Bei nachstehendem Beitrag handelt es sich um eine Erstveröffentlichung.

Siehe auch: Register zum Essay „Barett - Plakette - Devise - Imprese“

Christoph Wilhelmi                                             


Barett · Plakette · Devise · Imprese

                                                                    Alles, was uns imponieren soll,
                                                                                    
muß Charakter haben.
                                                                                                                
Goethe 1808
 
Dieses Motto Goethes ist über 200 Jahre alt und immer noch allgemein- gültig; weil allgemein-menschlich gilt es auch für das Zeitalter der Renaissance. Von einer charaktervollen Besonderheit um 1500 soll hier die Rede sein, dem Phänomen der Barette mit Plaketten und Devisen. Dieses Europa umspannende Thema ist erstaunlicherweise bisher kaum behandelt worden. Jedenfalls fehlt es als Stichwort im Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. 

Unter dem Titel Enseignes (Kennzeichen/Aushängeschild) legte jedoch die Kunsthistorikerin Yvonne Hackenbroch 1996 in Florenz einen nach Regionen gegliederten opulenten Bild/Textband vor, der das Phänomen an den Baretten Prominenter der Renaissance ins Bewußtsein rückte. Aufschlußreich ist daran vor allem das Bildmaterial. Von den 343 enthaltenen Abbildungen sind 106 für das hier behandelte Thema relevant. Merkwürdigerweise brachte kein deutscher Verlag eine Übersetzung heraus. Dabei war Yvonne Hackenbroch (1912 Frankfurt/M.─2012 London; 1936 promoviert) eine aus Deutschland emigrierte Schmuckexpertin.

Bekannt waren immerhin Alciatus und Paolo Giovio mit seinem Dialogo dell'imprese militari et amorose (Lyon 1559) und weitere Autoren aus Frankreich. Doch liegen ihre Werke Jahrhunderte zurück und wurden eher auf dem Gebiet der Literaturgeschichte und dort in dem abgeschotteten Bereich der Emblematik herangezogen. Auf Giovio bezieht sich Eberhard Schenk zu Schweinsberg und referiert in seinem Beitrag zum Reallexikon zur Kunstgeschichte (Bd. 3, S.1346): »P. Giovio hat … schon im Jahr 1550 für die Impresa die Doppelheit von anima und corpus … gefordert. Diese Forderung findet sich dann ebenso wieder in der Encyclopédie von Diderot und d’Alembert, Paris 1754…«.

Da andere Autoren des Themas aus Italien oder Frankreich kamen, wie Laurent Hablot oder Yves Giraud L’Emblème à la Renaissance (Paris 1967), wurden sie im Bereich der Kunstgeschichte nicht wahrgenommen. Dabei förderte Hackenbroch z. T. selten reproduzierte Renaissance-Portraits aus dem deutschsprachigen Raum zutage, die zeigen, daß diese Mode nicht allein eine Angelegenheit der romanischen Länder war, sondern sich gerade auch in Mitteleuropa ausgebreitet hatte. So wurden von dieser Mode alle Länder in Europa, von Polen bis Portugal, erfaßt.

Hackenbroch stellte auch die Frage nach den Anfängen und kam zu dem Schluß, der französische König Charles VIII. aus dem Hause Valois (1470─1498) und seine Entourage hätten bei ihrem Zug nach Italien 1494 als auffällige Neuerung Plaketten an ihren Baretten getragen und mit dieser neuen Mode den italienischen Adel animiert, es ihnen gleich zu tun.

Cronica-Napolitana 585Unbekannter Künstler: Einzug König Charles VIII in Italien. Cronica Napolitana
Pierpont Morgan Library, New York, Ms 801.fol. 69





















