Erstveröffentlichung

Bartholomäus Bruyn d. Ä.
Thomas Graf Rheineck


12.17-Bruyn-dÄ-Rheinek 240Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg (Gm 46) hat das Bildnis eines 61jährigen Mannes von Bartholomäus Bruyn d. Ä. (Öl auf Eiche, 24,9 x 18 cm, 1533 datiert) 1899 aus Münchner Privatbesitz erworben. Im Verzeichnis der Bruyn-Portraits von Westhoff-Krummacher hat es die Nr. 27. Es ging die Vermutung, das Bild zeige einen Kölner Kaufmann. Die Suche nach einer solchen Person unterblieb aber; man beließ die Angelegenheit so bis heute.

In der Tat bleibt das Halbportrait eines gesetzten, leicht fülligen Mannes mit schmalem, zweifarbigem Pelzkragen schwer bestimmbar. Er hält in der linken Hand vier Perlen eines Rosenkranzes. Damit wird kein Beruf angedeutet, es sei denn, der ältere Mann gehörte einem Domkapitel an. Doch trägt er kein klerikales Gewand, zeigt aber eine gewisse Wohlhabenheit.

Die einzige Chance, das Geheimnis der Person zu lüften, besteht in einer, für Bruyn nicht ganz typischen Schriftzeile am oberen Bildrand. Hier steht zu lesen: links A° 1533, rechts AETATIS · 61. Rechnet man von der Datierung 61 Jahre zurück, ergibt sich ein Geburtsjahr von 1472. Personen dieser frühen Zeit mit gesichertem Geburtsjahr zu finden, ist schwierig.

Zu dem Sachverhalt der Zeile hat sich das Museum im Katalog von 1997 (S. 97) geäußert: »Die Ziffern und Buchstaben der Inschrift sind auffallend groß, beinträchtigen den Bildeindruck und entsprechen nicht dem üblichen Duktus Bruynscher Inschriften, doch läßt sich technologisch keine spätere Anbringung nachweisen«. Nicht erwogen wurde bisher die Annahme, daß das Bild vielleicht zu einer Portraitsammlung gehörte, wie sie z. B. Universitäten von ihren Professoren anlegten, und die Beschriftung nicht von Bruyn sondern von der Institution nach Übereignung veranlaßt wurde. Diese geringe zeitliche Distanz läßt sich technologisch leider nicht nachweisen.

Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt (s. Beitrag Die Portraits von Bartholomäus Bruyn), blieb Bruyn als Porträtist ortsfest; seine Klientel im Erzbistum Köln reichte ihm aus. Insofern kommt auch ein Kandidat infrage, der erst in diese Landschaft übersiedelte. Nach längerer Suche fand sich jemand aus dem Raum Würzburg mit dem richtigen Jahrgang: 1472, Thomas Graf Rheineck. Seine Eltern, Philipp II. von Rheineck und Anna von Wertheim waren schon im Kindesalter ihres Sohnes Thomas bemüht, ihm eine Pfründe als spätere Versorgung zu beschaffen. Auf ihr Betreiben hin wurde Thomas im Alter von fünf Jahren vom Kölner Domkeppler Moritz von Spiegelberg für das Domkapitel nominiert. Er bekam die Präbende des verstorbenen Johann von Reichenstein.

Thomas Graf Rheineck trat sein Studium in Leipzig an, das er ab 1482 in Köln und ab 1485 in Erfurt fortsetzte. Schon mit 15 Jahren wurde Thomas ehrenhalber Rektor der Universität Köln. Mit seinem Studium konnte er sich offenbar Zeit lassen, denn er hielt sich auch eine Weile in Italien auf und freundete sich mit dem bekannten Humanisten Willibald Pirckheimer (1470─1530) an, den Albrecht Dürer porträtierte. Vergleicht man die Portraits, kann fast von einer Typähnlichkeit gesprochen werden.

1491 wurde Thomas von Rheineck offiziell Mitglied des Domkapitels; im Laufe der Zeit gehörte er aber auch den Domkapiteln von Straßburg, Mainz und Würzburg an. Ein typischer Fall von Ämterhäufung, die zur Zeit der Reformation mit zu den Gründen für eine Umwälzung der bestehenden Verhältnisse gehörte. An St. Gereon in Köln wurde er Dekan.

Thomas von Rheineck hat sich aber eher als Politiker qualifiziert; lt. Kloosterhuis (S. 652) verfügte er über »ausgezeichnete reichspolitische Kontakte«. So reiste er an der Spitze einer Gesandtschaft für Albrecht von Brandenburg (1490─1545) nach Rom, um für den angehenden Kardinal das Pallium, den erzbischöflichen Mantel, zu holen. Dieser Kurfürst und Erzbischof von Mainz ist gleichfalls für seine Ämterhäufung bekannt geworden. Als Humanist erkannte er die Notwendigkeit von Reformen, ergriff aber trotz seiner herausragenden Stellung als Kanzler des Reichs nicht die Initiative dazu.

Hier zeigt sich eine interessante Parallele der beiden Persönlichkeiten. Thomas von Rheineck setzte sich für den Erhalt des Katholizismus ein, war aber gegen die Notwendigkeit von Reformen nicht blind. In Köln gehörte er zu den engen Vertrauten des Grafen Hermann von Neuenahr aus dem Stab des Kölner Erzbischofs Hermann von Wied (1477─1552). Beide zählten zum altgläubigen Flügel. Wenn sich jemand 16 Jahre nach Luthers Thesenanschlag betont mit einem Rosenkranz porträtieren ließ, war dies ein deutliches Bekenntnis zur alten Kirche. Thomas Graf Rheineck starb im Jahr 1547.

Literatur
Elisabeth M. Kloosterhuis: Erasmusjünger als politische Reformer: Humanismusideal und Herrschaftspraxis am Niederrhein im 16. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2006
Kurt Löcher (Hg.): Die Gemälde des 16.Jahrhunderts. Stuttgart 1997 S. 97
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn d. Ä. als Bildnismaler. München 1965

Bildnachweis
Kurt Löcher (Hg.): Die Gemälde des 16.Jahrhunderts. Stuttgart 1997 S. 97

Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn d. Ä. als Bildnismaler. München 1965 S. 119 Nr. 27