Erstveröffentlichung
Hans Krell (?)
Adalbert von Pernstein
(tsch. Vojtĕch z Pernstejna)
Im stattlichen (und staatlichen) Renaissance-Schloß von Opočno/Tschechien ist eine Bildersammlung untergebracht, die z.T. italienische Gemälde enthält. Ferner befindet sich darin ein Bildnis eines unbekannten Adligen (Öl auf Holz, 55 x 40,5 cm) von einem unbekannten Maler, das nicht datiert ist. Es einem italienischen Künstler zuzuschreiben, erscheint gewagt; eher weist es von der Komposition her Ähnlichkeit mit fürstlichen Portraits von Lucas Cranach d. Ä. auf (das demonstrativ breitrandige schwarze Barett z.B. spräche dafür (vgl. Beitrag Cranach d. Ä., Zapolya). Von der Qualität her käme daher eine Werkstatt-Arbeit infrage. Wahrscheinlicher aber ist, daß es ein Gemälde von Hans Krell (um 1490 in Crailsheim ─ 1565/86 Leipzig) ist, der auch als sog. Fürstenmaler bezeichnet wird. Er hat Ludwig II., von Ungarn porträtiert, sich in Prag aufgehalten und bekam durch Vermittlung von Lukas Cranach d. Ä. 1546 den Auftrag, Frau und Tochter Ferdinands I. zu porträtieren. Ferner hat er später auch den Käufer der Grafschaft Glatz porträtiert (s. Beitrag Krell, Ernst von Bayern), deren Vorbesitzer aus der Familie des Porträtierten stammte.
Dennoch handelt es sich um ein imponierendes Portrait, vor allem wegen seiner Ausstattung. Die Garderobe ist wertvoll: Die Schaube ist aus Samt und Brokat kombiniert. Das Hemd weist am Hals eine breite dekorative Borte auf. Das Originellste am Bild ist die unmittelbar darunter ´geflochtene´ Schlange. Unwillkürlich wird man an Piero di Cosimos
Simonetta Vespucci (als Kleopatra) erinnert (Musée Condé, Chantilly). Spielte beim Auftraggeber evtl. ein Italienerlebnis eine Rolle? Die Schlange kommt in der Heraldik selten vor. Sie tritt geringelt auf bei dem ungarischen Geschlecht der Bethlen (s. Siebmacher, Tafel 49); doch da sie dort eine Krone trägt und die Ungarn wohl die Slowakei in ihrem Besitz hatten, aber nie Böhmen, führt diese Spur nicht weiter.
Zur weiteren Ausstattung gehört die ungewöhnlich breite Kopfbedeckung. Sie ist auf der Unterseite mit 14 gleichen, fächerartigen, goldenen Schmuckstücken appliziert. Überhaupt strotzt das Porträt von Reichtum: Jede Hand zeigt zwei Ringe; in der Rechten befindet sich ein Granatapfel wie auf dem Portrait des Grafen Waldeck (s. Beitrag Cranach d. J.: Philipp IV. von Waldeck-Wildungen).
Dieses Attribut könnte auf ein Portrait schließen lassen, das zur Brautwerbung eingesetzt werden sollte, denn der Granatapfel steht für Fruchtbarkeit. Er bedeutet zusätzlich im profanen Bereich Freigebigkeit und Vaterlandsliebe. Von daher wird er auch als Herrschaftssymbol verstanden. Dazu passen würden die auffälligen Schnüre am Gewand, sog. Liebesknoten (s. Beitrag Bartolomeo Veneto, Charles de Bourbon). Da die dargestellte Person jung erscheint (höchstens an die dreißig), stützt diese Feststellung die Annahme des Brautbildes. Nützlicherweise ist das Bild mit römischen Ziffern datiert: MCCCCXXVI (= 1426), wenn auch offensichtlich falsch. Da es stilistisch in die Zeit um 1500 einzuordnen ist, hat der Maler, wohl der römischen Ziffern nicht recht kundig, ein C (= 100) vergessen; richtiger wäre MDXXVI gewesen. Diese Datierung könnte zur Identifizierung verhelfen.
Die erste Frage lautet: Wer war um 1500 in Böhmen und Mähren überdurchschnittlich reich und so gebildet, daß ihm fähige Künstler zur Verfügung standen? Leider fehlt dem Bild eine heraldische Kennzeichnung d.h. ein Familienwappen. Doch die Schlange könnte ein Hinweis sein. In der Zeit gab es jeweils zwei Schlangen (wohl als Klugheitssymbol gewählt) im 2. und 3. Quartier eines (von mehreren) Wappen der Familie namens Pernstein. Bei der Fülle der in Böhmen und Mähren verstreuten Besitzungen der Familie Pernstein ließ sich leider nicht klären, welcher von ihnen die Schlangen zuzuordnen sind.
