Erstveröffentlichung

Hans Mielich

Sebastian Fröschel

08.05-Fröschl 240Seit dem Jahr 1984 nennt die National Gallery of Art, Washington, das elegante und zugleich strenge Portrait eines jungen Mannes von Hans Mielich (auch Müelich, 1516─1573) ihr eigen. Auf Grund eines rückseitigen Wappens, das allerdings kaum mehr sichtbar ist, wird das Portrait behelfsmäßig bezeichnet als: A Member of the Fröschl Family (Öl auf Linde 64,2 x 47 cm. Nr. 1984.66.1). Warum man sich mit dieser halben Lösung zufrieden gegeben hat, ist unklar. Vielleicht sah man in den USA keine Möglichkeit für Nachforschungen.

Das Wappen hat eine zutreffende Spur gezeigt: Eine Familie Fröschel hat es Anfang des 16. Jahrhunderts in Franken gegeben. Von den Lebensdaten kommt für dieses Bild Sebastian Fröschel infrage, der 1497 in Amberg geboren wurde. Offenbar stammte er, wie das Bild bestätigt, aus gutsituiertem Elternhaus, wenn er sich in jungen Jahren eine solche Ausgabe leisten konnte. Das Honorar für ein Portrait stellte damals eine ansehnliche Summe dar. Außerdem weisen die zwei Ringe am linken Zeigefinger auf Liegenschaften. Mielich hat seinen Auftraggeber vor eine waldige Landschaft mit Bauernhof gestellt, die von der Donauschule beeinflußt sein könnte. Sie nimmt 4/5 der Breite in Anspruch. Nichts im Bild jedoch weist auf eine adlige Abkunft hin.

Die Figur des Dargestellten ist fast raumfüllend. Fast zwei Drittel der Bildfläche wird von der konsequent schwarzen Garderobe des Mannes ausgefüllt, so daß sein helles Gesicht mit dem langen rötlichen Bart stark hervortritt. Dem asketischen Schwarz des Gewandes wird die Düsternis genommen durch zwei gestickte Manschetten, welche die beiden Hände ebenfalls hervorheben. Offenbar sieht sich der Mann als eine wichtige Persönlichkeit an. Sein schmuckloses, flaches Barett verfügt über Seitenklappen an den Ohren, wie sie oft bei Akademikern im Umkreis von Luther und Melanchthon, also Reformatoren, vorkommen.

Zu diesen hatte Fröschel tatsächlich Verbindung, obwohl er 1521 zum Priester geweiht worden war. Nach den wenigen Daten über ihn, die noch überliefert sind, trat er 1523 in Leipzig zum Luthertum über; sosehr hatte ihn der Disput zwischen Luther und Dr. Johann Maier von Eck beeindruckt. Daraufhin wurde er von dem streng altgläubigen Herzog Georg von Sachsen der Stadt verwiesen. Als er einen Mörder zur Richtstätte begleitete, gab es einen Tumult, bei dem Fröschel unterstellt wurde, er habe den Mörder befreien wollen. Leipzig gehörte damals nicht zum Territorium des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen, der Luther protegierte. Durch dessen Vermittlung wurde er 1528 Diakon an der Stadtkirche von Wittenberg. »Er wandte sich auf die Seite Lutheri, und vertheidigte desselben Lehre, wiewohl er er dadurch nicht wenig Verdruß sich auf den Halß gezogen« (Zedler).

Neben seinem Gemeindeamt war Fröschel auch publizistisch aktiv. 1563 ließ er Von den H. Engeln, Teuffeln und des Menschen Seele drucken; es folge 1565 Vier Predigten vom Priesterthum, worin er sich auf Melanchthon bezog. Außerdem beteiligte er sich 1543 an einem öffentlichen Theologen-Disput.

Aus Fröschels Auftreten in seinem Portrait ist auf einen selbstbewußten, vielleicht sogar eitlen Mann zu schließen. Jedenfalls sorgte er für Komplikationen unter den Lutheranern, als er sich wieder verheiraten wollte. Luther selbst kommt in seinen Schriften (Bd. 49 S. 305) auf ihn zu sprechen, als er erklärt: »die stolczen Juristen halten uns für narren und sagen, sie sehen uns nicht an mit unserer theologia. Sondern wollen bey ihren recht bleyben und richten, Exempli gratia, wen Magister froschel ein weib neme nach der anderen aber noch eins, Sollten wir den hoffertigen Juristen den hochmuth gstatten…?, wen Magister froschel ein weib neme nach der anderen aber noch eins, Sollten wir den hoffertigen Juristen den hochmuth gstatten…?« Dabei hat Fröschel sich, der 1529 eine frühere Nonne, Elisabeth Kreff, geheiratet, die bald starb, und 1535 eine zweite Ehe mit Barbara Kotzl einging, eigentlich regelkonform verhalten. Seine zweite Frau, die lt. Germann »sich durch hohe christliche und häusliche Tugenden auszeichnete«, starb 1548 ebenfalls an der Geburt ihres vierten Kindes. Fröschel blieben drei Töchter; er selbst starb 1570. Die Leichenfeier hielt der Rektor der Universität Caspar Cruziger d. J. (1525─1597).


08.05-NEB 240Johann Franck: Sebastian Froschelius.
Kupferstich Nürnberg 1688
Leider ist das Portrait nicht datiert und wurde vom Museum auf 1539/40 geschätzt. Es ist jedoch anzunehmen, daß es anläßlich seiner zweiten Heirat entstanden ist, d.h. 1535 zu datieren wäre. Damit wäre es ein Jugendwerk von Mielich. Eine Vergleichsabbildung Fröschels fand sich in der Porträtsammlung in Wolfenbüttel (A 7227), doch bietet dieser posthume Kupferstich des Stechers Johann Franck kaum Anhaltspunkte, da es sich um ein Altersportrait mit Vollbart handelt. Nützlicher ist jedoch der Hinweis bei Germann, daß Lucas Cranach d.J. 1569 ihn in seinem stark gealterten Wandbild Im Weinberg des Herren in der Lutherkirche Wittenberg rechts unten inmitten der Gruppe von Reformatoren abgebildet hat. Daran zeigt sich, wie nahe Fröschel dem Reformator stand.


© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2020

Literatur
Oscar Germann. In: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. Leipzig 1882-38 Heft 14 S. 33ff
John Oliver Hand: German Paintings of the fifteenth through seventeenth Centuries. Cambridge/USA 1993
D. Martin Luthers WERKE. Weimar 1970 Bd. 49 S. 305
Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexikon. Bd. 9. Leipzig 1733ff

Bildnachweis
John Oliver Hand: German Paintings of the fifteenth through seventeenth Centuries. Cambridge/USA 1993 S. 146ff
Die Porträtsammlung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Reihe A 7224 Bd. 8 München u.a. 1989