Cornelis Jacobsz
Philip van Marnix    

35.02 Marnixius-240Der Antwerpener Maler Cornelis Jacobsz. de Zeeuw/Delff (´der Seeländer´, 1540─1465 aktiv) malte 1563 ein kleines Portret van eenonbekende (Öl auf Holz 43 x 32,5 cm), das schon seit langem im Rijksmuseum, Amsterdam, als Nr. A 2489 aufbewahrt ist. Hier wird ein junger, offenbar recht intelligenter Mann von Adel präsentiert, ca. 25 Jahre alt, der den Betrachter herausfordernd anblickt. Trotz einer zweiteiligen Inschrift am oberen Bildrand ANNO 1563 und AETATIS 23 gelang es nicht, diesen Prominenten zu identifizieren, obwohl er sich ganz erheblich in die politisch-religiösen Auseinandersetzungen der damaligen Niederländer einmischte. Leider wurde die Altersangabe rechts bei einer Verkleinerung des Bildes abgesägt.

Natürlich gibt es weitere Personen des Geburtsjahrgangs 1540, selbst in Antwerpen. Aber ein Abgleich der Lebensläufe mit dem Jahr des Portraitauftrags war, wie sich zeigte, zielführend. Einer der an sich aussichtsreichen ´Mitbewerber´, Bonaventura de Smeet, hielt sich 1540 in Spanien auf und schied deswegen aus. Zum Vorschein kam bei diesem Abgleich eine Schlüsselfigur in dieser konfliktreichen Zeit: ´Willem van Oranje’s rechterhand´, Philip van Marnix (1538/40 Brüssel─1598 Leiden). Seine ereignisreiche Vita wird von A.Elkan auf sechs Spalten im Nieuw Nederlandsch Woordenboek abgehandelt und kann daher hier nur in Umrissen nachgezeichnet werden.

Als zweitgeborener Sohn des Jacob van Marnix, Herr von Sainte-Aldegonde, wurde Philip zusammen mit seinem älteren Bruder Jean humanistisch erzogen.1553-55 studierte er in Leuven, der Universität des Erasmus von Rotterdam Theologie, denn Philip war sozusagen der Kirche versprochen. Zusammen mit Kommilitonen setzen sie ihr Studium in Paris fort und schrieben sich 1557 in Dôle ein. Wie es scheint, wurde Philip 1558/59 dort Domherr. Doch offenbar war der Spaltungsprozeß im Lande schon zu weit fortgeschritten; jedenfalls resignierte Philip 1562 von dieser Pfründe. Offenbar war er inzwischen im Sinne der Reformation beeinflußt.

Da sein Vater neu geheiratet hatte, gab es Auseinandersetzungen um das Testament mit der Stiefmutter. Doch die beiden Brüder waren sich einig. Zur Fortsetzung ihres Studiums hielten sie sich in Pavia und Bologna auf. In einer Publikation für einen seiner Freunde, Paschasius Justus, schrieb Philip ein griechisches Einleitungsgedicht und dokumentierte damit seine schriftstellerische Neigung.

Die beiden Brüder lebten zu Ende ihres Studiums in Genf, um die calvinistische Version der Reformation aus erster Hand kennenzulernen. Dort fiel offenbar für Philip die Entscheidung, welche seinem Leben eine andere Richtung gab. »Er wurde durchdrungen von der unzweifelhaften Wahrheit der calvinistischen Lehre und wollte von nun an seine Feder und sein Leben in den Dienst der Verteidigung und Ausbreitung [dieser Lehre] stellen« (Elkan). Zurückgekehrt mit seinem Bruder machte er 1561 seinen Gesinnungswandel öffentlich. Wahrscheinlich hat Philip 1563/64 geheiratet. Somit erklärt sich der Portraitauftrag als Brautwerbebild. Darin tritt er ─ ohne Beiwerk ─ als Humanist zwar nach spanischer Mode mit schwarzem Rock, flachem schwarzen Barett und weißem Stehkragen auf, aber durchaus calvinistisch zurückhaltend.

Das unter dem Vollbart verlaufende helle Band kann, wenn es eine feine Kette ist, als dezenter Hinweis auf die adlige Abkunft aufgefaßt werden. Es ist aber auch denkbar, da das Gemälde später gekürzt wurde, daß die Kette ursprünglich einen Ring als Brautgeschenk aufwies wie im Fall des Portraits von Heinrich von Rantzau (s. Beitrag Catharina van Hemessen, Rantzau█).