Für diese Herkunft spricht auch eine Notiz, welche Jan Lauts (S. 308) anführt: »…sähet Ihr den Herrn Federigo, Ihr würdet sagen, er sei schon lange am französischen Hofe gewesen. Heute hat er sich die Haare ganz
alla francese geschnitten und trägt ein schwarzes Barett mit goldener Medaille [s. Beitrag Bartolommeo Veneto, Francesco Gonzaga], so daß er wie ein echter Franzose aussieht…« Diesen Vorgang teilte der Höfling Grossino aus Mantua seiner Herrin, Isabella d’Este, nach Ferrara mit. 1499 war Mailand nach der Schlacht von Marignano von den Franzosen erobert worden. Deswegen, meint L. Volkmann, dieses Ereignis habe die Impresen-Mode ausgelöst, zumal Giovio ─ allerdings aus größerem zeitlichen Abstand ─ feststellte: »Aber zu diesen unseren Zeiten nach der Ankunft König Karl VIII. und Ludwig XII. in Italien suchte ein jeder, der zum Militär gehörte, in Johannes-Brüssel 240Einzug Johannas von Kastilien in Brüssel
1496. Zeitgenössische Illustration
Kupferstichkabinett Berlin
Nachahmung der französischen Offiziere sich mit schönen und prächtigen Impresen zu schmücken« (L. Volkmann S. 42). Doch diese Schmuckform wurde frühzeitig auch von Spaniern verwendet, wie
Der Einzug Johannas von Kastilien in Brüssel 1496 zeigt, der Mutter von Karl V.


Diese Feststellung zielt in die richtige Richtung, zumal zur Zeit Franz I. (1494─1547) Plaketten fast durchgängig bei Hofe getragen wurden, wie die zahlreichen Portrait-Zeichnungen von Jean Clouet (ca.1480─1540/41) und seinem Sohn François beweisen. Im Gegensatz dazu ist auffällig, daß der englische König Heinrich VIII. sie in seinem Machtbereich nicht begünstigte. Von den 85 von K. T. Parker herausgegebenen Holbein-Zeichnungen der Höflinge in London tragen nur fünf eine Plakette an ihrem Barett. Wollte der König vielleicht gegenüber dem französischen Hof bewußt Eigenständigkeit zeigen?

Das Dictionary of Art (Vol. 15, p. 150) enthält einen ausführlichen, zweispaltigen Artikel unter dem, aus dem Italienischen entnommenen Wort Impresa (Unternehmen). Der Beitragsautor, John A. Goodall, entwickelt darin eine weit zurückreichende Genese dieses Begriffes und versucht nachzuweisen, daß die Imprese in England bereits im Hochmittelalter ihre Vorform in den bemalten und z. T. mit Devisen (Wahlspruch, Motto) betexteten Schilden der englischen Ritterschaft hatte; den Höhepunkt bildete eine Kollektion von Turnierteilnehmern anläßlich der Krönungsfeierlichkeiten für Königin Elizabeth. Leider fehlt dazu die Anschauung, denn die entsprechende Sammlung in Whitehall wurde schon im Zuge des Bürgerkriegs zerstört. Daß Heinrich VIII. in seiner Ära die Tradition (vielleicht als ein problematisches Relikt der Rosenkriege?) offenbar unterband, wird in dem Beitrag nicht erwähnt.

Der Lexikonbeitrag hebt bei der Sichtung der frühen Literatur über die Imprese hervor, daß erst spätere Autoren die Doppel-Natur der Imprese betonen: die Gestalt als den Körper und den Text als die Seele. So steht es bei Johann H. Zedler in dessen Universal-Lexicon von 1690ff., das schon die Weiterentwicklung zur Emblematik im Blick hat: »Latein. Emblemata, Symbolum, Frantz. Emblème, Devise, ist ein Gemählde, welches in einem Bilde, und wenig beygesetzten Worten, einen verborgenen Sinn erweiset, welcher zu fernerem Nachdenken veranlasset. Das Bild wird für den Leib, die Schrift für die Seele eines Sinnbildes geachtet…«.Der Autor des Lexikonbeitrags weist besonders auf Pisanello hin, der sowohl Bildnismedaillen geschaffen hat, von denen zahlreiche erhalten blieben, als auch Plaketten.

Kopfbedeckungen

Diese waren in der Renaissance vielgestaltig. Das Birett/Pirett, später Barett, war eine gesteifte Mütze mit oft aufrecht stehendem, handbreiten Rand. Die Krempe wurde vielfach geteilt durch Schlitze, die von gepufftem Band oder Metallstiften (bei Fürsten Gold) gehalten wurde. Erst ab 1540 schrumpfte die oft weit ausladende Krempe durch spanischen Einfluß (lt. O. Timidor). Im Bürgertum waren als alltäglicher Gebrauchsartikel schlichtere Versionen üblich, und der Schutz des Kopfes gegen Wind und Regen stand im Vordergrund. Allerdings war das Barett bei Vermögenderen nicht bloß ein Gebrauchsgegenstand. Es diente auch zur Schaustellung des tatsächlichen oder vermeintlichen Reichtums. Das bei Klerikern benutzte Birett spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, zumal daran keine Verzierung üblich war.

