Peter Paul Rubens

Willem J. Blaeu

063.01-Bleau240Nach landläufiger Vorstellung beginnt das Barock mit dem 17. Jahrhundert. Von daher könnte es verwundern, hier innerhalb dieser Portraits der Renaissance auf ein Werk von Peter Paul Rubens (1577─1640) zu stoßen. Doch bei dem Portrait of a Man - ´possible an Architector Geographer´- handelt es sich um ein frühes Werke von Rubens (Öl auf Kupferplatte 21 x 14,6 cm. Metropolitan Museum of Art, New York Nr. 1982.60.24), das möglicherweise vor seinem Italienaufenthalt von 1600 bis 1606 gefertigt worden ist und somit noch der Bildauffassung der Renaissance entspricht.

Es zeigt einen noch jugendlichen, bärtigen, aber eleganten Mann mit feiner Halskrause in durchweg dunklem, mit Applikationen geschmücktem Gewand. Er schaut den Betrachter an und hält in der linken Hand einen runden Gegenstand an einer Kette, als wolle er seinem Gegenüber das Objekt erklären. Dazu befindet sich der Zeigefinger der rechten Hand in nächster Nähe des dosenartigen Objekts.

Die Meinungen, was es wohl darstellt, gehen auseinander. Julius Held brachte 1947 ein Astrolabium ins Gespräch. Doch dieses Gerät hat in der Regel ganz andere Dimensionen (s. Beitrag Cariani, Johannes Stöffler). Eher käme eine Taschenuhr mit goldenem Gehäuse infrage, deren Modelle Ende des 16. Jahrhunderts entsprechendes Aussehen hatten, wie Rudolf Oldenbourg 1919 vorschlug, oder ein Kompaß. In einem stimmen die bisherigen Interpreten überein: In diesem Fall handelt es sich nicht um einen Uhrmacher.

So kommt eher ein Architekt oder Geograph infrage; doch wer die passende Person sein könnte, blieb bislang offen, obwohl oben im Bild, wie in der Renaissance, eine feine Inschrift einen Fingerzeig gibt:

links: [MDLXXX]XVII d.h.1597

rechts: AETAT.XXVI d.h. 26 Jahre

Daraus ergibt sich der Geburtsjahrgang 1571.

Schaut man sich unter den Gleichaltrigen in den Niederlanden um, stößt man auf Willem Janszoon Blaeu (1571─1638), den Sohn eines Herings(groß)händlers. Früh zeigte sich das Interesse des Jungen an Mathematik, das auch die Astronomie einschloß. Er setzte sich gegenüber seinem Vater durch, der eigentlich andere Pläne mit 063.01-Bleau-NEBJeremias Falck: Willem Blaeu. Kupferstichihm hatte. Sein Wunsch war, bei der damaligen Kapazität des Fachs, dem Dänen Tycho Brahe (1546─1601), studieren zu können.

Bei seiner Rückkehr ließ er sich bei dem aus Westfalen stammenden, etwas älteren, aber noch jungen Rubens porträtieren. Dieser erfaßte die sensible Natur Blaeus ausgezeichnet. Kunsthistoriker wiesen besonders auf die, an italienischen Portraits geschulte Gestaltung der Hände hin. Im Dunkel nicht sofort erkennbar trägt auch die rechts Hand zur thematischen Eingrenzung bei. Sie hält einen Winkel und evtl. eine Wasserwaage ─ Handwerkszeuge, welche in verschiedenen Berufen Anwendung finden. Läßt man jedoch Blaeus Tätigkeitsfelder Revue passieren, wird die Identität der Person noch plausibler: Er beschäftigte sich zusätzlich mit der Landvermessung und Kartenherstellung.

Um seine 
Arbeitsergebnisse zu verbreiten, richtete er eine eigene Druckwerkstatt ein, die sich auf den Kartendruck spezialisierte. Dabei lag der Schwerpunkt auf Atlanten wie dem Atlas Novus (Nova totius terrarum orbis geographica ac hydrographica tabula, Amsterdam) von 1635 und Globen. Seine Kartenqualität war so zuverlässig, daßihn die niederländische Ostindien-Compagnie 1633 als Experten für Seekarten heranzog. Simon Schama (S. 321) berichtet über ihn: »Wenn ein Schiffer zu Blaeu kam, konnte er bei ihm die Hilfsmittel erwerben, sie [die fernen Länder] aufzusuchen: Neben den See- und Landkarten waren sein Navigationsführer un d die neusten optischen Geräte dafür bestimmt, mit nie da gewesener Genauigkeit eine Positionsbestimmung abzugeben«. »Die Karten sind wunderschön gestaltet und man erkennt deutlich, dass man sich den berühmten Mercator-Atlas als Vorbild genommen hat. Ob für Europa, Afrika oder Asien. Die Karten sind gefüllt mit wichtigen Informationen, Ortsnamen, Flussnamen. Die Flüsse und Küsten sind so gut nachempfunden, dass 063.01-Globus-NEBHimmelsglobus, nach 1630. Bautzenman es noch heute kaum glauben kann, mit welchen einfachen Möglichkeiten, damals die Kartographen Karten erstellt haben« (www.landkartenindex.de/historischelandkarten/?p=43. (14.4.2023).█

Nun bietet die Ermittlung des Geburtsjahres nicht allein die Sicherheit, daß Blaeu der passende Kandidat ist. Den gleichen Jahrgang hat auch Adriaan Metius (1571─1635), ebenfalls Geometer, dessen Karten wurden übrigens z.T. bei Blaeu gedruckt.

Doch es gibt eine Vergleichsabbildung, ein Portrait von Jeremias Falck (ca.1620─1664). Der Stich zeigt Blaeu schon als älteren Herrn (ca. 1560). Da die Kopfhaltung nahezu mit dem Rubens-Portrait übereinstimmt, läßt sie sich zum Vergleich heranziehen. Dabei entsprechen sich die hohe Stirn, die lange gerade Nase und der ausgeprägte Vollbart bei beiden trotz des Altersunterschieds. Somit kann die Identität des Rubens-Portraits mit Blaeu als gesichert gelten.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2023

Literatur
European Paintings in The Metropolitan Museum of Art. New York 1998 S. 277
The Jack and Belle Linsky collection 1982 in the Metropolitan Museum of Art. New York 1984. S. 73ff
Simon Schama: Rembrandts Augen. Berlin 1999
wikipedia.org/wiki/Willem_Blaeu (6.1.2017)

Bildnachweise
https://www.metmuseum.org/art/collection/search/437530 (15.4.2023)
landesmuseum-mv.de/exponate/stralsund-museum/himmelsglobus(18.4.,2023)
Leipzig, Porträtstichsammlung, Inventar-Nr. 5/145