Von nun an trat Philip van Marnix als Publizist in Erscheinung und widmete sich vorrangig dem Thema der Wiedertaufe. Politisch schloß er sich dem Verbond der Edelen an, welche sich für die Reformierten entschieden hatten und nahm Teil an der Synode von Antwerpen. Nach Elkan schwankte er zwischen einer theologischen und einer politischen Position. Letztere brachte ihn mit Willem van Oranje (auch: Wilhelm der Schweiger, 1533─1584) in Verbindung. Da dieser Politiker sein eigenes sprödes Auftreten kannte, wußte er die Eloquenz von Philip van Marnix zu schätzen und setzte ihn als seinen Unterhändler ein. Dadurch ging dieser über zur militante Calvinistische Partij und hielt sich zeitweilig in Deutschland auf.Parallel dazu schrieb und publizierte er Schmähschriften gegen die Katholiken, eine nach der anderen, um die Auseinandersetzung zu befeuern. 1567 wurde er zum Schatzmeister der verbündeten niederländischen Reformierten gewählt.

Der innerstaatliche Konflikt spitzte sich in den Niederlanden zu der Zeit immer mehr zu, da die regierenden katholischen Spanier keinerlei Kompromiß machen wollten und Gefolgschaft einforderten. Infolgedessen setzte eine Flüchtlingswelle aus den südlichen Niederlanden ein, die auch Philip van Marnix Familie einschloß. 1568 wurde er selbst ´verurteilt´, 1570 seine weniger exponierte Frau. Philip fand Aufnahme in der Hansestadt Bremen, wo ihn Bernhard zum Boene aufnahm, der bezeichnenderweise zu den Schwenckfelder Wiedertäufern tendierte. Aber es hielt ihn dort nicht lange, denn er schloß sich dem Feldzug der Oranjer an und handelte die Konditionen zwischen den Calvinisten und den ´Edlen´ in St. Truyen aus. Damit war er vollends Teil des militärischen Flügels der Reformierten geworden. 1572 trat er als Vertreter von Wilhelm von Oranien auf. »Das deutete auf eine neue Schwankung in Wilhelm’s Verhalten den Religionsparteien gegenüber. Denn Marnix war seit lange her ein Führer der Calvinisten und zwar jener Fraction, welche am schroffsten den Lutheranern gegenüberstand, und Wilhelm hatte bis jetzt eine Fusion beider Religionen [gemeint: Konfessionen] gewünscht. Allein in Frankreich, wo er ein Jahr lang unter den Hugenotten verkehrte, scheint er sich den calvinistischen Ideen mehr genähert zu haben … einsehen lernen, nur auf die Calvinisten sei zu zählen« (P.L. Müller).

35.02 Marnixius-NEBHenrick Hondius: Philippvs van Marnixius.
Holzschnitt 1599
Bezeichnend ist nun, daß er, der 1563 Geld für sein eigenes Portrait ausgegeben hatte, 1566 eine Verteidigungsschrift für den Bildersturm (van den beeldenafgeworpen) veröffentlichte. Zudem warb er in Deutschland Hilfstruppen an und übernahm 1567 das Amt des Schatzmeisters der Verbündeten.


Eine Vergleichsabbildung liegt als Kupferstich von Hendrick Hondiusin der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel vor (A 13493). Da sie aus ähnlichem Blickwinkel entstand, liefert sie durch die lange, gerade Nase, den Bart und den charakteristischen Haaransatz die Bestätigung dafür, daßes sich um Philip van Marnix handelt. Der Kupferstich ist ein Jahr nach dem Tod gedruckt worden. Deswegen wurde ─ wie im Humanismus üblich ─ ein lateinischer Nachruf hinzugefügt, in dem es in der Übersetzung heißt:

            »Wie groß Deine Vaterlandsliebe,
              wie groß auch Deine Liebe zur Religion ist,
              lehrt uns Deine Sorge und Mühe.
Der Spanier hat’s gespürt und
auch jener in Rom.
Deinen Tod betrauert die Religion und die Heimat«.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2023

Literatur
A. Elkan. In: Nieuw Nederlandsch Biografisch Woordenboek. Bd. ILeiden 1911
G. J. Hoogewerff: Nord-Nederlandsch Schilderkunst IV. s‘Gravenhage 1939
P.L. Müller. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Beitrag Wilhelm von Oranien. Bd. 43. Berlin 1971
Herman Vander Linden. In: Biografie Nationale de Belgique. Bruxelles 1894/95 Bd. XIII

Bildnachweise
G. J. Hoogewerff: Nord-Nederlandsch Schilderkunst IV. s‘Gravenhage 1939  S. 479
Die Porträtsammlung der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Reihe A 13493 Bd. 15. München u.a. 1990