Daß es so viele Bezeichnungen für Kopfbedeckungen gibt wie Mütze, Kappe, Barett etc., zeigt an, daß eine Vielfalt von Macharten existierte. Auf der Grauen Passion (Staatsgalerie, Stuttgart) von Hans Holbein d. Ä. tritt solch eine Fülle von Barettformen auf. Hutmacher (bei Frauen: Putzmacherinnen) waren bis ins 20. Jahrhundert angesehene Handwerker, die kreativ vorgingen und immer neue Variationen gestalteten. Unter der Vielzahl der Benennungen hat sich jedoch das Barett am längsten gehalten. Obwohl es vermutlich aus Gallien stammte, fanden die Römer dafür die Bezeichnung ´birrus´. Daraus ging das mittellateinische barretum hervor, das sich bis heute gehalten hat: eine schirmlose Kopfbedeckung für geistliche und weltliche Würdenträger. Übrigens wird der Kardinalshut in Frankreich als barrette bezeichnet.

Trägermaterial für die Plaketten waren die damaligen Kopfbedeckungen, die Barette. Die Grundform konnte ohne Krempe benutzt werden, wie heute noch die Baskenmütze. Wesentlich häufiger jedoch tritt das Barett mit sehr unterschiedlichen Krempen auf. Diese waren in der Weiterentwicklung auch geschlitzt und konnten teilweise oder ganz hochgeklappt und je nach Wetterlage verschnürt werden, je nachdem, ob man mit den Krempen die Ohren schützen wollte oder nicht. Die Hutmacher fertigten immer neue Versionen, die Krempen hochzuschlagen, und entwickelten dabei viel Phantasie. So wurden bei manchen Ausführungen Teile der Krempe mit Bändern verbunden. Schließlich mußte der Kopfputz auch den wechselnden Moden und unterschiedlichen Regionen gerecht werden.

Staiber 240Lorenz Staiber: Lorentz Staiberin 
Zeichnung. Bamberg, Bibliothek
Das Material bestand primär aus Filz, konnte aber zur Zeit der Brüder van Eyck auch aus Seidentüchern turbanartig geformt sein (s Jan van Eyck: Mann mit rotem Turban. 1433. National Gallery London). Die ausgefallenste Variante davon bildete die im Herzogtum Burgund bzw. Flandern entwickelte ´le Hennin/hénin´, welche mit Hilfe eines Drahtgestells einen kegelförmigen, von Seidentüchern verkleideten Aufbau bis ein Meter Höhe bildete. Verständlicherweise war diese Sonderform mehrheitlich Frauen vorbehalten. Eigentümlich für die Zeit war aber, daß männliche und weibliche Kopfbedeckungen stilistisch sich nicht allzu weit voneinander entfernten. Das zeigt sich im Reformationsteppich von Peter Heymans von 1554 in der Universität Greifswald, auf dem 20 Prominente versammelt sind. Zugleich ist dieser Teppich ein Beispiel für den Variantenreichtum in der Barettausstattung.


Das Gros der Barette bestand aus schwarzem Filz. Abgebildet wurden begreiflicherweise hauptsächlich die von Männern getragenen ─ aber nicht nur. Die Portraits von Lucas Cranach d. Ä. zeigen, daß Frauen ganz ähnliche aufsetzten, jedoch mit allerlei Zusätzen bzw. Applikationen: Juwelen, Federn, Goldstiften und Perlen. Die an Wagenräder erinnernden Barette mit sehr breiten Krempen waren bei beiden Geschlechtern beliebt (Cranach d. Ä., HerzogAlbrecht I. als junger Mann im Herzog-09.01 Cr.dJ Albrecht Hut   240Lucaas Cranach d. Ä.: Herzog Albrecht I.
von Preußen. Öl auf Holz. 1528
Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig).

