Erstveröffentlichung

Unbekannter Künstler
Petr Bechynĕ

71.18-UK-Bechyne 240-Beim Gros der anonymen Portraits der Renaissance ist zu bedauern, daß die jeweiligen Künstler keine Hinweise auf die Namen der Dargestellten hinterliessen. Bei Entstehen der Bildnisse ging man eben davon aus, daß die Portraits in der Familie bleiben würden und man sich später schon an die Vorfahren erinnerte. Aber wie viele Familien sind in der Zwischenzeit ausgestorben? In heraldischen Werken bilden diese Familien umfangreiche Abschnitte. Aber auch andere Umstände ─ Brand, Verlust des Besitzes, Desinteresse ─ haben dazu geführt, daß die Informationskette abriß.

Hier liegt nun ein Sonderfall vor, bei dem nicht nur das Entstehungsdatum des Bildes und das Alter des Dargestellten festgehalten sind, sondern auch links die Initialen des Dargestellten und rechts anscheinend das Monogramm des Künstlers überliefert wurden ─ und trotzdem tappt man immer noch im Dunklen. Beide sind so verschlüsselt, daß sie bisher als nicht auflösbar galten.

Nach übereinstimmender Auffassung ist der Dargestellte im akademischen Sektor zu suchen. Dafür spricht seine Kleidung: das schmucklose dunkle Barett und der schwarze Gelehrtenrock. Der junge Mann scheint aus vermögender Familie zu stammen, denn das an zwei Stellen sichtbare Untergewand ist individuell und ornamental gestaltet. An seiner Person fällt als Eigentümlichkeit ein starkes Stirnrunzeln auf und ein auf ein fernes Ziel fixierter Blick. Der junge Mann gibt sich als kompromißlosen Tatmenschen.

Das Gemälde befindet sich im Nationalmuseum in Warschau (Muzeum Narodowe w Warszawie;Öl auf Kiefernholz, 38,7 x 27,5 cm) und ist mit 1524 datiert. Ursprünglich hat es in Privatbesitz gehangen. Daraus kann geschlossen werden, daß es sich hier um einen Studenten aus den Landschaften östlich der Oder handelt. Über die Universität wird in dem Bild nichts ausgesagt, es sei denn, das Monogramm mit dem W stünde für Wien. Jedenfalls muß nach einem Studenten mit slavischen Wurzeln und nach einem Familiennamen mit B gesucht werden, denn die linke Buchstabenkombination besteht aus P B, wobei das P auf dem Kopf steht und ans B rückseitig angelehnt ist. Bożena Steinborn ist jedoch der nicht überzeugenden Meinung, daß hier R und K abgebildet sind. Die Suche war allerdings nur erfolgversprechend, wenn der Student im späteren Leben als Humanist in gesellschaftliche Funktionen aufstieg.

Dies trifft auf Petr Bechynĕ von Lażany zu, von dem jedoch keine Lebensdaten überliefert wurden. Immerhin gibt es einige Angaben über seine berufliche Entwicklung, aus denen man sich ein Bild der Person machen kann. Er ging aus einer ursprünglich brandenburgischen Familie hervor, die aus Seidlitz (heute: Polen) stammte und sich 1414 in Bechynĕ im südlichen Böhmen (heute: Tschechien) niederließ. Das idyllische Städtchen mit historischem Kern liegt südwestlich von Tábor. Der Vater von Petr, Oldřich, hatte fünf Söhne, von denen Petr die Direktive bekam, nach Wien zum Studium zu gehen (lt.Matrikel III-1 38). Dort wurde er im Dezember 1524 immatrikuliert. Es stellt sich nun die Frage: Was tat Petr vor dem Studium, denn im Durchschnitt begann das Studium damals mit rd. 16 Jahren. Er war aber 1524 lt. Bild bereits 22 Jahre alt. Hatte er sich etwa auf eine Auslandsreise begeben? Darauf kann keiner mehr antworten. Aufschlußreich ist immerhin, daß Petr den Studienbeginn so wichtig nahm, daß er sich damals porträtieren ließ. Nach dem Gesamteindruck handelte es sich bei ihm um einen ehrgeizigen und selbstbewußten jungen Mann.

