Erstveröffentlichung

Marten van Achen (?)

Simon Bruns


106.01 Van Aken-Simon Bruns-240Ein ungewöhnliches Terracotta-Relief (Format 30,7 x 24,4 cm) mit einem Portrait von 1549 hat sich im Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, als Nr. 1930.210 erhalten (ehemals Sammlung Frédéric Spitzer, *1815─1890). Es war einmal farbig gefaßt. Dort wird es dem Meister M. V. A. zugeschrieben, der zwischen 1540-50 in Hamburg und in Nordfriesland tätig war. Obwohl das Relief ein Wappen mit einer Diagonale aufweist, an der ein S befestigt ist, von der nach links ein Kreuz abzweigt, konnte der Dargestellte nicht ermittelt werden. Dabei stehen über dem Wappenschild (richtiger: eine Hausmarke) die Kürzel seines Namens: BS. Trotz eifriger Suche mehrerer Forscher blieb die Suche ergebnislos, weil die Buchstabenkombination eigenartigerweise damals relativ selten vorkam.

Eine Lösung schien in greifbarer Nähe, als bei der Suche der einstige Bürgermeister von Stralsund, Bartholomäus Sastrow, infrage zu kommen schien. Seine aktive Persönlichkeit schien zu der Person BS zu passen. Doch Sastrow wurde bereits 1520 in Greifswald geboren. Das Relief macht aber dezidiert die Angabe: ANNO · SALVTARI · 1523, und damit kommt Sastrow nicht infrage.

Die Experten sind sich einig, daß der Dargestellte auch im norddeutschen Raum bzw. im Raum der Hanse zu suchen ist. Insofern scheidet auch der Nürnberger Rechenmeister Stephan Brechtel aus den Überlegungen aus, obwohl er Jahrgang 1523 geboren ist. Er scheint sich konfessionell nicht engagiert zu haben. Das Besondere an dem Relief aber ist eine Devise, ein Motto des Dargestellten, welches aus fünf Anfangsbuchstaben eines religiösen Bekenntnisses besteht: AGWME, links über der rechten Schulter des Mannes. Lange war die Auflösung des Textes nicht möglich, bis die Buchstaben überzeugenderweise als ein evangelisches Bekenntnis erklärt wurden: Allein Gott weiß mein Ende. »Durch diese Devise erweist sich die ruhig aufrechte Haltung des Jünglings nicht als Zeichen irdischen Stolzes, sondern als Ausdruck der Gefaßtheit im Bewußtsein des Todes. Damit wirkt das Bildnis bekenntnishaft im Sinn des jungen Protestantismus, der die Seligkeit des Menschen nicht so sehr irdischem Verdienst und bemühter Vorsorge als vielmehr der Gnade Gottes anheimgegeben wissen wollte« (Jörg Rasmussen S. 94). Das ´Ende´ stand Simon Bruns 1549 jedoch noch nicht bevor; er lebte bis 1570 und starb in Kloster Lüne nahe bei Lüneburg.

Diese Aussage weist auf einen erklärten Protestanten und damit auf den jungen Reformator Simon Bruns (Brunius). Er wurde anscheinend 1523 in Breslau geboren und studierte in Wittenberg Theologie, wo er noch Martin Luther kennenlernte und von dessen Predigten beeinflußt wurde:»M. Simon Bruno …da er das Glück gehabt, ein Zuhörer der beiden grossen Männer D. M. Lutheri und Philipp Melanchthon abzugeben« (Bertram S.635). Damit war J. Rasmussen bereits auf der richtigen Spur, als er schrieb: »Durch diese Devise … wirkt das Bildnis bekenntnishaft im Sinne des jungen Protestantismus«.

