Erstveröffentlichung

Hans Wertinger zugeschrieben
Ludwig X. von Bayern-Landshut

74.01-Ludwig 240Seit 1935 verfügt die Sammlung Thyssen-Bornemisza, damals noch in Schloß Rohoncz, über das Portrait eines energischen jungen Mannes, datiert 1525, gemalt von Hans Wertinger (1465/70─1533), der seit 1515 am Hof Ludwig X. arbeitete. Heute ist das Gemälde im Museo Nacional d’Art de Catalunya deponiert (Öl auf Leinwand, 39 x 34,5 cm. Inv. Nr. 433 bzw. 212833-000).

Zunächst war die Identität des Porträtierten strittig. Ernst Buchner plädierte 1929 in einem Schreiben an die Villa Favorita für die Person des Herzogs Wilhelm IV. von Bayern-München. Anzunehmen ist, daß Buchner von der Ähnlichkeit mit einem nachweislichen Wertinger-Portrait in der Alten Pinakothek (Nr. 17) in München ausging, das Wilhelm IV. darstellt. Das W unter der gemalten Krone mag ihn dazu veranlaßt haben. Doch diese Festlegung wurde nicht nachvollzogen, da bekanntlich der regierende Herzog 1493 geboren ist; aus der im Halbkreis über dem Kopf befindlichen Inschrift geht aber mit Bestimmtheit hervor, daß der Abgebildete im Jahr 1495 geboren wurde (DO · ICH · BAS · XXX · IAR · ALT · HET · ICH · DV · GESTALT · 1525). Sonderbarerweise stagnierten seither weitere Ermittlungen, obwohl die Lösung so einfach wie nur denkbar ist: Es ist der etwas jüngere Bruder abgebildet. Der Dargestellte ist Herzog Ludwig X. von Bayern-Landshut, denn sein Geburtsjahr ist 1495. Insofern überrascht auch die Familienähnlichkeit der Physiognomie mit Wilhelm IV. nicht.

Wer war dieser Mann? Als Zweitgeborener wurde er von seinem Vater, Herzog Albrecht IV., wie damals so oft, für den geistlichen Stand vorgesehen und schon mit jungen Jahren zum Dompropst von Freising bestimmt. Doch gegen diese Festlegung stemmte sich der junge Mann sehr bald. Der Vater fand ihn damit ab, daß er Ludwig zum Grafen von Vohburg machte. Doch die Ambitionen des jungen Mannes gingen weiter. Als Albrecht IV. 1508 starb und Wilhelm, der ältere der Brüder, die Herrschaft in Bayern übernahm, arbeitete Ludwig darauf hin, an der Macht beteiligt zu werden. Die Differenzen zwischen den Brüdern drohten, militärisch ausgetragen zu werden, und beschäftigten bereits Kaiser Maximilian, als 1514 Wilhelm überraschend einer Mitregierung seines jüngeren Bruders zustimmte. Wilhelm zog sich auf München und Burghausen zurück; Ludwig wurden Landshut und Straubing zugesprochen. Auf der stattlichen Burg Trausnitz in Landshut regierte Ludwig ab 1516 und baute sie zu einer modernen Residenz aus. In diesem Jahr ließ er sich erstmals von Wertinger, etwas steif und statisch, porträtieren. Das Portrait hängt im originalen Renaissancerahmen im Bayerischen Nationalmuseum (R 79. Öl auf Holz, 71,7 x 57 cm). Die brüderliche Zusammenarbeit funktionierte über die Jahre besser, als allgemein gedacht. Allerdings war Ludwig der aktivere und weitsichtigere der beiden.

74.01-NEB 240Hans Wertinger: Ludwig X.
Bayerisches Nationalmuseum
Er war allem Neuen gegenüber aufgeschlossen. So beschäftigte er den Bildhauer Hans Leinberger, machte den 1493 zugezogenen Hans Wertinger 1518 zum Hofmaler und engagierte später auch italienische Kunsthandwerker. Er umgab sich mit Humanisten und ließ die protestantischen Drucker gewähren, die eifrig Luthers Schriften verbreiteten. Diese Entwicklung mißfiel Kaiser Karl V., dem es 1522 gelang, beide Brüder in sein Lager hinüberzuziehen. Seither bekam in Bayern die altkirchliche Lehre wieder die Oberhand. Obwohl Ludwig Luthers Reformen als Neuerung guthieß, sah er bald voraus, daß die neue Lehre eine Bedrohung für die deutschen Fürsten sein würde. In der Phase der Bauernaufstände um 1525 zog Ludwig gegen die Bauernhaufen am Lech zu Felde. Da er sich aber auf seine eigenen Mannschaften nicht verlassen konnte, mußte er »in einen glimpflichen Waffenstillstand einwilligen« (von Heigel). »Bey dieser Stadt [Landshut] brachte auch Kayser Carl der V. im Schmalcaldischen Kriege im Jahre 1546 seine Völker zusammen« (Zedler Bd. 16, Sp. 149).


