs durften in manchen Städten keinen Gürtel tragen«.


Noch nicht völlig geklärt ist die Häufung von kostbaren Gürteln in Bruyns Frauen-Bildnissen. Allein aus dem Reichtum Kölner Patrizier sind sie nicht zu erklären, denn die Stadtgesellschaften in den Niederlanden hatten damals eher noch reichere Familien aufzuweisen. Blättert man das Werk von Hoogewerff durch, so kommen auch dort zwischen 1515 und 1540 reich geschmückte Gürtel in Frauenportraits z. B. bei Jacob Claesz, Cornelis Engelbrechtsz. und Maerten van Heemskerck vor; es bleiben aber doch Einzelfälle. Der Schwerpunkt für diese Mode war offenbar das Erzbistum Köln. Gab vielleicht die byzantinische Kaisertochter Theophanu (ca. 955─991) den Anstoß dazu, ihr modisch nachzueifern. Sie lebte nach ihrer Heirat mit Kaiser Otto II. 972 in Köln und verfügte über entsprechenden Schmuck aus Konstantinopel. »Sie brachte eine beeindruckende Mitgift aus Seide, Schmuck und Ikonen und Handschriften mit. Der Ehevertrag war mit goldener Tinte auf eine lange Pergamentrolle geschrieben worden, die so bemalt worden war, daß sie wie byzantinische Seide aussah« (Judith Herrin, Byzanz S. 202). Sie wurde in der ältesten Kirche Kölns, St. Pantaleon, bestattet, da sich Theophanu zu dem orientalischen Märtyrer hingezogen fühlte. Otto I. »ihr Schwiegervater schenkte ihr Grundbesitz nahe Nijmegen und Köln, wo sie lebte und vier Kinder zur Welt brachte, drei Töchter und einen Sohn, den zukünftigen Otto III.« (Herrin S. 232).

Der erhebliche zeitlicher Abstand legt es zwar nicht nahe; aber es wäre vielleicht denkbar, daß sich um St.Pantaleon ─ übrigens der erste kirchliche Großbau in Köln mit dem Sarkophag der Kaiserin ─ in der Tradition etwas von der Pracht des oströmischen Hofs erhalten hat d.h. die Kölnerinnen privatim ihrer früheren Kaiserin nachzueifern versuchten. Dann sollte eigentlich in den Marienbildern Lochners (z.B. in der
Darbringung im Tempel von 1447 in Darmstadt oder der Anbetung des Kindes in der Alten Pinakothek) Ähnliches vorzufinden sein. Das Fehlen dort könnte sich jedoch in religiösen Bildern aus kirchlichen Verboten erklären, denn um die Krippe durften nur die Heiligen Drei Könige mit Schmuck auftreten.


Bei Bruyns Gürteln ist das tragende Material ist nicht zu erkennen, weil es über und über mit Metallapplikationen versehen ist. »Sehr wertvoll müssen aber auch die Golddrahtgürtel gewesen sein… Etwa 200 Goldgulden dürfte eine Ausstattung gekostet haben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine kölnische Frau mehrere Festausstattungen besaß« (Westhoff-Krummacher S. 63). Hier konnte sich der Reichtum der Bürgerschaft ungehemmt präsentieren, denn ganz offensichtlich waren die Gürtel Spielwiese der Prachtentfaltung. Der überschüssige Teil hing mittig herunter und wird durch den Bilderrahmen abgeschnitten.

Es gibt bei B. Bruyn 12 offensichtliche Brautbilder, zu erkennen an der üblichen roten Nelke. Dadurch kommen auch einige junge Frauen wie die Töchter Bellinghausen in den Portraits vor. Sie trugen noch keine Haube, sondern eine geschmückte Netzkappe, oft mit Golddraht. Zum damaligen Ritual gehörte es, daß der Bräutigam der Braut (oder auch umgekehrt) eine Blume, meist eine rote Nelke, überreichte. Bei Bruyn treten 24 Frauen, aber nur 8 Männer in den Portraits in dieser Weise geschmückt auf.

Es fiel schon Westhoff-Krummacher auf, daß die Zahl der Frauen mittleren Alters überwiegt; darunter sind auch einige bejahrte Matronen. »Nach dem behäbigen Aussehen und dem angemerkten höheren Alter dürften unter den Dargestellten eine ganze Anzahl Witwen gewesen sein« (Westhoff-Krummacher S. 49). Sie fand heraus, daß sich in den reichen Familien ein Trend abzeichnete, bevorzugt reiche Witwen zu heiraten, denn »Eine Frau ließ auf Reichtum schließen, sie brachte ein beträchtliches Heiratsgut mit; eine Frau mußte man sich leisten können, sie kostete den Mann eine Menge Geld… Wenn man also schon den Aufwand einer gut ausgestatteten Frau trieb, dann ließ man sich auch, wenn alles unter Aufbringung hoher Kosten vorhanden war, porträtieren« (Westhoff-Krummacher S. 62).