Barette wurden in nahezu allen Berufsgruppen getragen: angefangen beim Kaiser über den Hochadel und die Ritterschaft; die Stadtbürgerschaft aus erfolgreichen Kaufleuten und Handwerkern stand nicht nach. Für letztere liefern die
Augsburger Malerbildnisse der Dürerzeit (von Friedrich Winkler. Berlin 1948) das Anschauungsmaterial d.h. Barette in unterschiedlichen Formen. Dabei spielte die Krempe kaum eine Rolle; Applikationen fehlen. Wollte Bonifacius Amerbach, 1519 gemalt von Hans Holbein d. J. (Öl auf Tannenholz. Kunstmuseum Basel), seine Bürgerlichkeit betonen, daß er ein elegantes, schirmmützenartiges, aber schmuckloses schwarzes Barett trug? Vom Vermögen her hätte er sich ein aufwändiges leisten können wie auch Holbeins Kaufmann Gisze. Daß auch in Italien sehr unterschiedliche Kopfbedeckungen üblich waren, zeigt Gentile Bellini in Gruppe von drei Männern (Tuschpinselzeichnung 21,2 x 16,8 cm. Biblioteca Reale, Turin Nr. 15905).

Costa 240Lorenzo Costa: Familie Bentivoglio
Ausschnitt. Tempera auf Leinwand
für S. Giacomo Maggiore, Bologna
Albrecht Dürer hat einige Bauerndarstellungen geschaffen; leider sind sie barhäuptig. So läßt sich über Portraits nicht klären, inwieweit die Bauern nur gewickelte Tücher, oder nicht ebenfalls diese Kopfbedeckung in einer schlichten, kappenartigen Version (der tocque) wählten. Vertreter niederen Ranges waren auch Choristen. Lorenzo Costa (ca.1460─1535) hat sie bei mehrstimmigem Gesang porträtiert .

Von den zehn Personen, darunter zwei Frauen, tragen drei eine schlichte cappa mit schmaler, hochgeschlagener Krempe. Zwei von ihnen haben eine Plakette rechts zwischen Auge und Ohr daran befestigt. Bei deutschen Musikern, z. B. Trommler und Pfeifer von Albrecht Dürer, hat der rechte noch ein Tuch um den Kopf, der linke ein lasches, gerafftes Barett. Daraus liesse sich schliessen, daß es vielerlei Übergangslösungen gab.



Ganz deutlich jedoch zeichnet sich eine Grenzlinie ab zwischen Adel und Bürgertum. Der Adel begnügte sich sehr bald nicht mehr mit einfachen Baretten, sondern heftete Schmuckstücke an das Philip-of-Cleve 240Meister der Magdalenen-Legende (zugeschr.):
Philipp von  Cleve. Royal Collection, London
Barett, um sich selbst auszuzeichnen bzw. vom gemeinen Mann abzuheben. Aus der Frühzeit der Mode haben sich einige charakteristische Königsportraits des 15. Jahrhunderts in England erhalten, welche bestätigen, daß die Fürsten mit dieser Mode den Ton angaben.

Damals waren es noch aufwendige Juwelierarbeiten aus Edelsteinen und Edelmetall sowie Perlen. Philippe le Bon trug um 1430 am schwarzen Barett (mit rechts herabhängendem Tuch) eine solche Kombination aus einer großen Perle, darüber vier Perlen, die ein auf die Spitze gestelltes Quadrat umgeben, in dem ein rötlicher Edelstein zu sehen ist. Sein Sohn, Karl der Kühne, wird in einer Buchillustration von Nicolas Spierinc und Lievin van Lathem auf dem Thron gezeigt, als er 1469 die neue Hofordnung in Buchform überreicht bekommt. Er trägt bereits eine Plakette mittig am Barett. Seine Schwester, Margarete von York, trug dagegen aufwändigen Halsschmuck aus goldenen Buchstaben sowie an ihrem dunklen Kopfputz ein goldenes B, an dem oben ein kleines A und unten ein kleines O befestigt war. Aus dem Jahr 1496 existiert eine Zeichnung des Einzugs der Burgunder (inzwischen der Habsburger) unter der Leitung von Joana von Kastilien. Von sieben darauf sichtbaren Männern tragen fünf am Barett eine Plakette.

