Unbekannter Künstler
Sigismund von Falkenstein (?)

71.51-Falk-240Ein ungeklärtes Bildnis der süddeutschen Spätgotik, das einen noch jungen Mann vorstellt, konnte 1964 vom Augustinermuseum in Freiburg/Breisgau aus den USA zurückgekauft werden (Öl auf Fichte 50 x 34 cm. 1490). Stilistisch ließe es sich für ein Werk Martin Schongauers halten, zumal das Format einem Frauenportrait dieses Künstlers zu entsprechen scheint. Aber da der Künstler Anfang 1491 starb, setzte sich diese Vermutung nicht durch. Doch da der originale Rahmen zum Portrait des Mannes erhalten blieb, der umlaufend vom Künstler beschriftet wurde, wäre es denkbar, daß es immerhin von einem Werkstattmitarbeiter stammt.

Der jugendliche Mann ist mit einem dunkelblauen Kopfputz nach burgundischer Mode bekleidet, an dem oben ein weißer, sechszackiger Stern als eine Art Brosche befestigt ist, von dem eine Art Quaste aus gelben und dunkelblauen ´Ähren´ herunterhängt. Die Mitte des Sterns ist mit einem gelb-braunen Stein besetzt; die Zacken weisen, einem Seestern ähnlich, weiße Erhöhungen auf. Der junge Mann trägt einen dunkelbraunen Umhang, der die linke Schulter und Brust bedeckt. Seine rechte Seite bleibt offen, so daß man erkennt, daß er in einen schwarzen Rock mit Spatenkragen gekleidet ist, welcher mit einer goldenen Zierleiste begrenzt wurde, die noch gotische Ornamentik zeigt.

Das Halbportrait wurde vor einer flachen Rundnische platziert, über der ein nicht beschriftetes Flatterband angebracht ist. Die Hände des jungen Mannes ruhen auf dem unteren Bildrand beieinander. Der Daumen der Linken ragt als optische Betonung aufwärts, weil sich an ihm ein goldener Ring mit schwarz-weißem Stein befindet. Zwischen linkem Bildrand und rechtem, angewinkelten Arm liegt ein sechszackiger, blaugrauer Stern an einem blaugrauen Band. Übrigens tritt unter den Kupferstichen Schongauers als Nr. B.99 ein Wappenschild mit drei sechszackigen Sternen auf.

71.51-FalkWappenWappen der Familie FalkensteinDoch die Identität des Porträtierten wie des Künstlers konnte bisher nicht aufgeklärt werden. Paul Wescher äußerte 1935 die Vermutung, daß Hans Burgkmair (1473 ─ 1531), der er sich 1488/90 im Elsaß aufhielt und Martin Schongauer porträtierte, der Urheber sein könnte; doch zum Dargestellten gab es keinen konstruktiven Vorschlag. Sein Ring scheint ein Wappenring zu sein, doch läßt sich bei dem eingelassenen Stein nur ein schwarz-weißer Kontrast erkennen, keine sich abzeichnende heraldische Figur.

Durch das heraldische Schwarz-Weiß wird der Blick auf eine altadelige Familie gerichtet, in deren Wappen allerdings noch eine weitere Farbe auftritt: Rot. Diese ursprünglich dem Schweizerischen Adel zugehörige Familie heißt von Falkenstein. Sie stellte einige Freiherrn und Grafen auf der Burg Farnsberg und Alt-Falkenstein (von Zähringer Ministerialen im 12. Jahrhundert erbaut) sowie Neu-Falkenstein. Wurde das Rot wegen der minimalen Fläche vom Maler nur weggelassen?

Die den Rahmen zierende Inschrift nach Art von van Eyck in gotischer Schrift auf der linken und oberen Rahmenleiste lautet: Nach xpi Gepurd als man zelt 1490 jar / was ich XXII iar allt für war. Demnach wäre der Porträtierte 1468 geboren worden. 71.51-Burg-GrafikAnton Winterlin; Burg Neu-Falkenstein
um 1825. Bleistiftzeichnung.
Kupferstichkabinett des Kunstmuseum Basel
Die elegante Ausstattung des Mannes sowie sein unter dem Kopfputz hervorscheinendes lockig dekoriertes braunrotes Haar präsentieren einen selbstbewußten Adligen, der aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Breisgau stammt.


