Erstveröffentlichung

Giambattista Moroni
Paolo Costabili

52.08-Costabili-240Zur Bildersammlung des Musée des Beaux-Arts in Tours gehört ein männliches Brustbild von Giambattista Moroni (1520/25─1578) mit herausforderndem Blick (Öl auf Lw. 58 x 49 cm. Nr. 418). Es geht sparsam mit der Farbe um und wirkt asketisch. Der Künstler hat auf jegliche Beigabe verzichtet und die untere Hälfte für die Kleidung monochrom schwarz angelegt. Die ausgeprägte Physiognomie ist unten nur durch einen schmalen weißen Kragen abgesetzt. Für den verbleibenden Hintergrund verwendete Moroni nur lichtes Grau.

Insofern ist die Namenlosigkeit des Portraits verständlich, denn wo könnte man ansetzen? Da das Bild nicht datiert ist, wurde die Entstehung auf 1570/71 geschätzt. Auch beim Alter der Person ist man auf eine Schätzung angewiesen; realistisch erscheinen ca. 50 Jahre. Die Düsternis des Portraits wird noch verstärkt dadurch, daß der Schwarzhaarige einen Vollbart trägt. Aus dem Schwarz des Backenbarts taucht bei leichter Drehung des Kopfes nach rechts auffällig groß das linke Ohr auf. Wollte der Auftraggeber Zuhörbereitschaft unterstreichen, oder war Lauschen der Zweck?

So bleibt also nur der Versuch übrig, über das auf ca. 1520 geschätzte Geburtsjahr auf den Dargestellten zu stoßen. Unter den neun Personen aus Oberitalien zwischen 1519 und 1521 kam vom Beruf her nur einer infrage. Seine Familie stammte von alters her aus Ferrara. Der Name wurde durch ein Mitglied der Familie im 19. Jahrhundert bekannt, der eine namhafte Sammlung von Werken der Renaissance anlegte, die inzwischen verteilt in internationalen Galerien hängen.

Paolo Costabili wurde 1520 als vierter Sohn des Arztes Biagio Guarini geboren und auf den Namen Ferdinando getauft. Bei seiner Taufe waren Cesare und Giulia d’Aragona-Napoli anwesend und stimmten für ihn einer geänderten Namensgebung zu; die tieferen Gründe dafür sind nicht bekannt. Der Junge wurde von Privatlehrern unterrichtet und zog bereits mit 14 Jahren das Habit der Dominikaner an, in deren Convento degli angeli er eintrat. Damals wechselte er seinen Vornamen, den er »zum Zweck der Erneuerung« vom Ordensgeneral Paolo Butigella übernahm. Der Orden ließ ihn Theologie in Bologna studieren und beschäftigte ihn anschließend als Dozent für Logik im Convent. Darüber hinaus lehrte er Philosophie an anderen Niederlassungen des Ordens wie Murano, Rimini, Modena, Vicenza und Theologie in Mantua und später in Genua.

Trotz dieser vielfältigen Tätigkeit (oder gerade deswegen?) bekam Paolo Costabili Schwierigkeiten mit der Inquisition in Mailand. Möglicherweise erschienen seine Philosophie-Vorlesungen zu riskant bzw. geriet er in die Auseinandersetzungen mit anderen Orden. Er kam jedoch ohne Maßnahmen gegen ihn frei und wurde von den Dominikanern erst nach Bologna, dann nach Neapel geschickt und übernahm als Prior S. Caterina in Fornello.

Es ist auch denkbar, daß sich die Inquisition den Auftrag erhielt, die Klöster in Sizilien zu kontrollieren. Anschließend wurde er 1568 in seine Heimatstadt Ferrara beordert, um das Gebiet des Herzogtums Ferrara zu überwachen, das durch die aus Frankreich stammende Herzogin Renata (1510─1574) als protestantisch infiziert galt. Offenbar erfüllte er alle Aufträge zur Zufriedenheit des Vatikans, denn anschließend mußte er in Modena das Archiv der Inquisition reorganisieren. Dabei wurden frühere Prozesse unter dem Vorsitz seines Vorgängers Foscherari noch einmal überprüft. Natürlich stellte sich heraus, daß einige Urteile zu milde ausgefallen waren und gegen die überlebenden Häretiker erneut vorgegangen werden sollte.

Sieben Jahre nach dem ersten Kontakt mit der Inquisition rückte Costabili zum Inquisitor von Mailand auf. Dort blieb er aber nur fünf Monate; danach wurde er nach Rom berufen, weil Papst Gregor XIII. auf seine Tätigkeit aufmerksam geworden war und Costabilis Durchgreifen auch in Rom erwünscht war. Zu dieser Zeit ließ Costabili das Portrait im Zuge seiner Beförderung anfertigen, Damals ging es auch um die Kontrolle über Druckschriften und eine rigidere Durchsetzung des Index. So kam es gegen die häretischen Bücher zum Aviso alli librari… 1574.

Als der bisherige Ordensgeneral der Dominikaner, Serafino Cavalli da Brescia, starb, der 20 Jahre vorher von aufgebrachten Bürgern Roms fast gelyncht worden wäre, wurde 1578 Costabili eingesetzt. Dadurch wurde sein Machtbereich auf Europa ausgeweitet. In den Folgejahren kümmerte er sich zunächst um Süditalien, ab 1582 um Bologna, Venedig und wiederum Ferrara. 1582 gab es ein Zusammentreffen zwischen Costabili mit dem Patriarchen Trevisani und dem Jesuitengeneral Possevino. Kurz danach starb Costabili; seine Trauerfeier fand in S. Giovanni e Paolo in Venedig statt.

© Christoph Wilhemi, Stuttgart 2019


Literatur
█ In: Dizionario Biografico degli Italiani. Vol. 30 Roma 1984
Friedrich Wilhelm Bautz: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Vol. VII Herzberg 1994

Bildnachweis
Giovanni Battista Moroni. Lo sguardo sulla realtà 1560-1579. Milano 2004 S. █