Erstveröffentlichung

Cornelis Theunisz

Herman Crüser

68.01 Teunisz-Crüser 240Die Litterarisch Dispuutgezelschap B.E.E.T.S. in Amsterdam, benannt nach dem Schriftsteller Nicolas Beets (1814─1903), ist schon seit dem 19.Jahrhundert Eigentümer eines Mansportret (Öl auf Leinwand, 90,5 x 82,5 cm. 1556) des nordholländischen Künstlers Cornelis Theunisz.. Detailangaben waren von dort leider nicht zu bekommen. Das Bild zeigt das ¾ Portrait eines Mittvierzigers, der allem Anschein nach ein Humanist war. Er trägt ein flaches, dunkles Barett, einen kräftigen Vollbart und eine dunkle Schaube. Wie bei vielen, von Lucas Cranach oder Hans Baldung Grien gemalten Portraits hat auch hier der Künstler Angaben zur Person des Porträtierten hinterlassen.

Das schmallange Gesicht und die beiden spinnenbeinartigen Hände lassen einen empfindsamen, aber auch nervösen Menschen vermuten. Die Linke hält einen Humanisteneinband mit zwei Schließen. Demnach hat der Dargestellte auch publiziert. Die Linke umfaßt ein paar Handschuhe. Der Blick des Mannes erfolgt aus den Augenwinkeln auf den Betrachter und spricht für einen kritischen Wissenschaftler. Daß er über eine solide wirtschaftliche Basis verfügte, erweist der braune Pelzkragen auf den Schultern.

Bei diesem Stand an Informationen bleiben jedoch die Personenmerkmale noch zu allgemein, um eine einzelne Person aus Nordholland herausfiltern zu können, woher sowohl der Künstler als auch der Dargestellte stammten. Doch hat Theunisz. knapp am oberen Bildrand links die Datierung 1556 und rechts (in der Reproduktion nicht mehr lesbar) das Alter der Person angegeben: 46 Jahre. J. G. Hoogewerff (S. 503/4) schreibt dazu treffend: »Lakoniker danzoo kann het niet«.

So knapp auch die Angabe ausfällt, so nützlich ist diese Angabe für die Identifikation. Sie läuft auf einen Mann des Jahrgangs 1510 hinaus, der über 1556 hinaus gelebt hat und offenbar ein nordholländischer Akademiker war. Dieser publizierte nicht nur, sondern war, den Handschuhen nach zu urteilen, auch Mediator bzw. Gesandter. Die Formulierung, eine Sache mit Glacéhandschuhen anzufassen, ist heute kaum noch gängig; damals waren Handschuhe jedoch ein dezidiertes Merkmal für Diplomaten und Juristen.

Die Hinweise leiten geradewegs zu Herman Crüser (auch: Croeser, Cruyser bzw. latinisiert Cruserius). Er wurde 1510 in Kampen bzw. Hatten in der Grafschaft Gelderland geboren, deren zentraler Ort Arnheim ist. Die ersten Jahrzehnte Crüsers war Karel van Egmond (1467─1538; 1492 aus der Gefangenschaft zurück) der Landesherr. Goethes Dramenheld Egmont lehnt sich an dessen Nachfolger Lamoraal van Egmond (1522─1568) an. Sein Oppositionsgeist gegen die spanisch-habsburgische Herrschaft war schon bei den Vorgängern virulent. Kaiser Karl V. führte mehrfach Krieg gegen Geldern und besiegte schließlich die Grafschaft 1543.

Herman Crüsers Begabung ermöglichte ihm, im Ausland zu studieren. Genannter Karel van Egmond engagierte ihn danach als Gesandten für England und Lothringen. Heikel war die Mission zu König Franz I. von Frankreich, dem lebenslangen Widerpart von Karl V. Ab 1538 regierte Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg (1516─1592), der Crüser im Amt übernahm. Der fädelte die Heirat mit Jeanne d’Albret (1528─1572) 1541 ein. Des Weiteren brachte er eine anihabsburgische Koalition unter Einschluß des Schmalkaldischen Bundes d.h. der Protestanten zustande, die aber 1543 gegen Karl V. unterlag.

Gegen Ende von Crüsers Leben übertrug ihm Herzog Wilhelm eine schwierige Aufgabe. Die Tochter des Herzogs, Maria Eleonore (1550─1608), heiratete 1573 den geisteskranken Herzog Albrecht Friedrich von Preußen (1533─1618), und Crüser wurde ihr als Betreuer und Beistand zugeteilt. So starb Crüser weit entfernt von seiner Heimat 1575 in Königsberg.

Neben den Handschuhen hält Crüser aber mit der Linken das erwähnte Buch. Es ist im Bild als pars pro toto zu sehen, denn in der ihm verbleibenden freien Zeit war der Humanist Crüser ein eifriger Philologe. 1531 erschien sein Kommentar zu Hippokrates, 1532 eine Übersetzung Galens vom Griechischen ins Lateinische und 1564 die Übersetzung der Schriften Plutarchs, sowohl der Vitae, als auch der Moralia, vom Griechischen ins Deutsche. Christian Felix Weisse schrieb in seiner Rezension über Crüser: »Hermann Cruserius trug nicht bloß die Lebensbeschreibungen (1561), sondern auch die philosophischen Werke des Plutarchus (1573 Basel, 1580 Frankfurt) in die lateinische Sprache über«.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2021

Literatur
Harleß. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 4. Berlin 1968
G. J. Hoogewerff:
De Noord-Nederlandsche Schilderkunst. Vol. III s’Gravenhage 1936
Neue Deutsche Biographie. Bd. 3. Berlin 1957
Christian Felix Weisse (Hg.): Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der fryen Künste. Bd. 59-60. Leipzig 1766

Bildnachweis
G. J. Hoogewerff: De Noord-Nederlandsche Schilderkunst. Vol. III. s’Gravenhage 1936 S. 503