Erstveröffentlichung

Bartholomäus Bruyn d. Ä.
Heinrich Bars (Olisleger)


12.01-BruyndÄ-H.B 240Ein offensichtlich vermögendes Paar stellt sich auf den beiden Gemälden von Bartholomäus Bruyn d. Ä. zur Schau, welche das Staatliche Museum Gotha (Öl auf Holz, jeweils 77 x 55 cm, oben geschweift. Inventar-Nr. 323 und 324) besitzt. In dem Verzeichnis der von Bruyn gemalten Portraits tragen die beiden Tafeln bei Westhoff-Krummacher die Nummern 86 und 87. Das Wissen darüber, wen das Paar darstellt, ging leider verloren. Man behalf sich mit der Bezeichnung Bildnis eines bärtigen Mannes.

Der bärtige Mann trägt einen besonders breiten Pelz über der dunklen Schaube, aus der ab dem Ellenbogen ein hell-samtenes Gewand hervorschaut. Seine rechte Hand umfaßt eine Nelke und ruht auf einem gemalten Sims. Seine Linke hält ein Paar Handschuhe. Da allenfalls ein Ring vorkommt, brachte er selbst wohl kaum Grundbesitz in die Ehe ein. Auf dem Kopf haftet ein flaches Barett, und doch macht der Mann nicht den Eindruck eines Professors.

Die zugehörige Frau ist besonders prachtvoll gekleidet. Ihr dunkles Gewand wird von einem besonders kostbaren Gürtel zusammengefaßt, der aus sich wiederholenden Elementen einer aufwändigen Juwelierarbeit besteht. »Im europäischen MA, als die Kleidung tailliert war, wurde der Gürtel auch zum Symbol der Würde und Ehrenhaftigkeit, Abzeichen des gesellschaftlichen Ranges. Frauen zweifelhaften Rufs durften in manchen Städten keinen Gürtel tragen« (Lexikon der Kunst). Um den Aufwand noch zu betonen, wurde der herabhängende Teil derselben auf die gemalte Brüstung gelegt. Zudem trägt die Frau eine kräftige goldene Halskette, welche mittig anstößt an den broschenartigen Verschluß des Gürtels. Sie ist der Kölner Patrizierinnen-Mode entsprechend gekleidet (vgl. Essay: Die Portraits des Bartholomäus Bruyn). Die linke Hand der Frau ragt aus einer auffällig breiten Pelzmanschette und zeigt zwei Ringe. Die rechte Hand hält ─ ebenfalls aus einer Pelzmanschette kommend ─ auf der Höhe des Gürtels eine Nelke. Die Gesamtheit ihrer Ausstattung läßt auf eine adlige Abkunft schliessen.

Da sowohl die von Bruyn meistens vorgenommene Datierung des Bildes fehlt und von ihm auch kein Alter der Personen angegeben wurde, vielleicht aber auch verloren gegangen ist, stellt sich in diesem Fall die Identifizierung besonders schwierig dar. Infrage kommt wohl ein hochrangiger Vertreter eines Fürsten, der eine Frau aus vermögenden Kreisen geheiratet hat, die evtl. adliger Abkunft war. Westhoff-Krummacher hat nun aus Bildvergleichen die Datierung ermittelt und mit ca. 1544 angesetzt. Das Alter des Mannes kann mit 40-45 Jahren angenommen werden. Demnach käme ein Mann der Öffentlichkeit infrage, der um 1500 geboren ist.

Diese Koordinaten passen auf Heinrich Bars, geb. Olisleger (auch: Alysleger. Ca. 1450─ 1575) aus Wesel, wo er 1500 geboren wurde. Aus dem Zunamen kann man schliessen, daß die Familie aus der Region Tournai stammte. Er kam als Sohn des gleichnamigen klevischen Landrentmeisters ( 1529) zur Welt, der selbst Ölmüller war und in Köln geboren wurde. Man nimmt an, daß der Sohn in Wesel das Gymnasium besuchte, denn 1511 ließ er sich in Köln immatrikulieren und erwarb erstaunlicherweise schon 1512 den Magister der Artistenfakultät. Offenbar zielte er auf eine Verwaltungslaufbahn und belegte deswegen in seinem Aufbaustudium Jura. Nach drei Jahren ging er nach Orléans und 1518 nach Bologna, der Spitzenuniversität für europäische Juristen; dort blieb er bis 1520. Als er nach Köln zurückkam, wurde er 1521 Licentiat und promovierte in kanonischem Recht an der Kölner Universität. 1525 wurde er zum Dekan gewählt.