Auch in einem Portrait des 15. Jahrhunderts, das Kaiser Sigismund 1440/50 darstellt, befindet sich an der Krempe der tocque ein aufgenähtes Schmuckstück. Nach und nach wurde es Brauch, Juwelen am Barett anzubringen. Yvonne Hackenbroch leitet diese Mode von Frankreich her (s.o.) und bringt sie in Verbindung mit den Pilgerhüten. So taucht auf einem Fresko von Pisanello in S. Anastasia in Verona ein Wappen der pelegrini 1433/38 auf. Benozzo Gozzoli malte 1459/61 im Umfeld der Hl. Drei Könige Lorenzo de’Medici mit auberginen-farbenem Barett, an dem fünf Broschen aus Edelsteinen befestigt sind. Neben vielen regionalen Wallfahrten ging es vor allem um Caprioli-Liebesp Det 240Domenico Caprioli Liebespaar und Pilger
(1520. Öl auf Leinwand, 50,5 × 81 cm)
Sotheby’s 1997 (Detail)
Santiago di Compostella in Nordwestspanien und die Reise nach Jerusalem. So hefteten Adlige unter den Santiago-Pilgern schon vor 1494 die Muschel an ihre Mützen, und Jerusalem-Pilger befestigten ein eigenes Abzeichen an ihren Baretten.

Hackenbroch (S. 2) berichtet sogar von einem königlichen Pilger, Ludwig XI., der sich eine Sammlung von Pilgerplaketten anlegte, darunter sogar von Zielorten, die er gar nie besucht hatte.

Demgegenüber trug König Heinrich VIII. von England offenbar eine Abneigung gegen die Plaketten, denn als er sich von Hans Holbein d. J. 1525 porträtieren ließ, waren an der Unterseite seines Baretts nur unzählige goldene Röllchen zu sehen ─ für die ihn von unten her betrachtenden Untertanen die Schauseite des Baretts. Es ist nicht auszuschließen, daß er sich bewußt von der französischen Mode absetzen wollte. Nur fünf Höflinge der von K.T.Parker registrierten Holbein-Zeichnungen Leyden-Pilger 240Lucas van Leyden: Die Pilger
um 1508. Kupferstich
tragen eine Plakette.
Denkbar wäre aber auch, der König wollte die Wirkung der höchsten Auszeichnung in England, des 1348 gegründeten Order of the Garter, nicht durch individuelle Plaketten bzw. Impresen beeinträchtigen.


Unter Elizabeth I holte England diese Phase im Bereich der Medaillen sozusagen nach. »She used imprese on medals, in jewels and generally in her portraits to enhance their message. Mary, Queen of Scots, made extensive use of imprese from published collections in her embroideries« (█). Fürstliche Kinder in England trugen übrigens keine Impresen, geht man von Holbeins Portraits des Thronfolgers Edward aus. Dagegen trug der Dauphin in Paris sehr wohl eine Imprese ─ auch hier differierten die französische Auffassung von der der Egnländer.

Didier Méhu (S. 25) stellte fest: »Das Pilgerzeichen gleicht einer Brosche, die der Pilger an seinen Hut oder an seine Kleider heftete. Zeichen seiner Frömmigkeit und Zeugnis der durchgeführten Pilgerzeichen-Kreuz 240Jerusalemkreuz. zwischen 1450 und 1550
Blei/Zinn
Musée National du Moyen Age,
Thermes de Cluny, Paris
Wallfahrt…«. Dazu gibt es einen anschaulichen Kupferstich vin Lucas van Leyden:
Die Pilger (um 1508). Außer mehreren Muscheln sind bei beiden Pilgern an der hochgeschlagenen Krempe bei der Frau ein quadratisches Bildnis und bei dem Mann ein abgerundetes Bildnis, allem Anschein nach des Antlitz Christi, befestigt. Höchsten Rang hatte vermutlich das Jerusalemkreuz als Beweisstück für den Pilger bei seiner Rückkehr.


Einst waren diese Abzeichen sehr zahlreich, doch ist es heute nicht mehr möglich, die wenigen erhaltenen Stücke genauer als ´um 1450─1550´ zu datieren. Immerhin ist damit der Zeitrahmen ihres Gebrauchs beschrieben. Der 1515 von Hans Baldung porträtierte Markgraf Christoph von Baden trägt noch ein mit Edelsteinen besetztes Kreuz am Barett. Ähnlich verfuhren einige Prominente, die Ritterorden angehörten wie die Herren des Turnierbundes vom Fisch und vom Falken, sodaß sie sich mit der Plakettenmode überschneiden.