Ob Bruns von Luther nach Lüneburg vermittelt wurde, läßt sich nicht mehr feststellen; in Luthers publiziertem Schriftwechsel kommt sein Name nicht vor. Aber Herbort von Holle, der evangelisch gewordene Abt des Benediktinerklosters St. Michael in Lüneburg, nahm sich des jungen Mannes an; er durfte am Weihnachtstag 1532 den ersten lutherischen Gottesdienstim Kloster halten. Herbort von Holle fand ihn 1549 geeignet, Prediger am Kloster zu werden. »Die Kirche und Closter St. Michael ist eines der zierlichsten in Lüneburg, die ziemlich weit und lang ist, auch weil sie auf einer Anhöhe erbauet, völliges Licht hat. Hart daran liegt das Closter, welches von dem Kalckberge hierher verleget. Der erste Stifter ist gewesen Otto der Große« (Bertram S. 14).

Das vom Kaiser nach seinem militärischen Sieg über die Protestanten bei Mühlberg/Elbe verordnete Augsburger Interim wurde von vielen Lutheranern abgelehnt; aber Bruns unterzeichnete es, vielleicht auf Anraten des Abtes Herbort, wohl aus pragmatischen Gründen. Noch heute hängt in dem Kloster ein künstlerisch bemerkenswertes Epitaph von 1560 für den 1555 verstorbenen Abt. Bruns beschränkte sich nicht auf sein Pfarramt, sondern wurde auch darüber hinaus für die Reformation aktiv. 1561 wurde er zum Celler Konvent beigezogen und vermittelte im Bremer Abendmahls-Streit um Albert Hardenberg (1510─1574), der bei dem Konvent Verhandlungspunkt war. Danach wurde er zum Superintendent befördert und um 1566 sogar Generalsuperintendent aller Klosterpfarreien im Bistum Verden. Außerdem war er an der Verdener Kirchenordnung beteiligt.

Daß es sich bei dem BS-Portrait um einen Theologen handelt, geht aus der Garderobe nicht unmittelbar hervor. Die von Cranach porträtierten Theologen tragen zumeist eine schwarze, weitfallende Schaube. Bruns ist jedoch mit einen ärmellosen Überrock bekleidet, der hoch geschlossen ist und stramm gegürtet. Von daher würde man eher einen Handwerker vermuten. Aus dem Kragen tritt jedoch ein edles Hemd hervor, und die Manschetten weisen edle Borten auf, die für einen Vertreter der Bürgerschaft sprechen. Sein schwarzes Barett ist flach und weicht von den Theologen-Baretten (vgl. Melanchthon) ab. Bruns hat beide Hände zusammengelegt, als ob er sich an der unteren Bildkante aufstützen wolle. Ein Buch, wie es oft bei den Humanisten vorkommt, fehlt. Allerdings ist auch nicht bekannt, daß Bruns publiziert hätte. Offenbar war er ein Mann des Wortes, der in der Stadt der Salzproduktion ohne Scheu die Stadtbürger ansprach und nicht gelehrt dozierte. Im Vergleich zu den Reformatoren-Portraits von Lucas Cranach, Vater und Sohn, erscheint das Bruns-Relief bescheiden; in seiner Besonderheit als Relief aber ist es fast ein Solitär in der Kunstgeschichte.

Der ´Meister M. V. A.´ wurde von Jörg Rasmussen eingeführt. Es liegt sehr nahe, die Kürzel in Marten van Achen (Achten, Aken) aufzulösen, denn dieser Bildhauer war damals in Nordfriesland tätig. »Sein Gardinger Altar ist ein Hauptwerk des Manierismus in der nordfriesischen Region« (K. E. H. Krause); die dortige Kanzel stammt von 1563 (Wolfgang Teuchert, Kiel, in Reclams Kunstführer Deutschland Bd. V. S. 142). Weitere Holzskulpturen von ihm befinden sich auf Schloß Gottorf, Schleswig.

Literatur
Johann Georg Bertram: Evangelisches Lüneburg. Braunschweig 1719
Karl Ernst Hermann Krause. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Band 3 Leipzig 1876

Jörg Rasmussen (Hg.): Deutsche Kleinplastik der Renaissance und des Barock. Hamburg 1975

Bildnachweis
Jörg Rasmussen (Hg.): Deutsche Kleinplastik der Renaissance und des Barock. Hamburg 1975 S. 94