Erstveröffentlichung

Bartholomäus Bruyn d. Ä.
Gottschalk Frechen

12.08-BruyndÄ-H.F 240Das Herzog-Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig (Nr.14 und 15) verwahrt auf Grund einer Stiftung von 1886 ein recht jugendliches Paar (jeweils Öl auf Holz, 38 x 26,5cm, oben gerundet, jeweils 1539 datiert), das von Hildegard Westhoff-Krummacher (Nr. 38 und 39) auf einer Doppelseite formatlich hervorgehoben wird. Bruyns Tätigkeit erstreckte sich über rd. drei Jahrzehnte. Dieses Bild gehört zu den wenigen Portraits, die in dem an Bildnissen umfangreichen Œuvre von Bartholomäus Bruyn d. Ä. auf Holbein d. J. Bezug nehmen und zwar auf das Portrait von Hermann Hillebrandt Wedigh (Öl auf Holz, 39 x 30 cm. 1533. Gemäldegalerie, Berlin Nr. 586 B). Daran fällt sofort auf, daß der Bildaufbau unter dem Einfluß von Hans Holbein d.J. erfolgte. H. Westhoff-Krummacher (S. 125) hat schon 1965 darauf hingewiesen; K. Petter-Wahnschaffe (S. 200f) erneut 2011. Der Kontakt mit Holbein-Portraits kam vermutlich zustande, weil in London ansässige Kölner Kaufleute sich von Holbein porträtieren liessen.

Mann und Frau stützen sich auf einer gemalten Brüstung ab. Der Oberkörper des Mannes füllt die Bildfläche bis zum Rand; die Frau dagegen erscheint kleiner, da ihr Körper nach allen Seiten mehr Raum im Bild hat. Sie trägt die damalige aufwändige Kölner Mode mit dem breiten verzierten Gürtel, die bei der Fülle der Portraits uniform wirkt. Jeder von beiden trägt einen Ring. Der Mann hält mit der Linken Handschuhe; die Frau in der rechten Hand eine ausgefallene Blüte (vermutet wurde ein Eryngium/Männertreu). Beide sind sehr jung: er 23, sie 19 Jahre alt und stammen offenbar aus vermögendem bzw. gutsituierten Familien. Die Altersangaben sind in der Inschrift jeweils auf Augenhöhe abzulesen.

Das Geburtsjahr von Frauen wurde Anfang des 16. Jahrhunderts noch allenfalls bei Prinzessinnen festgehalten. So ist eine Identifizierung nur über den Jahrgang des Mannes, 1516, einzuleiten. An dieser Stelle ist daher ein Einschub angebracht, der zum Verständnis und zur Identifizierung von Bruyn-Portraits sinnvoll ist.

Bartholomäus Bruyn (1493─1555) arbeitete für Kirchen und Klöster; der Schwerpunkt seines Werks liegt aber auf den Portraits. Im Verzeichnis seiner Bildnisse von Westhoff-Krummacher werden allein 118 erhaltene Portraits erwähnt. Seit Erscheinen des Verzeichnis 1965 sind noch etliche, nicht erfaßte Portraits aufgetaucht. Von den 118 Portraits sind von 43 Bildern die Namen (allerdings manchmal nur die Familiennamen) bekannt. Demnach sind 57% der Bruyn-Portraits namenlos. Sie allmählich zu identifizieren, stellt für die Kunsthistoriker eine enorme Herausforderung dar.

Dabei scheint auf den ersten Blick die Aufgabe dadurch erleichtert, daß Bruyn bei der Mehrzahl der Personen in einer Inschrift das Alter angibt. Zur Geschichte der Stadt Köln hat Leonard Ennen seinerzeit (1869) ein umfangreiches, mehrbändiges Werk vorgelegt, das über ein detailliertes Namenverzeichnis verfügt. Er verzichtete aber ─ wohl weil die Aktenlage des Stadtarchivs Köln das nicht hergab ─ auf die Lebensdaten der genannten Erwähnten. Da die Auftraggeber im begüterten Bürgertum zu suchen sind und weniger unter Adligen, wirkte sich das Fehlen von Geburtsregistern blockierend aus.

Eine Besserung der Situation trat ein, als die umfangreiche Promotionsarbeit von Elisabeth M. Kloosterhuis erschien, welche sich mit den Erasmianern im Raum Köln beschäftigte (vgl. Essay: Die Portraits des Bartholomäus Bruyn). Unter diesen Begriff fallen die, welche im Geist des Erasmus von Rotterdam (1466/69─1536) eine moderate Kirchenreform unterstützten und sich damit von Lutheranern und Wiedertäufer abhoben. Der Erasmus-Biograph, Friedrich Heer, hat sich über die Zeit der konfessionellen Polarisierung in seinem Werk Die dritte Kraft wie folgt geäußert: »1528 ist in Basel der Ciceronianus erschienen, gewidmet einem deutschen religiösen Humanisten, Johann von Klatten, Erzieher im Dienste des Herzogs von Kleve. Der Streit um ´Cicero´, um eine fetischistische Verehrung des Ciceronianischen ´reinen Lateins´, war uralt… Erasmus aber geht es um mehr und um Tieferes. Er packt den Stier bei den Hörnern, weil er klar die Gefahr für die Freiheit des Geistes und die Erneuerung des Glaubens durch die Fehlentwicklung des römischen und italienischen Humanismus sieht. Italien kommt, wie Erasmus überzeugt ist, die Aufgabe zu, die Kirche zu reformieren… Der italienische Humanismus weigert sich aber, diese Sendung auf sich zu nehmen, flieht in ästhetische Randprobleme und reagiert sein schlechtes Gewissen durch gereizte und hochmütige Invektiven gegen die deutschen und nordischen ´Barbaren´ um Erasmus und Luther ab« (Heer S. 72).