Pilgerzeichen-Schiff 240Madonna auf einem Pilgerzeichen, als Schiff
gestaltet 14. Jahrhundert. Blei/Zinn, früher
Sammlung Forgeais Thermes de Cluny, Paris
Das Wort Plakette ist wesentlich jünger als die Ära der Jerusalem-Kreuze; in Deutschland wurde ´Plakette´ erst Ende des 19. Jahrhunderts gebräuchlich. Hier wurde das Wort jedoch als Dachbegriff für die Vielzahl verwandter Bezeichnungen wie Agraffe, Kokarde etc. bis zu heutigen Tags button eingesetzt. Doch zurück zu den Kopfbedeckungen.

Der Rentmeister Lorenz Sterck, den Dürer 1521 porträtierte (Öl auf Eiche 50 x 36 cm. Prado, Madrid), unterstrich seine Würde dagegen durch ein schwarzes Barett, das seiner Schulterbreite entsprach. Es hat eine auffällige Entsprechung in dem schwarzen, breiten Barett des Kaisers Maximilian I., gemalt von Dürer (1519. Öl auf Holz 73 x 62 cm. Kunsthistorisches Museum, Wien Nr. 825). Auch das mehrfach geschlitzte Barett
des Ulrich Varnbüler, im Dürer-
Holzschnitt von 1523, weist diese Besonderheit wohl Strigel-Herr-v-L 240Bernhard Strigel: Herr von Laubenberg
Schloß Raudnitz. Öl auf Holz 41 x 29 cm
nicht aus Zweckmäßigkeit auf.


Es fällt aber auf, daß im gehobenen Bürgertum, in der Schicht der Patrizier und Ratsherren, ab ca. 1520 die Netzkappe aufkommt, die teils als solche getragen wird, oft aber auch unter dem schwarzen Baretts hervor scheint, wenn dieses schräg aufgesetzt wird. Dafür gibt es eine Reihe schöner Beispiele bei Dürer (Jacob Fugger, Brüder Paumgartner).

Am einheitlichsten ist die Mode des vergleichsweise schlichten schwarzen Baretts von den Wissenschaftlern der Zeit, den Humanisten, gehandhabt worden. Ferdinand Ahuis (S. 129) meinte in seiner Untersuchung des Cranach d.Ä.-Portraits von Christoph Ering (1532), welches früher fälschlich als Johannes Bugenhagen galt, hier Unterschiede von Fachrichtungen an den Universitäten feststellen zu können, jedenfalls bei den protestantischen Theologen: » Außerdem hat Melanchthon im Unterschied zu den drei Theologen und Spalatin als Kopfbedeckung keine Gelehrtenmütze…, die in der Form von derjenigen der drei Theologen etwas abzuweichen scheint (höhere Krempe, ähnlich Spalatin). Gemeinsam ist den Mänteln, daß sie keinen Pelzbesatz tragen… Melanchthon Brosamer-Sturtz 240Hans Brosamer: Georg Sturtz
Holzschnitt 1542
und Spalatin [tragen] als Mitglieder der philosophischen Fakultät einen Mantel mit halbem Stehkragen«. Das mag im Umkreis Luthers zutreffen, insgesamt jedoch nicht, wie sich aus der Klientel des von dem Porträtisten B. Bruyn d. Ä. gemalten Kölner Akademikern ergibt. Hier sind die akademisch ausgebildeten Räte nicht anders gekleidet als die Professoren an der Universität. Eine enge, gar strenge Kleidervorschrift für Kopfbedeckungen scheint es nicht gegeben zu haben.



An diesem Punkt ist als Parallele zu dem hier behandelten Thema ein Einschub aus dem Umkreis Kaiser Karl V. erforderlich, der zwar eine persönlich ausgestaltete Plakette trug, aber vor allem den von seinem Großvater mütterlicherseits gegründeten Orden des GoldenenVlies machtpolitisch einsetzte.