In Südost-Böhmen (Jihlava) im Bezirk Zdar steht die Stammburg Pernstein am Fluß Svratka. »Pernstein zählt zu den großen mährischen Burgen« (Bodo Eberhardt S. 396). Diese gehörte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Wilhelm von Pernstein (Vilém z Pernstejna), dem um die Zeit reichsten Adligen in Böhmen und Mähren. Dafür spricht die aufwendige Architektur, denn der spätgotische Teil der Burg Pernstein war in Marmor ausgeführt. Um 1435 auf Burg Mezirécí geboren, starb Wilhelm 1521 und hinterließ enorme Besitzungen, die bis nach Slowenien reichten. Innerhalb des Landes spielte er eine bedeutende, vorwiegend ausgleichende Rolle und stand in Kontakt zu den Königen von Böhmen und Polen (Vladislav Jagiello) sowie Ungarn (Matthias Corvinus). Dementsprechend wurde seine Burg bzw. Teile davon von konkurrierenden Burgherren des Landes übernommen (Eberhardt S. 403). Gerühmt wird (von Eberhardt S. 447) die großartige Wirkung der Baumassen, die sich in 11 Bauabschnitte untergliedern lassen, wie Prokop mitteilt. An der Südecke des Kernbaus befindet sich ein langer Pallas mit großem Saal im EG aus dem frühen 16. Jahrhundert (Eberhardt S. 449). Leider wurde die Burg Pernstein mitsamt dem Inventar im November 2009 von einem Brand heimgesucht. Dabei war die Burg »künstlerisch und großräumig als ein glänzender Herrensitz eines überreichen Geschlechtes« konzipiert, »mehr wie viele andere« (Eberhardt S. 449). »Keine [der mährischen Burgen] kann freilich der Eigenart, Größe und hochstrebenden Form der Burg Pernstein nahekommen« (Eberhardt S. 450).
Die Lebenszeit des Bauherrn Wilhelm von Pernstein spricht jedoch gegen seine Person als Porträtierten; er hatte aber vier Kinder. Sein ältester Sohn hieß Vojtĕch von Pernstein und wurde 1490 geboren. Er erbte alle böhmischen Besitzungen des Vaters, während sein Bruder Johann die mährischen Güter zugesprochen bekam. Johann von Pernstein war als Landeshauptmann von Mähren ein scharfer Kritiker der Habsburger (Kohler S. 162). Beide übernahmen innerhalb des Landes politische Ämter und bekleideten jahrelang den Posten des jeweiligen Landeshauptmanns. Vojtĕch bekleidete zudem 1514 bis 1523 als Hofmeister das höchste Hofamt. Durch Erzherzog Ferdinand, seit 1526 böhmischer König, wurde er 1529 zum Landeshauptmann befördert. So nimmt es nicht wunder, daß er prächtig herausgeputzt auf dem Gemälde erscheint. Er war so vermögend, daß er 1528 das Zentrum von Neustadt an der Mettau (Nové Mesto nad Metují) von italienischen Bauleuten zu einer einheitlichen Stadt der Renaissance umbauen ließ. Auch Pardubitz (Pardubice) wurde in einem Auftrag von Italienern saniert. Ob er sich in seiner Jugend zur Ausbildung in Oberitalien aufgehalten hat wie später Jan Zamoyski (xxx 1618), der Erbauer der Renaissance-Stadt Zamoćź, ließ sich leider nicht ermitteln, ebenso wenig, wann er geheiratet hat. Insofern muß die Frage, ob es sich bei dem Gemälde um ein Bild zur Brautwerbung handelt, offenbleiben. Geheiratet hat er zweimal: zunächst Margarethe von Postupice (Johann heiratete Anna Kostka von Postupice), später Johanna von Wartenberg. Welche Eheschließung 1526, entsprechend der Datierung im Gemälde, erfolgte, konnte nicht aufgeklärt werden. Nachfahren hatte er nicht, denn er starb 1534 kinderlos. Sein Erbe war sein Bruder Johann.
Soweit bekannt führte Vojtĕch von Pernstein die vermittelnde Politik des Vaters fort und hing nicht den Hussiten an. Dagegen wurde er bald von Luthers Reform der Kirche angezogen. In dieser Auffassung stimmte er mit seinem Bruder überein. Er trat, wenn auch nicht unkritisch, für den jungen König von Ungarn und Böhmen, Ladislaus bzw. Ludwig II., ein und hatte Kontakte zu den bayerischen Herzögen. Es ist wohl kein Zufall, daß das Portrait dieses Ludwig, das ebenfalls von Hans Krell gemalt wurde (Kunsthistorisches Museum, Wien Nr. 4460), auf dem mit goldenen Applikationen versehenen Barett ebenfalls eine gewundene goldene Schlange enthält. Ludwig fiel 1526 bei Mohács im Kampf gegen die Türken.
© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2022
Literatur
Joachim Bahlcke: Regionalismus und Staatsintegration. Freiburg 1993
Bodo Eberhardt: Der Wehrbau Europas im Mittelalter. II. Stolhamm 1959
Alfred Kohler: Ferdinand I. München 2003
Jaroslav Pešina: Tafelmalerei der späten Gotik und der Renaissance in Böhmen 1450-1550. Prag 1958
August Prokop: Die Markgrafschaft Mähren. Wien 1904
Johann Siebmacher: Die Wappen des blühenden und abgestorbenen Adels. Bd. 4 Abt.13: Der Adel von Ungarn. 1897 ff
Bildnachweis
Jaroslav Pešina: Tafelmalerei der späten Gotik und der Renaissance in Böhmen 1450-1550. Prag 1958 S. Tafel 276
www.zemefilmu.cz/sk/filmova-mista/10083-hrad-pernstejn/ (15.12.2021)
/de.images.search.yahoo.com/search/images;_ylt=AwrJETfHPLphvXEAiQ8zCQx.;_ylu=Y29sbwNpcjIEcG9zAzEEdnRpZANTRlNZRFRfMQRzZWMDc2M-?p=Hrad+pernstejn&fr=yfp-t (15.12.2021)