In ihrem Werk gibt Kloosterhuis eine Übersicht der an Erasmus orientierten Akteure mit knappem Lebensabriß, die in unterschiedlicher Weise dazu einen Beitrag leisteten. Hier überwiegen Funktionsträger, vor allem Juristen und Verwaltungsbeamte (z. B. des Herzogs von Jülich-Kleve-Berg).

Während die fast schematische Bildauffassung der weiblich-strengen Bruyn-Portraits eher den Anschein einer Zugehörigkeit zur altkatholischen Partei erweckt, bestätigte sich dies nicht. Jedenfalls konnten auf Grund dieser Daten etliche zu den namenlosen Portraits passende Personen ermittelt werden, mehr als aus dem Kreis der mit Erasmus korrespondierenden Humanisten (erfaßt in dem Lexikon Contemporaries of Erasmus).

Doch zurück zu dem Portrait des jungen, 1516 geborenen Mannes. Fünf Personen aus dem Kreis der Erasmianer kamen in Betracht; den ´Zuschlag´ bekam Gottschalk Frechen aus folgenden Gründen:

- Er heiratete die Tochter des Bürgermeister Heinrich Kannengießer. Da ohnehin mehrere Bürgermeister sich von Bruyn porträtieren liessen, ist dieser Umstand von Belang. Bei einem Teil der anderen Personen bei Bruyn wurde eine Heirat nicht erwähnt.
Das Portrait der Bürgermeisterstochter ähnelt bis hin zur Nelke dem Portrait der Bürgermeisterstochter Bellinghausen (s. Beitrag Bruyn, Omphalius).
Auch Westhoff-Krummacher (S. 141) war die »stilistische Verwandtschaft« der beiden Frauenportraits aufgefallen. Bellinghausen wird aber später datiert (1539).

- Man weiß zwar bisher nicht das Geburtsjahr von Frechen, wohl aber seine Immatrikulation: 1532. Da in der Regel die meisten mit 16 Jahren ihr Studium aufnahmen, hat Frechen mit 1516 als Geburtsjahr offenbar den passenden Jahrgang.

Weitere stützende Hinweise ergeben sich aus den Vorgängen, die aus Frechens Leben aktenkundig sind, dessen Familie wahrscheinlich aus der Stadt Frechen stammte. Frechen wurde 1532 in die Laurentinaburse in Köln aufgenommen bzw. immatrikuliert und machte schon 1534 seinen Magister. Sein Jurastudium setzte er fort und promovierte zum Dr. juris civilis. Wie aus den beiden Portraits zu entnehmen ist, verlobte er sich mit Katharina Kannengießer und heiratete 1539. Aller Wahrscheinlichkeit ließ er sich als Anwalt nieder, übernahm aber auch Fälle für den Rat der Stadt ─ bei der Herkunft seiner Frau und deren Kontakten naheliegend. Die Stadt Köln ließ sich auch 1540/41 auf dem Reichstag zu Worms durch Frechen vertreten.

Seine Qualifikation strahlte offenbar über den Raum Köln hinaus aus, denn Herzog Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg (1516─1592) zog ihn als Berater und Advokaten heran. Frechen wurde u.a. nach Worms zum Reichstag gesandt, »um wegen der Religionssachen mit den anderen Städten sich zu besprechen« (Ennen S. 400). Er blieb aber in Köln wohnen, weil er Belange des Herzogs am Ort mit dem Rat der Stadt bearbeitete bzw. klärte. Im Jahr 1581, zehn Jahre nach seinem Schwiegervater, starb Frechen in Köln.

Literatur
Leonard Ennen : Geschichte der Stadt Köln. Bd. III, IV. Köln/Neuss 1869 Friedrich Heer: Die dritte Kraft. Frankfurt/Main 1959
Elisabeth Kloosterhuis: Erasmusjünger als politische Reformer : Humanismusideal und Herrschaftspraxis am Niederrhein im 16. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2006
Katrin Petter-Wahnschaffe: Hans Holbein und der Stalhof in London. München 2011 S. 200ff
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn der Ältere als Bildnismaler. Berlin 1965

Bildnachweis
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn der Ältere als Bildnismaler. Berlin 1965 S. 126, 127