Maarten van Heemskerck
Joost Sasbout

34.01-Heemskerck-Sasbout 240Dieser unbekannte Dargestellte von der Hand des Maarten van Heemskerck (1498─1574) im Stedelijk Museum von Alkmaar (Öl auf Holz, 74,5 x 55 cm) erscheint dem Betrachter als ein würdiger Herr. Mit seiner Haltung scheint er zugleich seine Überlegenheit zu signalisieren. Er trägt einen schwarzen Rock mit hochgeschlagenem Pelzkragen und war offenbar zur Zeit der Portraitsitzung ein Prominenter in den nördlichen Niederlanden. Das flache, schwarze Barett entspricht der damaligen Herrenmode. Unter dem Rock trägt der Mann ein weißes, plissiertes Hemd mit sehr kunstvoll gesticktem Stehkragen. Der Rand des Hemdes ist onduliert. Die hochgestellte Person war demnach auch vermögend, obgleich sie im Bild ohne demonstrativen Schmuck auftritt.

Über die Person sagt die Haltung der beiden Hände einiges aus. Die Linke liegt mit angezogenem Handschuh unter der Rechten und umklammert den rechten Handschuh. In Gemälden ungewöhnlich ist, daß der Handschuh am Ringfinger aufgeschlitzt ist, damit das Leder dem Ring Raum geben kann, aber auch der Ring selbst sichtbar wird. Leider ist das Wappen darauf nicht deutlich zu erkennen. Die Rechte als wichtigere und handelnde Hand hält einen gefalteten Brief. Nach der Erfahrung mit den von B. Bruyn porträtierten niederrheinischen Beamten stellt sich hier ein höherrangiger Jurist vor, dessen Funktionen das Verhandeln und Abfassen von Vertragstexten sind.

Bedauerlicherweise hat der Künstler für die Nachwelt weder das Entstehungsdatum des Bildes noch die Altersangabe der Person festgehalten. So wird verständlich, daß bisher kein Versuch unternommen wurde, das verlorene Wissen über den Dargestellten wieder zurückzugewinnen. Daher mußte für die Entstehung ´um 1540´ (Grosshans) angenommen und auf einen etwa 50jährigen geschlossen werden. So ergibt sich für seine Geburt ´um 1490´.

Mit erheblicher Wahrscheinlichkeit kommt daher Joost Sasbout aus Delft (1487─1546), Herr von Spalant, infrage, der auch unter dem latinisierten Namen Iodocus Sasboldus Delphius auftrat. Seine Schulausbildung wird er an einer Lateinschule absolviert haben. Jedenfalls wurde er 1506 in Leuven immatrikuliert und machte dort auch seinen Magister als Jurist. Um 1513 promovierte er zum Dr. beider Rechte, dem kanonischen und dem Zivilrecht. Schon 1515 wurde er beim Rat von Holland eingestellt. 1526 wurde er als kaiserlicher Unterhändler nach Friesland beordert. Dort machte er auf den Gouverneur, Georg Schenk van Toutenburg (1480─1540), einen so hervorragenden Eindruck, daß dieser ihn gern zum Präsidenten des Rats von Friesland engagiert hätte. Doch der Rat bevorzugte einen anderen Kandidaten.

Im Jahr 1543 legte er seinen Eid als Kanzler von Gelderland (Provinz nördlich der Rheinmündung) ab, nachdem die Provinz im Jahr vorher ihren Willen zur Unabhängigkeit vom kaiserlichen Regiment aufgeben mußte. Ganz offenbar hat Heemskerck aus diesem Anlaß den Portraitauftrag erhalten, denn das Gemälde kann als Amtsportrait eingestuft werden. Diese Funktion übte Sasbout bis zu seinem Lebensende aus. Damit ist auch die fehlende Datierung des Bildes geklärt: 1543.

Freundschaften schloß Erasmus von Rotterdam (1466/69─1536) vorwiegend mit Philologen, Theologen und Poeten. Durch sein Studium in Leuven kannte ihn Sasbout selbstverständlich. Ab 1532 tauschte er gelegentlich Briefe mit Erasmus aus. Insofern kann man annehmen, daß er der Gruppierung der Erasmianer zuneigte (s. Beitrag Bruyn, Frechen), obgleich er in seiner Funktion zu Kaisertreue verpflichtet war.

Darüber hinaus ist von Sasbout bekannt, daß er eine poetische Ader hatte, wie viele Humanisten damals, und hin und wieder Verse schrieb. Darin stand er Maarten van Dorp (s. Beitrag van Leyden, Dorp) nahe. Jedenfalls sind Gedichte von beiden später von de Vocht ediert worden. Das vom Portrait ausgehende Selbstbewußtsein Sasbouts zeigt sich auch darin, daß er die Verse seines eigenen Epitaphs selbst verfaßt hat. Übrigens war er mit Catharina van Meer verheiratet, und sein Sohn Arnold rückte in das Amt des Kanzlers von Gelderland nach.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2021

Literatur
Rainald Großhans: Maarten van Heemskerck. Berlin 1980
C. H. van Leijenhorst. In: Contemporaries of Erasmus. Toronto/Buffalo/London 2003

Bildnachweis
Rainald Großhans: Maarten van Heemskerck. Berlin 1980 S. 132