Frans Pourbus d. J.
Jean Polyander
2012 wurde im Kunsthandel (Christie’s) ein Spätwerk von Frans Pourbus d.J. (1569─1622), »dem gesuchtesten Bildnismaler« seiner Zeit, versteigert. Es zeigt einen untersetzten Mann (Öl auf Lw. 60,9 x 50,1 cm) ohne auffallende Besonderheiten, ausgenommen einen langen weißen Spitzbart. Der renommierte Maler war für den Hof in Brüssel tätig und arbeitete gleichzeitig an einem Hochaltar für die Jakobiner-Kirche in Paris. 1600-09 hatte er sich in Mantua aufgehalten und zeitweilig auch in Innsbruck und Neapel sowie 1606 bei Maria Medici in Paris.
Zur Verfügung steht nur die Datierung: AN SAL 1619 auf der Rückseite sowie die Altersangabe AETATIS SVAE · 50. Sie eröffnen eine Möglichkeit für Recherchen, weil der Dargestellte sich in seinem 50. Lebensjahr porträtieren ließ. Man kann davon ausgehen, daß Pourbus einen Mann aus seinem Heimatland Flandern gemalt hat. Dann kommen sechs Personen in Betracht, von denen allerdings vier keine Aufnahme in die biographischen Nachschlagewerke des Landes fanden und somit ausscheiden. Es verbleibt ein deutscher Arzt namens Henning Arniseus, der aber in Kopenhagen tätig wurde und somit nicht im Einzugsbereich von Pourbus lebte.
Jean Polyanders Eltern jedoch stammten aus Gent und siedelten nach Lothringen über. Jean Polyander (van Kerckhoven) wurde daher 1568 in Metz geboren. Schon sein Vater war Calvinist geworden und zeitweilig in Emden als ev. Pastor tätig gewesen. Mit 14 Jahren erwachte bei Polyander das Interesse für Philosophie, das ihn dazu veranlaßte, in Bremen Hebräisch zu lernen. Sein eigentliches Studium absolvierte er an den Universitäten Heidelberg und Genf. Dort in der Hochburg des Calvinismus hörte er Vorlesungen von Théodor de Bèze (1519 ─ 1605) und den anderen namhaften Vertretern der reformierten Theologie wie Antoine Sadeel.
Nach seinem Studienabschluß trat er eine Pfarrstelle in Dordrecht an und blieb dort etwa 20 Jahre. Nebenher lehrte er Logik und Moral. Daraufhin wurde er auf einen Lehrstuhl in Leiden berufen. Da seine Lehre geschätzt wurde, wählten ihn die Kollegen auch zum Rektor der Universität. In Leiden blieb er bis zu seinem Lebensende 1646. Sein gleichnamiger Sohn, inzwischen seigneur de Heinvliet, ließ ihm in der Kirche St. Pater ein stolzes Grabmal errichten.
Zu einem sehr beachteten Theologen rückte er durch seine zahlreichen Veröffentlichungen auf. Außerdem wurde er1618/19 in die Synode von Dordrecht delegiert. Sein runder Geburtstag war möglicherweise der Anlaß für den Portraitauftrag. Dieser könnte auch von der Universität veranlaßt worden sein. Damals setzte die Synode eine Gruppe führender Theologen ein, um die Revision des Kanons und des Alten Testaments durchzuführen.
Soweit die Außenwelt; privat pflegte er sein faible für die Poesie und schrieb seit 1587 auch lateinische Gedichte. Er blieb aber vor allem als Theologe publizistisch tätig: 1602 erschienen Thesen zur Logik und Ethik; 1607 veröffentlichte er einen Disput über die Anrufung der Heiligen, den er mit einem Theologen des Augustiner-Ordens geführt hatte. 1611 folgte ein Disput über den Reliquienkult ─ letztere beide auf Holländisch. 1630 kamen Meditationen über die Psalmen heraus. Sein Literaturverzeichnis umfaßt insgesamt 27 Positionen.
Zum Bildvergleich gibt es einen Stich von 1641, der Polyander fünf Jahre vor seinem Tod als einen gesetzten älteren Herrn mit Halskrause zeigt. Die dazwischenliegenden rd. 20 Jahre haben ihn fülliger gemacht; geblieben ist der ebenfalls der Vollbart, nur voller geworden; die wachen Augen finden sich wiederum.
© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2022
Literatur
Émile van Arenbergh. In: Biographie Nationale de Belgique. Vol. XVII. Bruxelles 1903
Bildnachweise
Christie’s Auctions. New York 2012
Die Porträtsammlung der Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel. Reihe A Bd. 6. München u.a. 1988 Nr. A 16769
Jean Polyander
2012 wurde im Kunsthandel (Christie’s) ein Spätwerk von Frans Pourbus d.J. (1569─1622), »dem gesuchtesten Bildnismaler« seiner Zeit, versteigert. Es zeigt einen untersetzten Mann (Öl auf Lw. 60,9 x 50,1 cm) ohne auffallende Besonderheiten, ausgenommen einen langen weißen Spitzbart. Der renommierte Maler war für den Hof in Brüssel tätig und arbeitete gleichzeitig an einem Hochaltar für die Jakobiner-Kirche in Paris. 1600-09 hatte er sich in Mantua aufgehalten und zeitweilig auch in Innsbruck und Neapel sowie 1606 bei Maria Medici in Paris.
Zur Verfügung steht nur die Datierung: AN SAL 1619 auf der Rückseite sowie die Altersangabe AETATIS SVAE · 50. Sie eröffnen eine Möglichkeit für Recherchen, weil der Dargestellte sich in seinem 50. Lebensjahr porträtieren ließ. Man kann davon ausgehen, daß Pourbus einen Mann aus seinem Heimatland Flandern gemalt hat. Dann kommen sechs Personen in Betracht, von denen allerdings vier keine Aufnahme in die biographischen Nachschlagewerke des Landes fanden und somit ausscheiden. Es verbleibt ein deutscher Arzt namens Henning Arniseus, der aber in Kopenhagen tätig wurde und somit nicht im Einzugsbereich von Pourbus lebte.
Jean Polyanders Eltern jedoch stammten aus Gent und siedelten nach Lothringen über. Jean Polyander (van Kerckhoven) wurde daher 1568 in Metz geboren. Schon sein Vater war Calvinist geworden und zeitweilig in Emden als ev. Pastor tätig gewesen. Mit 14 Jahren erwachte bei Polyander das Interesse für Philosophie, das ihn dazu veranlaßte, in Bremen Hebräisch zu lernen. Sein eigentliches Studium absolvierte er an den Universitäten Heidelberg und Genf. Dort in der Hochburg des Calvinismus hörte er Vorlesungen von Théodor de Bèze (1519 ─ 1605) und den anderen namhaften Vertretern der reformierten Theologie wie Antoine Sadeel.
Nach seinem Studienabschluß trat er eine Pfarrstelle in Dordrecht an und blieb dort etwa 20 Jahre. Nebenher lehrte er Logik und Moral. Daraufhin wurde er auf einen Lehrstuhl in Leiden berufen. Da seine Lehre geschätzt wurde, wählten ihn die Kollegen auch zum Rektor der Universität. In Leiden blieb er bis zu seinem Lebensende 1646. Sein gleichnamiger Sohn, inzwischen seigneur de Heinvliet, ließ ihm in der Kirche St. Pater ein stolzes Grabmal errichten.
Zu einem sehr beachteten Theologen rückte er durch seine zahlreichen Veröffentlichungen auf. Außerdem wurde er1618/19 in die Synode von Dordrecht delegiert. Sein runder Geburtstag war möglicherweise der Anlaß für den Portraitauftrag. Dieser könnte auch von der Universität veranlaßt worden sein. Damals setzte die Synode eine Gruppe führender Theologen ein, um die Revision des Kanons und des Alten Testaments durchzuführen.
Soweit die Außenwelt; privat pflegte er sein faible für die Poesie und schrieb seit 1587 auch lateinische Gedichte. Er blieb aber vor allem als Theologe publizistisch tätig: 1602 erschienen Thesen zur Logik und Ethik; 1607 veröffentlichte er einen Disput über die Anrufung der Heiligen, den er mit einem Theologen des Augustiner-Ordens geführt hatte. 1611 folgte ein Disput über den Reliquienkult ─ letztere beide auf Holländisch. 1630 kamen Meditationen über die Psalmen heraus. Sein Literaturverzeichnis umfaßt insgesamt 27 Positionen.
Zum Bildvergleich gibt es einen Stich von 1641, der Polyander fünf Jahre vor seinem Tod als einen gesetzten älteren Herrn mit Halskrause zeigt. Die dazwischenliegenden rd. 20 Jahre haben ihn fülliger gemacht; geblieben ist der ebenfalls der Vollbart, nur voller geworden; die wachen Augen finden sich wiederum.
© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2022
Literatur
Émile van Arenbergh. In: Biographie Nationale de Belgique. Vol. XVII. Bruxelles 1903
Bildnachweise
Christie’s Auctions. New York 2012
Die Porträtsammlung der Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel. Reihe A Bd. 6. München u.a. 1988 Nr. A 16769