Schließlich fällt auf, daß bei Bruyn Frauen wie Männer meist irgendeinen Gegenstand halten, während bei Cranach die Hände vorwiegend ineinander gelegt werden. Die Gegenstände sind aus Anlaß einer Hochzeit eine Blume, oder aber Rosenkranz bzw. Riechkugel (vgl. Beitrag Riechkugel unter Motive). Hin und wieder taucht ein Gebetbuch auf.

Insgesamt überwiegen bei den erhalten gebliebenen Portraits die Männer, obwohl es keinen Porträtisten der Zeit gibt, der sooft Paare zu malen hatte. Sich zu positionieren war damals am Niederrhein unter Begüterten offenbar sehr wichtig, vor allem, wenn man es zu etwas gebracht hatte. Der vermögende Ratsherr Hermann von Weinsberg ließ sich sogar viermal porträtieren.

Einer der beiden Privatsammler, welche die Gründung des Wallraf-Richartz-Museums in Köln ermöglichten, rühmte bei Bruyn: »die Vorliebe für Porträtköpfe… sie kennzeichnen seine Auffassung und Eigenart seiner Begabung. Nur im Bildnis vermochte Bruyn starke und ausgeglichene Leistungen voll intensivem Leben hinzustellen« (Firmenich Richartz). Daneben gibt es noch etliche religiöse Bilder von Bruyn, gerade auch in Kölner Museen. Weitere werden dem Bildersturm zum Opfer gefallen sein. Kunsthistorisch gewichtiger ist zweifellos das Konvolut seiner Privatportraits.

Bei Bruyn treten die Gesichter meist aus dem dunklen Hintergrund hervor; fast 30 Portraits sind so angelegt. Später hellt er ihn ab 1530 hin und wieder auf, wobei er zugleich teilweise verschattet wird. Offenbar war für ihn Joos van Cleve (um1490─1540/41) ein Vorbild. Von diesem gibt es das Paarportrait Joris Vezeleer und Margaretha Boghe von 1518 (Öl auf Eiche 58 x 40 cm. National Gallery Washington Nr. 1962.9.1 und 1962.9.2) mit ähnlich leicht verschattetem Hintergrund. Nur in vier Fällen hat Bruyn den Auftraggebern den Wunsch erfüllt, ihm vor einem Ausblick in eine Landschaft Portrait zu sitzen. Obwohl Bruyn ansonsten seine Bildauffassung im Wesentlichen über Jahrzehnte durchhielt, erscheinen die Physiognomien der Männer (von der Herkunft her natürlich alles ´Herren´) deutlich individueller. Allerdings nicht von ihrer Garderobe; diese ist fast uniform schwarz, wie auch das Barett. Zuschnitt und Form ändern sich ein wenig. Aber ein gemustertes Gewand (s. Beitrag Bruyn, Schets) ist äußerst selten. Stärker differieren die Pelze, die für vornehme Herren fast obligatorisch waren. Übrigens: »ob adlig, ob bürgerlich, äußerlich gab es in Köln keine Unterschiede« (Westhoff-Krummacher S. 50).

Dieser Umstand wirkte sich bei der Identifikation erschwerend aus. Doch eine entscheidende Brücke zu vielen bisher anonymen Dargestellten ergab sich aus dem Umstand, daß Bruyn (darin Cranach ähnlich) oft neben der Datierung auch das Alter der Person vermerkt hat und somit den Jahrgang bestimmbar machte.

In der Geschichte der Stadt Köln von Leonard Ennen wird das 16. Jahrhundert sehr ausführlich und mit vielerlei innerstädtischen Komplikationen beschrieben. Dementsprechend fallen viele Namen von Akteuren in der Stadt. Doch der Autor verzichtete auf deren Lebensdaten. Selbst die Jahreszahlen der Vorgänge muß man oftmals durch Zurückblättern rekonstruieren. Somit bekamen die Angaben in den Bildnissen von Bruyn erst durch die Viten der Erasmianer einen Nutzwert, welche Kloosterhuis in ihrer einschlägigen Publikation über diese Denkschule mitteilt. Es ergaben sich durchweg Akademiker mit wenigen Ausnahmen. Nachträglich bestätigte sich die Äußerung von Westhoff-Krummacher (S. 51): »B. Bruyn hatte es also keineswegs mit einem künstlerisch unmündigen Publikum zu tun«.