Sich im Profil darstellen zu lassen, war eigentlich um 1500 in Italien und der Alpenregion nicht mehr üblich. Das 3/4Portrait galt als interessanter. Vermutlich kannte Petr aber nur das Profilbild wie z.B. das Portrait König Zygmunt I. von Polen (vgl. Beitrag Cranach, Zygmunt). Außerdem kam ihm entgegen, daß er sich hier als einen entschlossenen Mann präsentieren konnte. 1528 wechselte er nach Bologna ─ eine typische Entwicklung für einen begüterten, zielbewußten Studenten. Er muß kontaktfreudig gewesen sein, denn in Bologna wählten ihn die aus dem deutschsprachigen Gebiet kommenden Kommilitonen zum procurator der deutschen Nation ─ ihrem landsmannschaftlichen Interessenvertreter. Man nimmt an, daß er auch Vorlesungen in Ferrara und Padua hörte.

Sein Bildungsstreben muß über den üblichen universitären Rahmen hinaus gegangen sein, denn es ist ein Brief an Georgius Loxanus aus dem Jahr 1536 erhalten geblieben, ein schlesischer Adliger im Dienste König Ferdinands I. von Böhmen, in dem er den Literaten und späteren Kardinal Pietro Bembo (1470─1547) als Freund bezeichnet.

Doch Petr kehrte nach Böhmen zurück und wurde 1530 als Amtmann der Burg Vyšehrad bei Prag eingesetzt ─ eine Funktion, die er bis 1547 beibehielt. Außerdem gehörte er offenbar zum Domkapitel des berühmten Veitsdom in Prag. Ferdinand I. zog ihn als Unterlandkämmerer heran, nachdem Petr schon vorher den Rang eines königlichen Sekretärs bekleidete. 1546/47 rückte er mit dem böhmischen Truppenkontingent des kaiserlichen Heers aus, als der Schmalkaldische Krieg zwischen Protestanten und Katholiken vor der Entscheidung stand.

Nach dem Kriegszug gehörte Petr Bechynĕ zu einer königlichen Kommission, welche denjenigen böhmischen Städten eine Vermögensabgabe auferlegte, welche den protestantischen Flügel im Reich unterstützt hatten, und außerdem einem Sondergericht, das Einwände gegen die königlichen Maßnahmen zu beurteilen hatte. 1554 wurde er zum Kapitän der Altstadt von Prag befördert. Zugleich gehörte er einem Vierergremium an, das als Konsistoren die Verteidigung zu kontrollieren hatte. In dieser Funktion reiste er 1558 in die Grafschaft Glatz/Schlesien, in der teils Protestanten, teils Wiedertäufer von sich reden machten (vgl. Beitrag Krell, Ernst von Bayern).

Während durch die Identifikation des Portraits als Bildnis des Petr Bechynĕ erstmalig sein Geburtsjahr 1502 bekannt wird, fehlen eigentümlicherweise Angaben zu seinem Lebensende, zumal dies in eine Zeit fiel, in dem schon genauer registriert wurde. Aber wesentliche Merkmale des Gemäldes stützen die Ermittlung: die Initialen sowie die Mimik, die auf die Anlage zu hartem Durchgreifen schliessen läßt.

© Christoph Wilhelmi Stuttgart 2019

Literatur
Bożena Steinborn/Antoni Ziemba: Malerstwo Niemieckie do 1600 Roku. Warszawa 2000
J. K. Zeman. In: Contemporaries of Erasmus. Toronto/ Buffalo/London 2003

Bildnachweis
Bożena Steinborn/Antoni Ziemba: Malerstwo Niemieckie do 1600 Roku. Warszawa 2000 S.258