Erstveröffentlichung

Georg Pencz
Baltasar Derrer

058.05 Pencz-Derrer 240Von nobler Zurückhaltung zeugt diese edle Erscheinung eines bärtigen Mannes mit blondem Pagenkopf, der 1543 von Georg Pencz (ca. 1500─1550) gemalt wurde (Öl auf Pappel 52 x 42 cm bzw. 48,6 x 39,7 cm. Dyballa B 7). Sie hängt im Kunsthistorischen Museum, Wien, als Nr. 874.

Es verwundert nicht, daß bisher nicht versucht wurde, dieses deutlich an seinem Meister Albrecht Dürer orientierte Portrait zu identifizieren. Anknüpfungspunkte fehlen gänzlich. Der Mann ist elegant gekleidet mit rotem Wams (vielleicht ein Jurist?), weißem plissiertem Hemd und schwarzem Überrock, der mit einem schmalen Pelz abgesetzt ist. Da Pencz hier auf ein cartiglio mit Hinweisen verzichtet hat, besteht nur die Möglichkeit, das Alter der Person zu schätzen. Wenn man die Person mit Anfang 30 einstuft, gelangt man auf einen Geburtsjahrgang um 1510.

58.05 Derrer-NEBValentin Maler:
Bildnismedaille von Baltasar Derrer
Da dieses Resultat noch sehr unscharf ist, wurde nach einem Vergleichsbild gesucht; es stellte sich erst mit Verzögerung eine Bildnismedaille, gearbeitet von Valentin Maler (Habich Nr. 2420 Bd. II, 1 Tafel CCCLIII Nr. 10) von Baltasar Derrer/Dörrer heraus. Diese zeigt den um 16 Jahre älter gewordenen Baltasar Derrer mit altershalber schärferen Zügen dar. Sein Schnurrbart ist inzwischen geschweift, der Vollbart hat zugenommen. Der Haaransatz stimmt bei beiden Portraits überein. Derrer hat den aus Mähren stammenden und nach Nürnberg eingewanderten Medailleur 1569 mit einer Medaille beauftragt.

Baltasar Derrer selbst war 1509 als 10.Kind von Vladislaus II Derrer und Elisabeth Starck in Nürnberg geboren. Der Vorname des Vaters deutet auf seine Herkunft aus dem benachbarten Böhmen oder Ungarn; insofern lag die Auftragsvergabe an einen Landsmann nahe. Über seine Profession wird leider in den 058.05NebJohann Friedrich Leonhart:
Baltasar Derrer. Radierung 1633
erhaltenen Urkunden nichts ausgesagt. Wahrscheinlich war der Vater als Handelsherr nach Nürnberg gekommen und so vermögend geworden, daß er seinen nachgeborenen Sohn Jura studieren lassen konnte. Offenbar arbeitete der Vater im Venedig-Handel, denn in dieser Stadt heiratete er die Deutsche Sibylla Hermann, welche aus Wimpfen stammte. Sie zogen nach Nürnberg, wo der Sohn schnell Karriere machte.


Erstaunlicherweise konnte Baltasar Derrer schon nach zwei Jahren Genannter des Größeren Rats werden. Außerdem bekleidete er das Schöffenamt am Land- und Bauerngericht sowie später auch am Stadtgericht. 1536 setzte man ihn als jüngeren Bürgermeister ein, 1537 als Waldherr, 1539 als Baurichter, 1543 als Kriegsherr, 1548 als Steuer- und Proviantkontrolleur sowie 1550 als Viertelmeister am Milchmarkt und 1555 zum Pfleger in Mögeldorf.

Vergleichbar den venezianischen Funktionären mußten auch in Nürnberg die Vertreter der Stadt äußerst flexibel sein. 1558 rückte Derrer zum Alten Bürgermeister auf, wurde 1560 Landpfleger und Zinsmeister, 1565 setzte man ihn zum Administrator der geistlichen Güter ein, 1575 zum obersten Kriegsherrn und zum Hauptmann in der Kriegsstube. Als Sebastian Haller starb, folgte Derrer als erster Losunger und Schultheißenamtsverweser. Er wohnte in der Unteren Burg und starb 1586.

Erst 1669 wurde von Johann Friedrich Leonhart eine Radierung von Derrer angefertigt, die offenbar auf ein nicht mehr existierendes Portrait von ihm zurückgeht. Hier erkennt man seinen Pagenkopf, aber durch den inzwischen wallenden Vollbart ist die untere Hälfte des Gesichts unkenntlich. Darin wird er als Duumvir (Losunger) Primarius Reipubli. bezeichnet.

© Christoph Wilhelmi Stuttgart 2019

Literatur
Katrin Dyballa: Georg Pencz. Berlin 2014
Georg Habich: Die Deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts. München 1953 Bd. II. 1 S. 354

Bildnachweis
Katrin Dyballa: Georg Pencz. Berlin 2014 S. 172
Die Porträtsammlung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Reihe A Bd. 6 München u.a. 1988 Nr. A 5018