Sie bemerkte auch: »Es ist auffallend im Vergleich zu den Bildnissen der Spätgotik, wie sehr Brief und Buch vorherrschende Attribute männlicher Bildnisse werden« (Westhoff-Krummacher S. 61). Des Weiteren stellte sie fest: »Diesem Ziel der Bildungsdemonstration dienen auch zusammen gefaltete Schriftstücke und gerollte Pergamente in den Händen der Dargestellten« (Westhoff-Krummacher S. 61).

Vereinfachend läßt sich sagen, daß Bücher im Bildnis auf publizierende Autoren verweisen. Schließlich hatte Köln eine bedeutende Universität, die allerdings von altgläubigen Professoren dominiert wurde. Schriftstücke, so hat sich herausgestellt, hatten eher Vertreter der Verwaltungen mit viel Schriftverkehr bzw. Ausfertigung von Verträgen. Bürgermeister sind hin und wieder mit einer Papierrolle ausgezeichnet wie Arnold Brauweiler.

Brauweiler 240B. Bruyn:
Bürgermeister Arnold Brauweiler
Öl auf Holz, 57 x 40,5 cm. 1535
Wallraf-Richarz-Museum, Köln Nr. 243,
Westhoff-Krummacher Nr. 31
Als Ausweis von Würde und Vermögen galt bei Männern der Pelz, getragen als breiter Kragen. Er findet sich bei den verschiedensten Berufen der Oberschicht, oft bei Ratsherren. Weniger häufig sind zusammengerollte Handschuhe in der Linken. Dieses Attribut weist bereits in der italienischen Portraitmalerei auf Verhandlungsführer hin ─ Botschafter wie juristische Unterhändler. Nun hat sich durch die Angaben bei Kloosterhuis herausgestellt, daß etliche Personen Leitungsfunktionen am jülich-clevischen Hof innehatten, der mit dem Erzbistum verbündet war.

Als einziger von den hier genannten Malern bringt Bruyn den Totenkopf ins Bild (8 mal). Teils ist er vor dem Porträtierten auf Tisch oder Sims zu sehen, teils auf der Rückseite der jeweiligen Tafel in Originalgröße gemalt. Dieses Motiv tritt gerade auch in der nordniederländischen Malerei der Zeit auf (vgl. Beitrag Cornelisz., Alaard). Allein bis 1531 tritt dieses Motiv 6 mal bei Bruyn auf. »Die Häufung auf den Bruynschen Bildern stellt eine Besonderheit dar« (Westhoff-Krummacher S. 61). Die Autorin bringt dieses Thema auf die Formel: »Durch den Totenkopf sichert man sich ab gegen den Vorwurf eitler Selbstbetrachtung« (Westhoff-Krummacher S. 64). Die rückseitig angebrachten Totenköpfe wurden durch Schriftbänder ergänzt, welche auf die Haltung zum Tod Bezug nahmen. Da das Motiv des Totenkopfs oft am Niederrhein auftrat, ist auch denkbar, daß man auf die wiederholt in dem Delta ausbrechende Pest reagierte und sich im Portrait als auf den Tod gefaßt präsentieren wollte. Möglich ist ferner, daß man den Totenkopf als eine Art Amulett ansah, das einen Exitus abwehren sollte.

Weder Cranach noch Holbein verwendeten noch den im 16.Jahrhundert altertümlich wirkenden gerundeten oder geschweiften Bilderrahmen. Daß man in Köln und am Niederrhein diese Tradition beibehielt, ist sonderbar und vielleicht nur mit der Vorsicht zu erklären, nicht durch unüberlegte Neuerungen die Gesellschaft, in die man eingebunden war, zu irritieren. Von Seiten der altkirchlichen Klientel her ist dieses Festhalten an einem alten Muster durchaus verständlich. Aber diese Art ist nicht auf diesen Bevölkerungsanteil beschränkt. Allerdings hat sich B. Bruyn selbst nicht gerade als Neuerer profiliert, da er auch ─ länger als anderswo ─ am Diptychon festhielt (vgl. Beitrag Bruyn, Gobler). Umso mehr verwundert, daß von ihm kein Bildnis aus dem Kreis der Dunkelmänner bekannt ist ─ und kein Selbstbildnis. Bruyn sah sich in seiner zurückhaltenden Art offenbar als Dienstleister.

