Erstveröffentlichung

Unbekannter Künstler
Maria von Österreich

71.29 240 UK Maria v.ÖstDieses strenge Portrait einer hochadligen Dame im Stil von Anthonis Mor (ca.15201576/77), aber gemalt von einem unbekannten Künstler (Öl auf Holz 49,5 x 37,5 cm), ist oben links auf 1575 datiert und hängt in der Eremitage in St. Peterburg (Nr. 10391). Obwohl es rechts oben mit einem rhombenförmigen Allianzwappen bezeichnet ist und am oberen Bildrand mit dem Zusatz AETATIS SVAE · 44 · auch das Alter der Person erwähnt wird, konnte das Museum die Identität der Dargestellten bisher nicht auflösen.

Die gestrenge Frau mit modisch hoher Stirn trägt eine helle Haube und eine spanisch wirkende Halskrause. Auf dieser am Nacken aufliegend befindet sich ─ ähnlich einem Heiligenschein ─ ein goldener Reif, der in Schlüsselbeinhöhe auf dem streng schwarzen, bis oben geschlossenen Gewand ruht. Von den Schultern hängt an einer doppelten Goldkette ein dreidimensionales Kreuz, auf dem der Gekreuzigte reliefartig wiedergegeben wird. Ohne Zweifel war die hier präsentierte Frau streng katholisch.

Von dieser Ausrichtung her und den zeitlichen Komponenten kommt nur die österreichische Erzherzogin Maria (1530/31─1581/84) infrage, die zweite der sieben Töchter des Kaiserbruders Ferdinands I. Beim Zustandekommen ihrer Heirat 1546 galt nur das machtpolitische Kalkül Kaiser Karl V. Der im Geldern-Krieg 1543 unterlegene Herzog Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg (1516─1592) wurde unter Druck gesetzt, »mußte fußfällig die Verzeihung des Siegers erflehen« (v. Harleß), sein Verlöbnis mit der französischen Prinzessin Jeanne d’Albret (1528─1572) lösen und stattdessen Karls Nichte Maria einen Tag nach dem Verlöbnis 1546 in Regensburg heiraten.

»Im Vertrag von Venlo vom 7.9.1543 machte Kaiser Karl V. dem Versuch kleve-jülischer Großmachtpolitik ein Ende. Die herzoglichen Territorien wurden in den habsburgisch-katholischen Interessenbereich eingebunden und dies durch die Heirat des Fürsten Wilhelm V. mit Maria, einer Tochter König Ferdinands, besiegelt« (Elisabeth Kloosterhuis S. 336). Diese Verbindung sollte garantieren, daß er und sein reduziertes Herzogtum altgläubig blieben. Andernfalls wäre Wilhelm vom Kaiser abgesetzt worden, wie es dem Württemberger Herzog Ulrich passiert war. »Dem trügerischen Gaukelbilde der navarresischen Heirath folgte so eine Ehe, die im Gegensatze zu jener den Herzog in Abhängigkeit vom Kaiser hielt und dessen Anschluß an die Politik des Hauses Habsburg dauernd zu verbürgen schien« (v. Harleß). Mit diesen Zugeständnissen erzielte Herzog Wilhelm sein politisches Überleben als Fürst.

Allianzwappen entstanden durch Heirat unter hochadligen Familien. Dementsprechend zeigt die linke Hälfte (heraldisch rechts) oben den Reichsadler, wie er auf den Wappen der Markgrafen und Herzöge, die unmittelbar dem Kaiser unterstanden, üblich war (vgl. Gonzaga-Wappen). Die Seite ist gedrittelt, weil das Herzogtum aus drei Bestandteilen (s.o.) fusioniert worden war. Die rechte Seite (heraldisch links) zeigt durchgehend den Wechsel von Rot und Weiß d.h. der Farben des Hauses Österreich. Offenbar war diese Mixtur für die Kustoden zu kompliziert zu entwirren.

Die Dargestellte war in erster Linie eine politische Schachfigur und spielte als Person keine eigene Rolle. Da Ferdinand I. selbst gern in Spanien geblieben wäre, war Maria in der Erziehung von Spaniern umgeben und hielt sich weisungsgemäß an ihre Aufgabe. Dennoch hat sich das von Karl V. gestiftete Ehepaar offenbar verstanden; jedenfalls brachten sie 6 Kinder zur Welt. Von daher ist verständlich, daß die jung verheiratete Maria gar keinen Spielraum für eine eigenständige Entwicklung hatte. Im Entstehungsjahr des Gemäldes zählte sie 44 Jahre und wirkte dabei rd. zehn Jahre älter; sie starb mit 54 Jahren.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2020

Literatur
W. Maurenbrecher. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 6 Berlin 1968 (betr. Ferdinand I.)
Adolph (?) von Harleß. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 43. Berlin 1971 (betr. Wilhelm V.)
Elisabeth M. Kloosterhuis: Erasmusjünger als politische Reformer: Humanismusideal und Herrschaftspraxis am Niederrhein im 16. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2006
Nikolai Nikolin: The Hermitage Catalogue of Western European Painting. German and Austrian Painting 15th to 18th Centuries. Moskau/Florenz 1989

Bildnachweis
Nikolai Nikolin: The Hermitage Catalogue of Western European Painting. German and Austrian Painting 15th to 18th Centuries. Moskau/Florenz 1989 S. 160
Looking East. Ruben’s Encounter with Asia. Los Angeles 2013 S. 103