Marco Palmezzano
Niccolò Forteguerri

107.01-Marco-Palmezzano-240Zu den ´verborgenen Schätzen´ der Akademie der Künste in Wien (Öltempera auf Holz auf Leinwand 46 x 44 cm) gehört das von Marco Palmezzano (1456─1539) gemalte Portrait eines Jünglings, einer gepflegten und zugleich strengen Erscheinung. Dieser in Forli geborene Künstler der Romagna ist durch kirchliche Bilder bekannt geworden und war Schüler von Melozzo da Forli (1438─1494). Einige Fresken schufen sie gemeinsam. Erhalten sind auch einige wenige Portraits von Palmezzano, darunter ein Altersselbstbildnis, in dem der Künstler von Krankheit gezeichnet erscheint. Die Zuschreibung des ´Jünglings´ an Palmezzano erfolgte durch Martina Fleischer. Das Gemälde war seinerzeit eine Stiftung von Fürst Johann II. von Liechtenstein an die Akademie.

Wie Robert Darmstaedter schreibt, schuf Palmezzano »Werke, deren Reiz in der fleißigen Ausführung der Nebendinge und der landschaftlichen Hintergründe liegt«. Während dreiviertel des Jünglingsportraits sparsam und flächig gearbeitet ist, wird der Fensterausblick von ihm sehr fein und detailreich ausgeführt. Vor einer Gebirgslandschaft ragt ein junger Baum zart und hoch auf. Er verfügt nur über wenig Blattwerk, und das erscheint nur in den oberen Zweigen. Man wird erinnert an das Portrait von Antonello da Messina: Ermolao Barbaro.

Das zweimal flächig auftretende Schwarz (in Mütze und Gewand) läßt vermuten, daß es sich bei der Herkunft des edlen Jünglings zwar um einen Adligen handelt, denn wer könnte sich sonst in jugendlichem Alter ein teures Portrait leisten, nicht aber um einen Landedelmann oder Offizier. Allem Anschein nach kommt daher ein Literat in Betracht. Diese Annahme verstärkt sich durch den Vergleich mit dem Portrait des Ermolao Barbaro (s. Beitrag Antonello da Messina, E. Barbaro) von 1478. Auch hier trägt der Dargestellte einen hochgeschlossenen, durchgehend schwarzen Rock. Auch hier handelt es sich um ein Dreiviertelportrait nach links.

Leider ist das Portrait nicht datiert. Die Akademie nimmt an, es sei etwa 1480 entstanden. Doch ohne Kenntnis des Geburtsjahrgangs ist eine Suche wenig aussichtsreich. Daher wurden die Kataloge der italienischen Bildnismedaillen der Renaissance herangezogen. Darin fällt die stark erhabene Darstellung eines Jünglings im Profil nach links auf (Hill Nr. 261) auf, die sich ebenfalls durch eine Kappe, aber vor allem durch einen besonders üppigen Pagenkopf auszeichnet. Sie wurde gegen 1500 von einem unbekannten Medailleur lt. Umschrift für Niccolò Forteguerri angefertigt; das vorliegende Portrait scheint demnach um 1490 entstanden zu sein.

Dieser junge Mann stammte aus einer toskanischen Familie von Militärs, Giovanni Forteguerri war im 16.Jahrhundert gonfaloniere (Bannerträger), zudem Literat (Antonio Forteguerri war Petrarkist, Giovanni Forteguerri war Notar und Literat); die Familie hatte auch in Venedig einen Sitz. Niccolò wurde 1466 in Pistoia geboren, lebte dort bis zu seinem Tod 1514 und gab sich das Pseudonym Scipione Carteromaco. Ganz im Stil seiner Zeit ließ er auf der Rückseite der Medaille (Durchmesser 57 mm) seine Devise anbringen: FACIT VIRTVS ET AMOR VNANIMES = Er bringt Tugend und Liebe in Einklang. George Francis Hill vermutet den Medailleur in Mantua und schreibt (Teil I S. 66): »so that there is a possibility of a Mantuan origin for this medal«. Es ist durchaus denkbar, daß Niccolò Forteguerri zu den Höflingen beim Markgrafen Federico Gonzaga gehörte; dieser heiratete 1495 Isabelle d’Este; beide scharten Künstler und Intellektuelle um sich.

Niccolò Forteguerri absolvierte sein Studium an der Sapienza in Rom und wurde Kanoniker (wie auch Ermolao Barbaro; s. Beitrag: Antonello da Messina: Ermolao Barbaro). Bekannt wurde er durch seine antikisierenden Tragödien. Aber er war auch in der Lage, Komödien zu schreiben. Die Bayerische Staatsbibliothek, München, verfügt über eine Ausgabe von neun Werken comoediae novem mit griechischen Prolegomena. Daß er in Aristophanes ein Vorbild sah, geht aus aus einem Aufsatz über dessen Vita hervor. Diese Ausgabe wurde 1498, als er sich schon drei Jahre in Venedig aufhielt, von dem berühmten Drucker und Verleger Aldus Manutius gedruckt. Darüber hinaus gibt es Gedicht-Editionen von ihm. Das Werk Ricardetto (zwei Bände) wurde sogar 1813 neu aufgelegt.

Marco Palmezzano stammte aus Forli und lehnte sich stilistisch an Melozzi da Forli an sowie an Andrea Mantegna. 

Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2023




Literatur
George Francis Hill: A Corpus of Italian Medals of the Renaissance before Cellini. Vol. II. London 1930
Renate Truck: Die Gemäldegalerie der Akademie der Künste Wien. Wien/Köln/Weimar 1997
Verborgene Schätze aus Wien. Meisterwerke. Künzelsau 2017

Bildnachweis
Renate Trnek: Die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien. Wien/Köln/Weimar 1997 S. 96
http://irushonok.blogspot.de/2011/05/marco-palmezzano-portrait-of-young-man.html (26.10.2017)
wikipedia.org/wiki/Marco_Palmezzano#/media/File:MarcoPalmezzano.jpg (26.10.2017)