Relativ häufig (15 mal) tritt bei Bruyn der Rosenkranz auf ─ ein nur der altkatholisch orientierten Klientel Bruyns zuzuordnen. Doch durch die über viele Jahre sich hinziehende Unentschiedenheit der Stadt Köln bzw. ihres Rats kann dieser auch ein Element der Kaschierung gewesen sein, um nicht als Lutheraner aufzufallen. »Wie Vorsicht mutet es an, daß auffällig viele Dargestellte den Rosenkranz beten. Er ist umso auffälliger, als der Rosenkranz in der gleichzeitigen Portraitmalerei weitgehend verschwunden ist. Kein Holbein-, kein Cranach-Bildnis zeigt noch das Attribut des Rosenkranzes« (Westhoff-Krummacher S. 64). Das Vorkommen ist im Verhältnis 12 zu 13 in den männlichen und weiblichen Portraits gegeben. Verwunderlich ist jedoch, daß der Rosenkranz nicht unbedingt paarweise auftritt.
Essay Bruyn - Cornelisz 240Jacob Cornelisz. van Oostsanen:
Diederick Alewijn (?)
Schließlich ist noch ein Gegenstand für Bruyns Portraits charakteristisch, der damals offenbar Mode war, heute aber fast völlig außer Gebrauch: die Riechkugel. Bei keinem Maler der Zeit tritt sie so häufig auf (14 mal). Sie wird auch als Riechnuß oder Bisamapfel bezeichnet. Die etwas größer als ein Tee-Ei ausfallende Kugelform war in der Mitte verschraubbar, damit man sie mit wohlriechenden Gewürzen, meist einer Mischung aus Duftstoffen, füllen konnte. Sie wurde von Goldschmieden gearbeitet und wie ein Schmuckstück ausgestellt. Die Grenze zwischen Gebrauchsgegenstand und Schmuckstück ist allerdings fließend. Einerseits sollen Ärzte die Riechkugel mit sich geführt haben, wenn sie Krankenbesuche machten und dabei auf üblen Geruch stießen. Andererseits muß die Riechkugel auch ein Zeichen der Vornehmheit gewesen sein, denn sie wird in dem Portrait des Diederick Alewijn (?) von Jacob Cornelisz. van Oostsanen (ca. 1518, Öl auf Holz, 37 x 24 cm. Privatsammlung) in einer etwas manierierten Handhaltung dem Betrachter ostentativ hingehalten. Es war offenbar ein relativ kostbares Ausstattungsstück, sowohl von der Verarbeitung her, als auch von der Füllung mit teuren Gewürzen, die aus fernen Ländern kamen. Außerdem überwiegen bei Bruyn Bildnisse von Frauen, die sich ein solches Schmuckstück leisten konnten. Eigentümlicherweise gibt es mehrere Fälle, in denen die Riechkugel mit dem Rosenkranz gekoppelt war (s. Westhoff-Krummacher Nr. 85). Dabei an Duftstoffe zu denken, die angenehm benebelten, ist vielleicht zu weit hergeholt.

Durch diese Ausführungen schält sich hoffentlich deutlicher heraus, daß die Portraits von Bartholomäus Bruyn d. Ä. vielschichtiger angelegt sind, als bisher landläufig angenommen. Außerdem fällt durch die neu identifizierten Dargestellten ein deutlicheres Licht auf diesen altmeisterlichen Künstler.

Literatur
Briefe von Dunkelmännern. Berlin 1964
Leonard Ennen : Geschichte der Stadt Köln. Bd. III, IV. Köln/Neuss 1869
Friedrich Heer: Die dritte Kraft. Frankfurt/Main 1959
G. J. Hoogewerff: De Noordnederlandsche Schilderkunst. s’Gravenhage
Elisabeth M. Kloosterhuis: Erasmusjünger als politische Reformer : Humanismusideal und Herrschaftspraxis am Niederrhein im 16. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2006
Lexikon der Kunst. Leipzig 1978
Horst Johannes Tümmers: Die Altarbilder des älteren Bartholomäus Bruyn. Köln 1982
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn der Ältere als Bildnismaler. Berlin 1965

Bildnachweis

zu Bildnis einer Frau:
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn der Ältere als Bildnismaler. Berlin 1965  S. 178
zu Brauweiler:
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zu Jacob Cornelisz:
https://arthistoriesroom.files.wordpress.com/2014/06/egmond-louvre.jpg%3Fw%3D261%26h%3D359%26crop%3D1 (1.12.2014)