Erstveröffentlichung

Wolf Traut

Hester Fuggerin

87.01-Hester-Fuggerin 240Das kraftvolle Frauenportrait von Wolf Traut (1480/85─1520) hängt als Portrait of a woman (Öl auf Holz, 37,5 x 28,5 cm. 1510 datiert) im Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid, als Nr. 408. Es präsentiert eine ansehnliche junge Frau von 20-25 Jahren der gehobenen Klasse vor grünem, schattiertem Hintergrund. Sie trägt eine cremefarbene, süddeutsche Haube und ein dunkel-violettes Kleid mit schwarz eingefaßtem Spatenkragen. Ihren freien Hals ziert eine goldene Kette aus mittelgroßen Ringen. Im Anschnitt unten ist noch ein Teil ihrer rechten Hand zu sehen, um am Zeigefinger mehrfache Ringe vorzuzeigen zu können, vielleicht sogar einen der gelegentlich auftretenden Spiralringe. Von ihrer Haube ausgehend fällt über die linke Schulter der Dargestellten ein durchsichtiger Schal bis in die Armbeuge. Bisher gelang es nicht überzeugend, die Dargestellte zu identifizieren, zumal kein Seitenstück dazu bekannt ist. Frauenportraits der Zeit lassen sich aber in der Regel nur über den Mann identifizieren, da zwar die weiblichen Partner in Urkunden erwähnt wurden, aber selten ihr Geburtsjahr genannt wird oder Teile ihres Lebenslaufs.

Nun ist oben links in Gold neben einem G in einem Kreis eine Eule auf einem Ast angedeutet. Wegen des Anfangsbuchstabens wurde deswegen Katharina Geygerin aus Nürnberg vorgeschlagen. Das Museum übernimmt diesen Vorschlag zwar nicht, erwähnt ihn aber im Kontext. Geht man diesem Vorschlag nach, erweist er sich als aus der Luft gegriffen, denn Th. Hampe schreibt über Sebald Geiger: »Seine Witwe Katharina heiratet 1575 den Christoph Heber, Kammermeister«. Da die dargestellte Frau vermutlich um 1490 geboren ist, kommt eine Heirat 1575 überhaupt nicht infrage.

Auf der Suche nach einem Zusammenhang mit der Eule ließ sich weder ein Familienname mit G in Neubeckers Wappen-Lexikon noch in Rietstaps L’Amorial Général in Betracht ziehen. Daraufhin konzentrierte sich die Recherche auf das Entstehungsjahr 1510, das mit hoher Wahrscheinlichkeit als Heiratsdatum der Frau anzusehen ist. Bedauerlicherweise waren notierte Heiratsdaten damals ebenso selten wie Zeitangaben zur Geburt bei Frauen. Über das große Werk von Georg Habich zur Bildnismedaille in Süddeutschland jedoch bestand die Möglichkeit, zwei Frauen in Süddeutschland zu ermitteln, die im Jahr 1510 geheiratet haben. Von diesen beiden kommt mit erheblicher Wahrscheinlichkeit Hester Fuggerin (auch Esther Fugger vom Reh) infrage. Ihr Mann, Lucas Sitzinger d. Ä., bot den materiellen Hintergrund für ein solches Portrait ─ und ihre eigene Familie sowieso ─ bei dem Reichtum sichtbar wird, aber nicht überbetont wird.

Dabei erwies sich die Bildnismedaille von Lucas Sitzinger (dort ist die Schreibweise LVCAS SYCZIKGER) aus dem Jahr 1554, vermutlich sein Todesjahr, als günstig. Habich teilt zu Sitzinger mit, daß er wohl noch in Augsburg die Tochter von Hans und Veronika Fugger geheiratet hat, bevor er sich nach Nürnberg wandte. Die Fugger sind ein Augsburger Patriziergeschlecht. In Nürnberg wurde Sitzinger schon im Jahr 1514 Genannter des größeren Rats. Diese rasche Integrierung in die Oberschicht von Nürnberg gelang nur kapitalstarken Bürgern. Weiter weiß man von dem Kauf eines Hauses im Jahr 1518, eines Stadels 1524, den er von Jakob Fugger erwarb, und eines weiteren Hauses, das er Hans Decker abkaufte. Da Sitzinger sich nichts zuschulden kommen ließ, liegen auch keine weiteren Akten über ihn vor.

87.01-NEB 240Fugger-Ehrenbuch
Ende der 4. Linie: Fugger vom Reh
In Zedlers Universal-Lexicon wird Lucas Sitzinger nicht erwähnt, jedoch ein Ulrich Sitzinger, der 1525 geboren wurde. Er könnte der Sohn des genannten Ehepaars sein. Ulrich Sitzinger galt als ´berühmter Rechtsgelehrter´, der als Schüler ins Haus von Philipp Melanchthon aufgenommen wurde, dem wichtigsten Mitarbeiter von Martin Luther. Aus diesen Angaben läßt sich schliessen, daß das Ehepaar Sitzinger Wert auf Bildung und Wissenschaft legte, und so auch Hester Fuggerin als Mutter von Ulrich Sitzinger bereits in ihrer Jugend eine anspruchsvolle Ausbildung erhielt, so daß sie die Eule als Attribut der Göttin der Weisheit, Athene, in ihr Portrait aufnehmen ließ (vgl. Beitrag Baldung Grien, Vogler). Daß die Eule bei Baldung Grien von 1509 und das Portrait der Fuggerin von 1510 stammt, fällt auf, scheint aber bloßer Zufall zu sein, denn das Wappen ihres Familienzweigs war ein nach links springendes Reh auf blauem Grund.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2017

Literatur
Georg Habich: Die deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts. I, 1. München 1972 Nr. 1620
José Manuel Pita/Maria del Mar BorobiaGuerrero: Old Masters. Museo Thyssen-Bornemisza. Madrid 1992 S. 310

Bildnachweise
Georg Habich: Die Deutschen Schaumünzen . Bd. I,2 München 1931 Nr. 1620
Old Masters. Museo Thyssen-Bornemisza. Madrid 1992 S. 310
wikivisually/com/lang.de/wiki/Fugger (13.7.2017)