Mikuláš Medek: Pan Enterprise

medek Pan Enterprise-240Mikulás Medek: Pan Enterprise
Soukr. Sbirka
Das Jahr 1968 gilt allgemein als Ursprung der Studentenunruhen und als Beginn einer gesellschaftlichen Neuorientierung in Europa. In diesem Jahr wurde Mikuláš Medek 40 Jahre und befand sich auf der Höhe seines Schaffens. Damals entstand das Gemälde Pan Enterprise/Herr Enterprise (Öl/Email auf Lw. 162 x 120 cm) eines seiner Hauptwerke. Ungewöhnlich für Medek sind daran der amerikanische Titel und die geheimnisvolle Verschlüsselung seiner bildlichen Botschaft.


Schon durch den fremdsprachigen Titel des Bildes gibt Medek hier zu erkennen, daß er kein staatstragendes Werk beabsichtigte. Seine Heimat, die Tschechoslowakei gehörte zum sog. Ostblock, der bekanntlich ideologisch konträr zu den USA ausgerichtet war. Sein Bildaufbau ist klar, und aus realen Elementen geformt, die als Ganzes jedoch keinen unmittelbar ablesbaren Sinn ergeben, der mit dem Bildtitel in Verbindung zu bringen wäre. Der Betrachter empfindet das Gemälde als hermetisch. Versteckte Bildaussagen waren jedoch in der ČSSR verpönt. Offiziell gewünscht waren Motive, welche die gesellschaftlichen Verhältnisse veredeln sollten.

Doch gerade durch seinen bezwingenden Aufbau fordert das Bild den Betrachter heraus, die Thematik zu ergründen. Abgegrenzte Flächen in Blau und Rot vor tiefschwarzem Hintergrund wirken eindringlich, fast plakativ. Zugleich treten im Mittelfeld äußerst sensible Partien auf, gestaltet durch das Verfahren der Décalcomanie. Deutlich hebt sich vom Schwarz eine Konstruktion ab, die fast die ganze Breite des Bildes einnimmt und von ferne an einen mittelalterlichen Schrein denken läßt, fielen da nicht die zwei, Bullaugen assoziierenden kreisrunden Formen auf. Von ihnen gehen spitze Formen aus, die an Schnäbel erinnern. Eine Anspielung auf ein Uhrwerk, wie in Rote Signale von 1968, liegt jedoch hier nicht vor. Eigentümlich ist auch die obere Begrenzung des ´Schreins´ durch eine doppelte Bogenreihe, als ob dabei auf die Laubengänge in Prag angespielt würde.
Der Schrein wird überwölbt von einer Halbkugel, innerhalb der 8 Pendel oder Sonden um einen Mittelpunkt zirkulieren; statt der Ziffern eines Uhrblatts sind es jedoch wiederum Kreisformen, die zu Schnäbeln ausufern. Neben der Halbkugel erscheint rechts oben eine der ´entwickelten´ Papierrollen, wie sie Medek seit 1967 immer wieder in seinen Turmkonstruktionen aufscheinen läßt. »Dieser steht für die wissenschaftliche und technische Realität von heute, die den Menschen bedrohen« (Bohumír Mráz 1970). Das nach rechts geöffnete Blatt, das auch wie eine Architekturpause aussieht, wird rechts von einer roten Kugel getroffen.
Insgesamt treten im Bild vier rote Kugeln ─ in trompe-l’œil-Manier und verschattet ─ im Gemälde auf, drei davon erheblich größer; eine im linken ´Bullauge´, zwei am unteren Bildrand. Naheliegend ist die Bedeutung explosiven Materials, welche demnach eine Bedrohung darstellt, die aber noch nicht ausgelöst wurde. Am Schrein hängen 7 schmale Balken in verschatteten Blau, nach hintern gestaffelt, von denen nur das mittlere vergrößert und zum Uhrpendel erweitert wurde. Dieses ragt als einzige bis an den unteren Bildrand, der in einem etwas helleren verschatteten Blau gestaltet wurde.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2020