Lucas Cranach
Georgius Tilenus d. J.

05.10 Tilenus 240Die Überlieferung von Daten war innerhalb 500 Jahren von vielerlei Faktoren abhängig und ist daher höchst unterschiedlich verlaufen. In diesem Fall waren kaum Angaben zu ermitteln. Dennoch soll hier der Versuch gemacht werden, dem bartlosen jungen Mann zu einer Identität zu verhelfen, weil schon die wenigen verfügbaren Angaben aussagekräftig sind.

Das von Lucas Cranach d. Ä. gemalte Portrait eines jungen Mannes (Öl auf Holz 35,5 x 23 cm. Friedländer/Rosenberg Nr. 343) befindet sich im Musée des Beaux-Arts in Straßburg, wird aber im Katalog des Museums von 2006 nicht erwähnt. Im Internetauftritt wird als Autor Cranachs gleichnamiger Sohn vermutet. Ob der es mit 18 Jahren gemalt hat, ist allerdings fraglich ─ als Freundschaftsbild vielleicht. Das Portrait jedenfalls zeigt einen jungen Mann aus offenbar guter Familie, denn nur ein solcher konnte sich in jungen Jahren leisten, ein Portrait in Auftrag zu geben. Immerhin trägt er außer dem Gelehrtenbarett sogar einen Pelzkragen sowie einen Siegelring mit einem t .

Diese Angaben lassen immerhin den Schluß zu, daß es sich bei dem Dargestellten um einen knapp 20jährigen Studenten handelt, dessen Familiennamen mit T beginnt. Im Vergleich zum Podewils-Portrait (s. Beitrag Cranach d.Ä, Podewils) handelt es sich nicht um einen Adligen, da eine entsprechende Halskette fehlt. Da Cranach um die Entstehungszeit des Bildes sich zumeist in Wittenberg aufhielt, wurde bei der Suche die Matrikel der dortigen Universität herangezogen. Soziologisch interessant darin ist, daß im Wintersemester 1532/33 kein Student, mit T beginnend, als pauper (arm) eingestuft wurde. Im anschließenden Sommersemester taucht neben Leopoldus Trinckelius filius D. Johan: Trinckelij Augustensis ein Georgius Tilenus Sorauensis Silesius auf. Aus der Eintragung geht hervor: Seine Eltern waren damals Bürger von Sorau in Schlesien, einer kleinen Stadt, die unter Herzog Carl von Münsterberg-Oels (1476─1536) sogar eine Fürstenschule unterhielt. Diese Angabe läßt auf eine bildungsfreundliche Atmosphäre schliessen. Leider kommt der Familienname Tilenus nicht in der Allgemeinen Deutschen Biographie vor, und das t des Siegelrings (ohne eigentliches Wappen) taucht nicht in dem Wappen-Atlas von Rietstap auf. Nur vom Enzyklopädisten Zedler wird der Name eines Oberpfarrers in Goldberg/Schlesien genannt: »allwo sein Vater Georg Tilenus … 1570 mit Tode abgegangen«. Sein gleichnamiger, ältester Sohn studierte beide Rechte in Wittenberg und wird als Poet eingestuft; hauptberuflich war er jedoch als Rat des Herzogs von Münsterberg-Oels tätig.Immerhin wird heutzutage noch in dem von Achim Aurnhammerherausgegebenen Werk Francesco Petrarca in Deutschland: Seine Wirkung in Literatur, Kunst und MusikTilenus von Aurnhammermit dem metrisch an Petrarca orientierten Gedicht Ex Italico Petrarchae zitiert und der Beurteilung, »Tilenus … sucht dem italienischen Prätext nahezukommen« (S. 192).


Ausführlicher geht Sigismund Justus Ehrhardt (S. 426 ff) auf den Oberpfarrer Tilenus ein. »Von Geburt ein Sorauer, der allda, und in Wittenberg studiert u. magistriert hatte. Er wurde 1551 Dekan u. Past.[or] in Goldberg, wo er 1554 im Stadtbrand sein Vermögen auch verlohr«. Nach ungeklärten Differenzen mit der Obrigkeit wurde er 1565 nach Naumburg am Queis versetzt, wo er 1570 gestorben ist. »Er war ein gelehrter und gewissenhafter Theologe. Seine Ehefrau Marthe geb. Lubelin gebahr ihm zwei Söhne, die durch ihre Gelehrsamkeit und Verdienste um Religion und Staat sein Andenken in der Welt noch schätzbarer gemacht haben« (Engelhardt).

Damit erschöpfen sich die Aussagen über Georgius Tilenus. Interessant an dem Ergebnis ist immerhin, daß Tilenus nicht der einzige gutsituierte Student in Wittenberg war, der es sich leisten konnte, dem Fürstenmaler Cranach Portrait zu sitzen. Ein druckgraphisches Portrait zum Vergleich gibt es leider nicht.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2021


Literatur
Album Academiae Vitebergensis I. Aalen 1976

Sigismund Justus Ehrhardt: Presbyterologie des Evangelischen Schlesien. Bd. IV
Johann Heinrich Zedler: Das Grosse vollständige Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. Bd. 44 Leipzig 1732-54

Bildnachweis
wikipedia.org/wiki/Musée_de_l'Œuvre_Notre-Dame#/media/File:Lucas_Cranach_d._J.,_Bildnis_eines_jungen_Mannes_(1533)_(2).JPG (7.1.2021)

siehe auch: CRANACH · 40 Portrrairts aufgeklärt S. 82