Joos van Cleve (?)
Johannes Bloemendal
Bedauerlicherweise wurde das hier gezeigte Portraitpaar des unbekannten niederländischen Künstlers auseinandergerissen, sodaß heute sich das Portrait des Mannes (Öl auf Holz 40,5 x 30,5 cm) in der Nasjonalgallerie in Oslo und das Portrait der Frau im Art Institute of Chicago (Nr. 1953.471) befindet. Max J. Friedländer hat sich mit beiden Gemälden intensiv beschäftigt und stellte ihre Zusammengehörigkeit fest. Als Urheber der Bilder plädierte er für den Notnamen Meister von 1540, den er in Antwerpen lokalisierte. Aber diese Festlegung wird mittlerweile nicht mehr aufrecht erhalten. So ist es denkbar, daß auch ein am Niederrhein oder den nördlichen Niederlanden tätiger Künstler der Urheber gewesen sein könnte, wie beispielsweise die Werkstatt des Joos van Cleve.
Sowohl das Portrait des Mannes als auch das der Frau weisen am oberen Bildrand eine Inschrift auf:
Mann links ANo AETATIS SVAE rechts 40 · 1544
Frau links ANo AETATIS SVAE rechts 30 · 1544
Beide Gemälde entstanden demnach im Jahr 1544. Aus den Angaben des Mannes folgert, daß er 1504 geboren wurde; aus den Angaben der Frau geht hervor, daß sie 1514 geboren wurde. Da über die Ehefrauen damaliger Prominenter nur sehr vereinzelt Daten überliefert sind, entscheidet sich am Portrait desbärtigen Mannes die Identität. Auffällig ist der relativ späte Heiratstermin (mit 40 Jahren), wenn man den Portraitauftrag mit der Heirat der beiden zusammenbringt, für Akademiker jedoch weniger ungewöhnlich.
Bekleidet ist der Mann in strengem Schwarz, aus dem nur am Hals ein feines weißes Hemd sichtbar hervortritt. Es liegt nahe, in dem Mann einen Akademiker zu vermuten; daß er in der rechten Hand ein Paar Handschuhe hält, besagt, daß er Verhandlungen führte, also Jurist war. An der rechten Hand trägt er einen Ring. Damit zeigt er an, daß er über etwas Grundbesitz verfügte.
Gleiches gilt für die Frau, welche den Ring am gleichen Finger, aber der linken Hand trägt. Ihr Portrait ist durch die rot gekleideten Unterärmel farblich belebt und weniger karg, als das des Mannes. Die etwas gebrochenen Rot- und Grüntöne des Hintergrunds korrespondieren miteinander. Abweichend von den niederländischen Hauben trägt sie am Hinterkopf eine kleine weiße Haube, über die durchscheinender Tüll gelegt ist, der ihr in den Nacken fällt.
Ihr Kleid ist tief schwarz und mit fünf Knöpfen einer Juwelierarbeit geschmückt sowie erheblich breiter ausgeschnitten, als ein regional üblicher Spatenkragen. Der Ausschnitt zieht aber den Blick vor allem auf sich, weil die Frau (auf der bloßen Haut?) einen aus Goldfäden sehr fein gearbeiteten Stehkragen trägt, der ein strenges graphisches Muster aufweist, am Rande gesäumt von lauter kleinen (Skat-)Pik-Zeichen. Beide Personen erscheinen ernst und gefaßt und nicht jung und verliebt.
Die wenigen Hinweise im Bild zur Person weisen unter acht Männern etwa gleichen Alters (um 1504) auf Johannes Bloemendal. Dieser Akademiker soll trotz seines niederländischen Namens in Münstereifel geboren sein. 1521 schrieb er sich an der Universität Köln ein, woraus man auf seine Geburt um 1504 schließen kann. Bereits 1523 erwarb er den Magistergrad, vermutlich als Jurist. Sein Kommilitone und Freund war der kleve-jülichsche Rat Hilger Born (s. Beitrag Bruyn, Hilger Born).