Bars fiel sehr bald durch seine Wirksamkeit in der Öffentlichkeit dem Herzog Johann III. von Kleve (1490─1539) auf, der ihn 1531 als Berater engagierte. Sein Arbeitsvertrag wurde ausgeweitet und er zum klevischen Rat ernannt. Er bezog ein Jahresgehalt von 50 Goldgulden samt Naturalien. 1534 übernahm er die stellvertretende Leitung der Kanzlei mit dem vierfachen Jahresgehalt. Sein Studienfreund Johann Gogreve (ca.1500─1554) war mittlerweile dort zum Kanzler avanciert. Dieser widmete sich vor allem der Kirchenrechtsreform. Bei Gogreves Tod übernahm Bars dessen Funktionen. »Am Düsseldorfer Hof gehörte Olisleger zum engen Kreis der Räte um die Herzöge Johann und Wilhelm, unter deren Regierungen eine innen- wie außenpolitisch umfassende Neustrukturierung erreicht wurde« (Kloosterhuis S. 546). Kirchenpolitisch vertrat Bars, anfangs eher den Lutheranern zugeneigt, wie die anderen humanistisch geprägten klevischen Räte auch, die auf Erasmus von Rotterdam (1466/1469-1536) zurückgehende via media (s. Beitrag Bruyn, Frechen), einen ausgleichenden Reformweg zwischen den beiden polarisierenden Lagern (lt. Portal Rheinische Geschichte).

Als Bars 1537 Verhandlungen mit Kaiser Karl V. zu führen hatte, der ein geheimes Bündnis katholischer Fürsten schmiedete, reagierte Bars ausweichend und beließ es bei einer neutralen Stellungnahme des Herzogtums und verfolgte ─ entsprechend seiner Überzeugung ─ einen ausgleichenden Reformweg zwischen den beiden polarisierenden Lagern. Später versuchte er, die Abhängigkeit des Territoriums vom habsburgischen Hof in Brüssel zu lockern. Doch 1544 lief die Entwicklung wegen des verlorenen Geldernkriegs gegenläufig ab. Im Kampf gegen die Wiedertäufer war Bars in Wesel und Münster tätig und gehörte zu den vier, mit den Weseler Verhältnissen vertrauten Vertretern des Herzogs in der Kommission, die Anfang 1535 die Vorgänge um die Wiedertäufer in Wesel untersuchte (Portal Rheinische Geschichte).

Vielseitig angelegt geleitete Bars 1539 Anna von Kleve (1515─1557) nach England zur vierten Hochzeit des König Heinrichs VIII. 1541 trat Bars als außerordentlicher Gesandter anlässlich der geplanten Heirat Herzog Wilhelms (1516─1592) mit Jeanne d’Albret (1528-1572) auf, der Nichte des französischen Königs.

Zeitlebens fühlte sich Bars seiner Geburtsstadt Wesel verbunden und griff dort hin und wieder in innerstädtische Komplikationen ein. Auch als Stifter ist er dort hervorgetreten und hat 1561 soziale Einrichtungen ins Leben gerufen, da sein einziger Sohn im Jahr 1560 starb.

Der biographische Artikel im PortalRheinische Geschichte präsentiert ein Holzschnitt-Portrait von Heinrich Bars, das urheberrechtlich nicht mehr geschützt, jedoch für eine Übernahme in diesen Text gesperrt ist. Er entstand posthum und stammt von einem unbekannten Künstler aus dem Werk von Heinrich Pantaleon. Dieser zeigt einen älteren Mann, ebenfalls mit kräftiger Nase und starkem Vollbart. Der vierschrötige Mann mit Barett weist deutliche Ähnlichkeit mit der Physiognomie Bars im Portrait von B. Bruyn auf.

»Olisleger war humanistisch gebildet und ein Freund der Gelehrten. Er selbst verfaßte einige Schriften, vor allem Neudrucke ciceronischer Arbeiten, die er überwiegend Freunden am Düsseldorfer Hof widmete« (Kloosterhuis S. 546).

Literatur
Woldemar Harleß. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Berlin 1887
Elisabeth M. Kloosterhuis: Erasmusjünger als politische Reformer: Humanismusideal und Herrschaftspraxis am Niederrhein im 16. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2006
Heinrich Pantaleon: Der Dritte vnd letste Theil Teutscher Nation Warhafften Helden […], Basel 1578
Portal Rheinische Geschichte: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Seiten/ImageViewer.aspx?img=http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Produktion_Artikel_Marginal/1109-4Dgr.jpg (18.4.14)
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn d. Ä. als Bildnismaler. München 1965

Bildnachweis
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn d. Ä. als Bildnismaler. München 1965 S. 160/61