1461 erfolgte der Verkauf der schweizerischen Besitzungen der Falkensteins, vor allem der Burg Farnsburg an das Bistum Basel, und war verknüpft mit Gewährung von Lehen für die Falkensteiner im südlichen Schwarzwald, wo die Familie nunmehr heimisch wurde und sich ausbreitete. Sie verfügten bald über eine ganze Reihe von Burgen, welche die vorherigen Generationen z. T. schon vor 1461 erworben hatten. So siedelten einige Falkensteiner in 71.51-Falk-FrauMartin Schongauer (?):
Helena von Hohenems (?). 52 x 34 cm.
Sammlung Heinz Kisters, Kreuzlingen
Berneck und Umgebung sowie im Schiltachtal und in Schramberg; diese kommen jedoch für das Portrait weniger infrage. Der letzte männliche Vertreter des Geschlechts, Johann Christoph von Falkenstein (1523 ─ 1568) war kaiserlicher Rat und zeitweilig Präsident der vorderösterreichischen Regierung in Ensisheim.


Die höchste Wahrscheinlichkeit, die hier porträtierte Person zu sein, kommt jedoch seinem Vater, Sigmund von Falkenstein (+1533) zu, einem Sohn aus der zweiten Ehe von Thomas von Falkenstein und Amelia von Weinsberg. Er besaß von 1499 bis 1506 die Herrschaft Schneeburg bei Ebringen. 1506 heiratete er die Witwe Helena, Tochter des Hans von Hohenems aus dem Vorarlberg. Sie war Erbin von Ebringen (lt. wikipedia). Nach der Bauernkriegszerstörung ergriff Sigmund die Initiative für den Wiederaufbau der Herrschaftsgebäude in Ebringen. Außerdem hat er damals in Kirchzarten die Talvogtei wiederherstellen lassen, beides Baudenkmäler, die somit immerhin auf Stilgefühl schließen lassen. Nach Sigmunds Tod starb die Linie mit seinem Sohn Christoph aus. An Sigmund und seinen Sohn erinnern noch heute Grabdenkmäler in der Ebringer Pfarrkirche.

71.51-Falk-BurgTalvogteiAn der Gewandung des Porträtierten gibt es zwei auffällige Hinweise in Form eines sechszackigen Sterns, die bisher nicht diskutiert wurden. Der eine Stern ist auf der linken Seite des Kopfputzes als eine Art Brosche befestigt; der andere, an einer blaugrauen Schleife, füllt den Winkel zwischen rechtem Oberarm und sich öffnender Nische. Nachdem die Herkunft der Familie und vor allem das Lehen des Basler Bistums ins Spiel kamen, geben die beiden Sterne insofern einen Sinn, als sie auf die Mitgliedschaft der Falkensteiner in dem Basler Ritterorden der Sterner verweisen. Seine Gewandung könnte seine ´Uniform´ (bzw.´Häs´) bei den Treffen der Sterner anzeigen. Der Basler Adel teilte sich nämlich unter zwei Turnierbünden auf, den Psitticher und den Sterner. Demnach wäre Sigmund von Falkenstein an den Sterner beteiligt gewesen. Das im ausgehenden Mittelalter erbaute Haus am Münsterplatz 11 in Basel heißt übrigens noch heute Falkensteinerhof.

(c) Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2022
Erstveröffentlichung in Badische Heimat, Dezember 2021

Literatur
Baukultur im alten Basel. Hg. Hans Eppens. Basel 1968 S. 185
Herbert Brunner/Alexander von Reitzenstein: Baden-Württemberg. Kunstdenkmäler und Museen. Stuttgart 1979
Ernst Buchner: Das deutsche Bildnis der Spätgotik und der frühen Dürerzeit. Berlin 1953 S. 193
Franziska Hälg-Steffen. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.04.2004. Online:
https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/019512/2004-04-27/ (24.4.2021)
Maurer, Hans Martin. In: Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands. Baden-Württemberg. Stuttgart 1965. S. 715
Hermann Mayer: Falkenstein und die Falkensteiner. In: Breisgauer Chronik 1914
Othmar Noser. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.10.2004. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007719/2004-10-07/ (24.04.2021)