Daß Bloemendal hier im Bild nahezu ganz in Schwarz auftritt, bestätigt eine Besonderheit im Leben Bloemendals: 1540 hatte er eine Pfründe am Klever Marienstift erhalten, welche ihm seinen Lebensunterhalt sicherte. Daß er nicht nur in Köln, sondern auch in Kleve ansässig war, gibt zur Überlegung Anlaß, ob nicht das Portraitpaar in der Werkstatt des Joos van Cleve (um 1490─1540/41), die nach dem Tod des Meisters von seinem Sohn und den mitwirkenden Gehilfen weitergeführt wurde, entstanden ist. Stilistisch liegt z.B. das Portrait Mann mit Buch (van den Brink Nr. 46) nicht weit entfernt.
Der 40jährige Kleriker Bloemendal vollzog allerdings eine totale Kehrtwendung, indem er ─ lt. Kloosterhuis (S. 551) ─ 1545 heiratete. Die kleine Zeitdifferenz zu dem Portraitauftrag spricht aber nicht gegen Bloemendal als Auftraggeber. Zum einen sind Überlieferungen von damals oft etwas unscharf. Außerdem hat jeder Mensch vor und nach dem Geburtstag (nach Jahren gerechnet) ein unterschiedliches Alte:
Interessant ist nun, daß Bloemendal den Mut fand zu resignieren d. h. seine Pfründe aufzugeben. Offensichtlich war er Erasmianer (vgl. Essay Die Portraits von Bartholomäus Bruyn d. Ä. und das Umfeld des Künstlers) d.h. aus der Bewegung devotio moderna hervorgegangen, der sich Erasmus von Rotterdam verschrieben hatte. Dazu gehörte auch die Aufrichtigkeit in Geldangelegenheiten. Diese Reformbewegung war in den Niederlanden und dem Niederrhein stark verbreitet. Offenbar war Bloemendal vom Protestantismus ´infiziert´. Das zeigt sich in seinem Bild auch an der schlichten Garderobe, der schwarzen Schaube der Reformatoren.
© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2022
Literatur
Peter van den Brink (Hg.): Joos van Cleve. Leonardo des Nordens. Stuttgart 2011
Leonard Ennen: Geschichte der Stadt Köln. Band IV Köln 1863-1880
Northern European and Spanish Paintings before 1600 in the Art institute of Chicago. New Haven/London 2008
Bildnachweis
Northern European and Spanish Paintings before 1600 in the Art Institute of Chicago. New Haven/London 2008 S.222/23
Johannes Bloemendal
Bedauerlicherweise wurde das hier gezeigte Portraitpaar des unbekannten niederländischen Künstlers auseinandergerissen, sodaß heute sich das Portrait des Mannes (Öl auf Holz 40,5 x 30,5 cm) in der Nasjonalgallerie in Oslo und das Portrait der Frau im Art Institute of Chicago (Nr. 1953.471) befindet. Max J. Friedländer hat sich mit beiden Gemälden intensiv beschäftigt und stellte ihre Zusammengehörigkeit fest. Als Urheber der Bilder plädierte er für den Notnamen Meister von 1540, den er in Antwerpen lokalisierte. Aber diese Festlegung wird mittlerweile nicht mehr aufrecht erhalten. So ist es denkbar, daß auch ein am Niederrhein oder den nördlichen Niederlanden tätiger Künstler der Urheber gewesen sein könnte, wie beispielsweise die Werkstatt des Joos van Cleve.
Sowohl das Portrait des Mannes als auch das der Frau weisen am oberen Bildrand eine Inschrift auf:
Mann links ANo AETATIS SVAE rechts 40 · 1544
Frau links ANo AETATIS SVAE rechts 30 · 1544
Beide Gemälde entstanden demnach im Jahr 1544. Aus den Angaben des Mannes folgert, daß er 1504 geboren wurde; aus den Angaben der Frau geht hervor, daß sie 1514 geboren wurde. Da über die Ehefrauen damaliger Prominenter nur sehr vereinzelt Daten überliefert sind, entscheidet sich am Portrait desbärtigen Mannes die Identität. Auffällig ist der relativ späte Heiratstermin (mit 40 Jahren), wenn man den Portraitauftrag mit der Heirat der beiden zusammenbringt, für Akademiker jedoch weniger ungewöhnlich.
Bekleidet ist der Mann in strengem Schwarz, aus dem nur am Hals ein feines weißes Hemd sichtbar hervortritt. Es liegt nahe, in dem Mann einen Akademiker zu vermuten; daß er in der rechten Hand ein Paar Handschuhe hält, besagt, daß er Verhandlungen führte, also Jurist war. An der rechten Hand trägt er einen Ring. Damit zeigt er an, daß er über etwas Grundbesitz verfügte.
