Erstveröffentlichung

Bernhard Strigel (?)

Ursula Feßler geb. Epp

67.02-Strigel-Fr.-Feßler 240Mit der Identifizierung des bisher anonymen Männerportraits erfährt es seine Aufklärung durch die Identifikation ihres Ehemanns. Es hängt gleichfalls im Kunsthistorischen Museum, Wien, als Nr. 888 das Seitenstück (Öl auf Fichte, 191 x 101 cm) zum Portrait Johann Feßlers.  Im Gegensatz zu anderen Paarbildern haben sich über diese Frau glücklicherweise etliche persönliche Informationen aus ihrem Leben erhalten.

Sie wurde geboren als Tochter des Nagolder Waldvogts Burkhard Epp und trug den Vornamen Ursula. Damit gehörte sie wie ihr Mann den Familien der ´Ehrbarkeit´ an d.h. dem niederen Adel mit Landbesitz. Diese soziale Schicht spielte in der Landschaft eine wichtige Rolle, zumal sie auch im Landtag vertreten war.
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Kennengelernt hatten Johann Feßler und seine Frau sich während des Studiums von Johann in Heidelberg, denn ihr Onkel lehrte dort Jura, und Johann hörte seine Vorlesungen. Die offenbar glückliche Ehe wurde 1525, im Jahr des Portraits, geschlossen. Aus ihr gingen lt. G. Wunder (S. 15) 16 Kinder hervor. Davon muß sie, wie damals häufig, mindestens sechs durch Krankheit bzw. Tod verloren haben.

Ursula Feßler war eine offenbar resolute Person. Dies bestätigte sich nach der oben erwähnten Hausdurchsuchung, als sie ein Antrag einreichte, »nach 13 Monaten ihrem Ehegemahl nachziehen zu dürfen, weil es sich aus „christlicher, evangelischer und menschlicher Ordnung gebührt, daß Ehegemahl beieinander wohnend auch ihre Kinder erziehen und ernähren“ (Wunder S. 28). Wie ihr Mann bekam auch sie keine  Antwort von der Landesregierung.

Daraufhin schritt sie zur Tat, indem sie »etliche Biecher und Blunder in ein Kerchers Behausung« unterstellte und sich von dem Fuhrmann nach Rottweil bringen ließ. Der Vogt ließ zweimal nachfragen, wer ihr denn die Erlaubnis gegeben habe. Erst bei der zweiten Anfrage antwortete sie: »sie will ir nie laussen verbietten, von iren Man lenger zu blyben«. Diese Aussage spricht für eine couragierte Person, die ihrem Mann ebenbürtig war und erinnert an die Partnerin Goethes, Christiane Vulpius, welche sich gegen französisches Militär durchsetzte.

Ursula Feßler weist sich im Bildnis durch ihre Garderobe als zur ´Ehrbarkeit´ gehörige Frau aus. Sie trägt eine wertvolle, bestickte Haube, zwei Ketten und ein aus aufgereihten Medaillen gebildeten Gürtel. Die - ihrem Mann entsprechenden - Pelzaufschläge sind großzügig und werden wie ein Muff gebraucht d.h. sie verdecken die Hände. Auch hinter ihrem Kopf befindet sich eine Schrifttafel, auf der Psalm 38 (Vers 22) zitiert wird:
NON • DERELINQAS • ME • DNE • DEVS • MEVS • NE • DISCESSERIS • A • ME
(in der Lutherübersetzung: Verlaß mich nicht, Herr! Mein Gott, sei nicht ferne von mir!).

Erstaunlich ehrlich gibt sie bekannt, daß sie 31 Jahre ist d.h. sieben Jahre älter als ihr Ehemann. Umso erstaunlicher die Anzahl ihrer angeblich 16 Geburten. 1554 ist allerdings nur von 11 Kindern die Rede. Von daher sind überhaupt Zweifel angebracht, weil in einem Dokument Feßlers von 1539 »mein Weib sampt sieben klainer künder« die Rede ist. Genau genommen wären demnach noch sieben Kinder auf die Welt gekommen, als Ursula Feßler schon das 40. Lebensjahr erreicht hatte; das ist mehr als unwahrscheinlich. Mit einiger Wahrscheinlichkeit blieb es bei acht Kindern.

1574 meldete sich Ursula Feßler als die »gute alte Frowen« zu Wort, als es um üble Nachrede gegen ihren verstorbenen Mann und Schuldzuweisungen ging. Dabei berief sie sich auf die Verdienste ihres Mannes um das Haus Württemberg: »über die 50 Jahr und also bis in sein Gruben mit seiner zuletzt eystersten Leibsunvermöglichkeit … in seinen Diensten also gestorben« (Wunder S. 27(28).

Die Historiographie überlieferte uns Lebensbilder von vielen Prominenten der Renaissance. Aber so viel über ein Frauenleben von damals aus der Mitte der Bevölkerung zu erfahren, ist im Vergleich zu Paarbildern bei Cranach z.B.(s. Beitrag Cranach, Ph. Engelbrecht bzw. Magdalena Pfister) als ein Glücksfall zu betrachten - wie auch die Entdeckung der malerischen Wiedergabe dieser tatkräftigen Person.
                                                                                                                                                                  
© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2014

Literatur
Annette Kranz: Christoph Amberger. Bildnismaler in Augsburg. Regensburg 2004
Christof Metzger. In: Dürer • Cranach • Holbein. Die Entdeckung des Menschen. München 2011
Hannelore Sachs•Ernst Badstübner•Helga Neumann: Christliche Ikonographie in Stichworten. Leipzig 1980
Gerd Wunder: Johann Feßler. In: Lebensbilder aus Schwaben und Franken. Hg. Max Miller/Robert Uhland. Stuttgart 1966

Bildnachweis
Dürer • Cranach • Holbein. Die Entdeckung des Menschen. München 2011 S. 269