Neue Spannungen mit dem Kaiserhaus kamen auf, als eine Gruppe böhmischer Adliger Ludwig ermunterte, sich um die freigewordene böhmische Krone zu bewerben. Damit trat er gegen den schließlich erfolgreichen Kandidaten Ferdinand an, den Bruder des Kaisers Karl V. Die Reaktion der herzoglichen Brüder war daraufhin eine Unterstützung des ungarischen Gegenkönig Jan Zápolya, den Gegenspieler Ferdinands (s. Beitrag Cranach, Zápolya). 1531 verlor Ludwig erneut eine Wahl: die zum Deutschen König. Auch hier setzten sich die Habsburger mit Ferdinand durch.

Welches wohl der Anlaß für sein Portrait-Auftrag war, ob politischer oder privater, geht leider aus keinerlei Akten hervor. So ist wegen des zierlichen Formats durchaus denkbar, daß es als Brautwerbebild gedacht war ─ damals ein sehr häufiger Anlaß zum Porträtieren. Die weiße Feder am Barett spricht für diese Annahme. Wenn es sich so verhielt, scheint auch diese Planung gescheitert zu sein. Von einer Heirat Ludwigs ist nichts bekannt geworden.

Die Nationalgalerie in Prag verfügt über ein großes Gemälde von Wertinger mit dem Titel Der kranke Alexander der Große und sein Arzt Philipp (1517. Öl auf Holz, 108,5 x 125,5 cm. Inv. Nr. 0 492). Darin ist ein Hofstaat um den bettlägerigen Herrscher versammelt. Vorn in der Mitte dieser ´Bühne´ steht, nur rückseitig zu sehen, Ludwig X. mit seinem charakteristischen Profil in edler grüner Garderobe mit flottem Barett.

Bei einem Verwandtenbesuch in Mantua bei Markgraf Federico II. Gonzaga (Margarete von Bayern hatte den Großvater Federico I. Gonzaga geheiratet) lernte Ludwig die neueste italienische Architektur kennen: den Palazzo Tè, erbaut vom Architekten Giulio Romano (1499─1546; s. Beitrag Cariani, Giulio Romano) vor den Toren von Mantua. Dieser Bau spornte ihn an, in Landshut etwas Entsprechendes zu errichten. 1536 bis 1543 baute er sich in Landshuts Altstadt einen Stadtpalast mit Renaissance-Innenhof und antikisierender Ausmalung – den ersten seiner Art nördlich der Alpen. Desgleichen schuf er das erste Planetarium im Norden. Tätig waren für ihn der Augsburger Baumeister Niclas Überreiter und der Steinmetz Bernhard Zwitzel sowie italienische Handwerker für die Innenausstattung. Sie errichteten den Deutschen Bau und hatten die Bauleitung der italienisierenden Bauten. Karl Theodor von Heigel schrieb zutreffend: »Er war ein prachtliebender und kunstsinniger Fürst«.

Doch Herzog Ludwig erkrankte schwer und starb nach langer Krankheit am 22.4.1545 in Landshut. Im Kloster Seligenthal, damals vor den Toren Landshuts, wurde ihm ein Grabdenkmal errichtet. Auf Ludwigs Gedenkmünze prangt der Wahlspruch: FLOREAT SEMPER BAVARIAE REGIO (Ewig blühe Bayerns Land). Daraus läßt sich schliessen, daß er auch Sinn für Bildung hatte, da er das Motto lateinisch abfassen ließ. Sein Bruder Wilhelm gliederte das Herzogtum Bayern-Landshut-Straubing wieder in sein Territorium ein, denn legitime Kinder hatte Ludwig nicht, nur eine uneheliche Tochter, die den Humanisten Johann Albrecht Widmannstetter (1506─1556) heiratete, den Begründer der abendländischen Orientalistik.

Das Portrait des forschen Herzog Ludwig zeigt seine willensstarke Physiognomie. In die Mitte setzte er seine Herzogskrone. Daß darunter ein W auftaucht, hat Buchner wohl auf die falsche Fährte geführt. Sollte es die Signatur von Wertinger sein, wäre auch das an der Stelle ungewöhnlich. Daß dem W ein V unterlegt ist, konnte bisher nicht aufgeschlüsselt werden. Den Wahlspruch der Münze enthält das Bild nicht, jedoch in der linken und rechten oberen Ecke gerollte Schriftbänder mit dem Motto: links Wils so und rechts Wills. Die zupackende Intelligenz war offenbar Ludwigs hervorstechendes Merkmal. Sein Willen bahnte ihm den Weg zum Mitregenten; das Amt führte er, wie erhaltene Briefwechsel mit seinem Bruder zeigen, gewissenhaft und loyal aus. Dennoch blieb er im Schatten seines Bruders in der Münchner Residenz und dessen Kanzler Leonhard von Eck (1480─1550). Dies wirkte sich noch bis in die Identifikationsgeschichte aus.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2020

Literatur
Hans Buchheit: Landshuter Tafelgemälde des XV. Jahrhunderts und der Landshuter Maler Hans Wertinger, genannt Schwabmaler. Leipzig 1907 S. 76
Gloria Ehret: Hans Wertinger: München 1976
Karl Theodor von Heigel. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Berlin. Bd. 19 Berlin 1884
Old Masters. Thyssen-Bornemisza Museum. Barcelona/Madrid 1992 S. 288

Bildnachweise
museunacional.cat/en/colleccio/portrait-man-30/hans-wertinger/212833-000 (14.4.2020)
Angelica Dülberg: Privatporträts. Berlin 1990 Abb. 704