Gleiches gilt für die Frau, welche den Ring am gleichen Finger, aber der linken Hand trägt. Ihr Portrait ist durch die rot gekleideten Unterärmel farblich belebt und weniger karg, als das des Mannes. Die etwas gebrochenen Rot- und Grüntöne des Hintergrunds korrespondieren miteinander. Abweichend von den niederländischen Hauben trägt sie am Hinterkopf eine kleine weiße Haube, über die durchscheinender Tüll gelegt ist, der ihr in den Nacken fällt.
Ihr Kleid ist tief schwarz und mit fünf Knöpfen einer Juwelierarbeit geschmückt sowie erheblich breiter ausgeschnitten, als ein regional üblicher Spatenkragen. Der Ausschnitt zieht aber den Blick vor allem auf sich, weil die Frau (auf der bloßen Haut?) einen aus Goldfäden sehr fein gearbeiteten Stehkragen trägt, der ein strenges graphisches Muster aufweist, am Rande gesäumt von lauter kleinen (Skat-)Pik-Zeichen. Beide Personen erscheinen ernst und gefaßt und nicht jung und verliebt.
Die wenigen Hinweise im Bild zur Person weisen unter acht Männern etwa gleichen Alters (um 1504) auf Johannes Bloemendal. Dieser Akademiker soll trotz seines niederländischen Namens in Münstereifel geboren sein. 1521 schrieb er sich an der Universität Köln ein, woraus man auf seine Geburt um 1504 schließen kann. Bereits 1523 erwarb er den Magistergrad, vermutlich als Jurist. Sein Kommilitone und Freund war der kleve-jülichsche Rat Hilger Born (s. Beitrag Bruyn, Hilger Born).
Daß Bloemendal hier im Bild nahezu ganz in Schwarz auftritt, bestätigt eine Besonderheit im Leben Bloemendals: 1540 hatte er eine Pfründe am Klever Marienstift erhalten, welche ihm seinen Lebensunterhalt sicherte. Daß er nicht nur in Köln, sondern auch in Kleve ansässig war, gibt zur Überlegung Anlaß, ob nicht das Portraitpaar in der Werkstatt des Joos van Cleve (um 1490─1540/41), die nach dem Tod des Meisters von seinem Sohn und den mitwirkenden Gehilfen weitergeführt wurde, entstanden ist. Stilistisch liegt z.B. das Portrait Mann mit Buch (van den Brink Nr. 46) nicht weit entfernt.
Der 40jährige Kleriker Bloemendal vollzog allerdings eine totale Kehrtwendung, indem er ─ lt. Kloosterhuis (S. 551) ─ 1545 heiratete. Die kleine Zeitdifferenz zu dem Portraitauftrag spricht aber nicht gegen Bloemendal als Auftraggeber. Zum einen sind Überlieferungen von damals oft etwas unscharf. Außerdem hat jeder Mensch vor und nach dem Geburtstag (nach Jahren gerechnet) ein unterschiedliches Alte:
Interessant ist nun, daß Bloemendal den Mut fand zu resignieren d. h. seine Pfründe aufzugeben. Offensichtlich war er Erasmianer (vgl. Essay Die Portraits von Bartholomäus Bruyn d. Ä. und das Umfeld des Künstlers) d.h. aus der Bewegung devotio moderna hervorgegangen, der sich Erasmus von Rotterdam verschrieben hatte. Dazu gehörte auch die Aufrichtigkeit in Geldangelegenheiten. Diese Reformbewegung war in den Niederlanden und dem Niederrhein stark verbreitet. Offenbar war Bloemendal vom Protestantismus ´infiziert´. Das zeigt sich in seinem Bild auch an der schlichten Garderobe, der schwarzen Schaube der Reformatoren.
© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2022
Literatur
Peter van den Brink (Hg.): Joos van Cleve. Leonardo des Nordens. Stuttgart 2011
Leonard Ennen: Geschichte der Stadt Köln. Band IV Köln 1863-1880
Northern European and Spanish Paintings before 1600 in the Art institute of Chicago. New Haven/London 2008
Bildnachweis
Northern European and Spanish Paintings before 1600 in the Art Institute of Chicago. New Haven/London 2008 S.222/23