Lucas Cranach d. Ä.
Hans Cranach

05.04 Cranach-H-240Dieses Bildnis eines 19jährigen Mannes von Lucas Cranach d. Ä. (Öl auf Holz, 36,3 x 22,8 cm. 1532. Anhaltinische Gemälde-Galerie, Dessau. Friedländer/Rosenberg 79. CDA DE_AGGD_14) hing mit Sicherheit ab 1883 im Gotischen Haus in Wörlitz und war wohl schon im späten 18. Jahrhundert Eigentum des Fürsten Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740─1814). CDA bezeichnet es als Werkstattarbeit. Es zeigt einen noch nicht ganz ausgereiften jungen Mann, der in der für Cranach typischen Weise die Hände ineinander gelegt hat, hier indem er seinen linken Daumen in die geballte rechte Hand schiebt.

Der dargestellte junge Mann könnte Student begüterter Eltern sein, denn er trägt ein edles Hemd mit hohem gesticktem Kragen und ein rotes Gewand. Daraus läßt sich schliessen, daß es sich um einen angehenden Juristen handelt. Seine dunkle Schaube ist durch Schlitzungen verziert. Links oben steht vermerkt: ANNO AETATIS SUE 19. und in Nackenhöhe 1532. Diese Angaben im Gemälde weisen den Weg zur Identifizierung.

Hält man ihn für einen Studenten, liegt es nahe, die Matrikel der damals jungen, aber schon angesehenen Universität der Stadt Wittenberg durchzusehen. Doch dort ist um 1530/32 kein Name verzeichnet, der später von sich reden gemacht hat. Eine gewisse Bedeutung aber muß dieser junge Mann von 1532 bereits gehabt haben, sonst hätte sich der angesehene Lucas Cranach nicht mit ihm befaßt. Nach seiner Garderobe zu urteilen, strebte er in die Gelehrtenwelt.

Zieht man von 1532 die links oben im Portrait angegebenen 19 Jahre ab, ergibt sich der Geburtsjahrjahrgang 1513. Für diesen sind merkwürdig wenige Personen der Gelehrtenwelt dieses Jahrgangs bekannt geworden. Dafür taucht ein Name auf, der nachdenklich macht: Hans Cranach. Sollte Lucas Cranach seinen ältesten Sohn porträtiert haben? Von Hans Holbein d. Ä. existiert heute noch ein reizvolles Portrait seiner beiden Söhne Hans und Ambrosius (Städtische Kunstsammlungen im Schätzlerpalais, Augsburg); von Cranach war jedoch bisher kein Bildnis eines Familienangehörigen bekannt, nicht einmal ein Bild seiner Frau Barbara Brengbier.

Werner Schade hat dem Söhnen des Künstlers in seinem Werk ´Die Malerfamilie Cranach´ ein eigenes Kapitel gewidmet. Darin sind die wenigen Angaben über das Leben des Sohn Hans zusammengefaßt. Er wurde ca. 1513 geboren und um 1527/29 als Lehrling im väterlichen Betrieb eingestellt. Doch gibt es nur zwei Gemälde von seiner Hand (sowie Dubletten davon), bei denen man mit Sicherheit sagen kann, daß sie von Hans Cranach stammen. Sie unterscheiden sich stilistisch von Arbeiten des Seniors nicht, was die Zuschreibung weiterer Werkstattarbeiten an ihn erschwert hat.

Hans Cranach hat jedoch in der Malerei offenbar keine Berufung empfunden, denn er konnte beim Vater durchsetzen, daß er das Grundstudium in Wittenberg absolvierte und 1537 zur Jura-Spitzenuniversität in diesem Fach, Bologna, aufbrechen durfte, nachdem er 1536 noch zusammen mit seinem Bruder Lucas am kursächsischen Schloß in Torgau Vergoldungsarbeiten ausführte.


05.04 Cranach-H-NEBHans Cranach(?), Vorsatzblatt des
Reiseskizzenbuchs von Hans Cranach,
1536/37, Hannover, Niedersächsiches
Landesmuseum, Detail
Als er 1537 die Reise nach Süden antrat, legte er ein Reiseskizzenbuch an, das in Hannover aufbewahrt wird. Es enthält wohl einige Arbeiten von Hans Cranach, die aber recht durchschnittlich ausgefallen sind. »Das Zeichenbuch gibt den besten Einblick in die Persönlichkeit Hans Cranachs. Es enthält Sinnsprüche, flüchtige Zeichnungen. Form- und Strichproben ohne erkennbare Regel. Ein Bruchstück der Reise nach Italien ist in Tagesabschnitten notiert… Der eindrucksvollen Lage des Jagdschlosses Sigmundsburg bei Fernstein ist ausnahmsweise eine ganze Seite gewidmet, im Grunde die einzige zum Abschluß gebrachte Landschaftsaufnahme des Bandes« (W. Schade S. 78).


Hans Cranach erreichte zwar Bologna, verstarb dort aber schon im Oktober aus ungeklärter Ursache. Am 1. Dezember machte Martin Luther einen offiziellen Beileidsbesuch bei dem vielbeschäftigten Vater von Hans. Mit diesem war der Poet und Theologe Hans Stigel (1515 ─ 1562), ein Melanchthon-Schüler, befreundet und schrieb einen verherrlichenden Nachruf auf ihn. Stigel selbst trat u.a. mit antirömischen Epigrammen hervor.

Ob Kopie oder Original ─ für eine Identifikation entscheidend ist, um welche Person es sich bei dem Dargestellten handelt. Dazu wurde hier eine begründete These aufgestellt.

Postskriptum
Wie vom verwaltenden Museum in Dessau zu hören war, ist der Stand der Forschung noch der im Katalog von 1996. Danach wird das Portrait als Cranach-Schule eingestuft, ausgelöst durch die Zweifel Schades im Katalog der Dresdner Dürer-Ausstellung. »Weitergehend noch als Schade möchten die Autoren des Baseler Ausstellungskatalogs von 1974 das Portrait lediglich als Kopie eines Cranach-Gemäldes einstufen« (Katalog Dessau Nr. 14). Das Museum kommt zu dem Schluß, »daß es sich bei dem Bildnis tatsächlich um eine Kopie oder spätere Nachempfindung eines Cranach-Portraits handelt. Diese könnte möglicherweise erst im späten 18.Jahrhundert im Zusammenhang mit der Einrichtung des Gotischen Hauses in Wörlitz gemalt worden sein«.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2021

Literatur
Anhaltinische Gemäldegalerie Dessau. Die Deutschen Gemälde des 16. und 17. Jahrhunderts.
Bd. 1. Weimar 1996
Werner Schade: Die Malerfamilie Cranach. Dresden 1974

Bildnachweis
lucascranach.org/index.php/lucas-cranach (8.1.2021)
Hans Cranach(?), Vorsatzblatt des Reiseskizzenbuchs von Hans Cranach, 1536/37, Hannover, Niedersächsiches Landesmuseum, Detail
 
siehe auch: CRANACH · 40 Portrraits aufgeklärt S. 68