Anonyme Portraits siehe Hans Schäufelein und Heinrich Füllmaurer / Aktuell Nr. 12 November 2016

»Kunstwerke, die keinen Autorennamen haben, die nicht mit einem Urheber verbunden werden können, haben etwas von herrenlosen Gegenständen aus dem Füllhorn der Geschichte. Sie warten nur darauf, abgeholt zu werden, einen alten oder neuen Herren zu finden, und das heißt mit einem Künstlernamen verknüpft zu werden« (Willibald Sauerländer. Berlin 1986).
Gerade so verhält es sich bei den beiden eleganten Portraits, die ebenfalls namenlos sind bzw. waren. Auf Grund der Signatur HF gab man ihnen als Behelf die Bezeichnung
Monogrammist HF. Dabei hätte man gar nicht in die Ferne schweifen müssen, denn das Monogramm läßt sich überzeugend mit Heinrich Füllmaurer auflösen. Da jedoch über die Lebensgeschichte dieses in Herrenberg geborenen Künstlers nur sehr wenig bekannt ist, kam man offenbar nicht auf den Gedanken, Füllmaurer überhaupt in Betracht zu ziehen.
Die starke Übereinstimmung in der Bildauffassung ließ die Vermutung aufkommen, daß es sich hier um ein Brüderpaar handeln könnte. Tatsächlich gab es ein solches am kaiserlichen Hof, und die opulente Darstellung der beiden entspricht diesem Umfeld, nur ist kaum etwas über das Leben dieser beiden Männer überliefert; immerhin aber so viel, daß sich die These unterfüttern läßt.
Durch den Fehlen der Namen für die Porträtierten befanden sich die Portraits bisher in einer Mauerblümchen-Rolle. Ihre Qualität jedoch wird nun wohl ins allgemeine Bewußtsein rücken, seit sie »mit einem Künstlernamen verknüpft« worden sind. Dies wurde möglich, seit das bisher kleine Œuvre Füllmaurers durch die Zuschreibung des umfangreichen
Gothaer Altar erweitert wurde. Außerdem erscheint die Machart der Portraits des Brüderpaars im Vergleich zu dem gesicherten Portrait des Botanikers Leonhart Fuchs gleichwertig.

Dem Brüderpaar werden hier zwei Portraits des etwas älteren Hans Schäufelein an die Seite gestellt, von denen die Darstelllung des Melchior Pfinzing, wie sich jetzt herausstellte, zum Behelf bisher als Selbstportrait des Künstlers angesehen wurde, obwohl allein schon die vornehme Garderobe (Pelz) dagegen sprach ─ erst recht das kunstvolle Distichon in Latein. Da es nur auf diesem Portrait vorkommt, muß es von dem Dargestellten selbst konzipiert worden sein d.h. von einem versierten Humanisten, übrigens auch er in kaiserlichen Diensten. Damit wurde für die Literaturgeschichte etwas Wichtiges aufgeefunden, nämlich das Bildnis des ´Chefredakteurs´ des
Theuerdank.

Christoph Wilhelmi, November 2016