Diese allerhöchste Auszeichnung in Europa, das Goldene Vlies, wurde zwar nicht am Barett hängend getragen, sondern an einer schwarzen Schnur oder Kette mittig vor der Brust. Es spielt aber als Vorform der Plakette eine namhafte Rolle. Die Gründung des Ordens ging aus strategischem Denken hervor, denn zunächst erhielten ihn nur hochrangige Fürsten. Ausgedacht hatte sich diesen Zusammenschluß der Herr über das ´Mittelreich´, dem Territorium zwischen dem König von Frankreich und dem deutschen Kaiser, der burgundische Herzog Philippe le Bon (1396─1467). Seine Idee war es, aus Anlaß seiner Heirat mit Isabella von Portugal 1429, die Mächtigen Europas in einem Orden unter seiner Leitung zu vereinen, um durch diesen brüderlichen Akt der Zusammengehörigkeit Kriege unter den Beteiligten zu vermeiden. Philippe le Bon hatte richtig erkannt, daß seine Mittellage in Europa militärisch bedroht war, zumal er selbst ständig sein Territorium zu erweitern suchte und dadurch Gegenaktionen hervorrief. Mit dieser Machtpolitik machte er sich selbst zum Sicherheitsrisiko; sein Sohn, Karl der Kühne, kam dabei ums Leben, als bedenkenlos auf Erweiterung seines Territoriums aus war. Es gelang Philippe le Bon aber, den hauptsächlich aus Burgund und Flandern bestehenden Staat zum reichsten und kulturell fortschrittlichsten zwischen den Großmächten auszubauen. Der Handel der flandrischen Städte brachte Besonderheiten aus aller Herren Länder ins Land und damit eine Fülle von Anregungen.

Die Hintergründe bzw. Bezüge sind jedoch recht verwickelt. Das Goldene Vlies entstammt noch der griechischen Mythologie und geht auf die Argonauten zurück. Der Widder, um dessen Fell es sich handelte, hatte die besondere Eigenschaft, daß er fliegen und sprechen konnte. Phrixos opferte ihn, weil er dadurch der eigenen Opferung durch seinen Vater entging. Damit wurde das Goldene Vlies jedoch für Iason begehrlich, der mit den Argonauten dorthin startete und es sich aneignete. Der Widder selbst Gold-VliesOrden vom Goldenen Vlies.
Schatzkammer, Wien
jedoch wurde als Sternbild Aries in den Himmel versetzt.


Zum Großmeister des Ordens setzte Philippe le Bon sich selbst ein. Er gab zur Verleihung die strikte Anweisung, die als Motto aufgefaßt wird: aultre n’a(u)ray, oder wie Zedler mitteilt: Autre n’aurai, aliud non babebo (»ich will keinen anderen Orden/Ordenszeichen haben«). Philippe verlangte nämlich, »das güldene Vlüß nie von sich zulegen, sondern beständig zu tragen und vor Augen zu haben« (Zedler). Auslöser für diese Idee und die eigenwillige ´Gebrauchsanweisung´ dazu war die Erinnerung seines Vaters, Johann des Unerschrockenen, der auf seiner Reise nach Jerusalem am Hellespont in türkische Gefangenschaft geraten war. »Diese Gefangenschaft und die Ehre des christlichen Namens an den Türcken zu rächen« (Zedler) war der zentrale Vorsatz Philippes, die ihn veranlaßte, keinen anderen Orden anzunehmen. Die Konditionen hat dann einer seiner Nachfahren, Kaiser Karl V., etwas gelockert.

Karl der Kühne 240Roger van Weyden: Karl der Kühne
Gemäldegalerie Berlin
Philippe Le Bons ehrgeiziger Sohn, Karl der Kühne (1433─1477), führte diese Tradition fort. Er kreierte für sich als Kopfbedeckung den federlin, der mit 5 blassen Rubinen, 4 Diamanten, 70 kleinen Perlen und 3 großen Perlen geschmückt war. Doch er setzte bei seinem unüberlegten Kampf gegen die Schweizer in der Schlacht bei Murten 1476 sein Land aufs Spiel und fiel. Der Hut gehörte zur immensen Beute der Schweizer. Der federlin wurde von den Baslern auseinandergenommen, als sie den Schmuck an Jacob Fugger verkauften. Politisch gingen Teilgebiete des burgundischen Staates verloren, welche sich die großen Nachbarn einverleibten und nun, sich näher gerückt, gegenseitig bedrohten.


Eigentümlich bleibt an dem Vorgang, wie den burgundischen Herzögen die Umwertung des Mythos vom Goldenen Vlies gelang. Das Vlies wird eigentlich zu einem Symbol des Fluches, der an einer bösen Tat haftet; so jedenfalls sah es Franz Grillparzer 1818/20, als er seine Trilogie Das goldene Vlies schrieb. Bei Grillparzer geht es um die Tragödie des Lebens, daß der Mensch in seiner Jugend sucht, was er im Alter nicht brauchen kann. Philippe le Bon trachtete nach etwas Einzigartigem, das die europäischen Fürsten zusammenbinden sollte. Gewissermaßen erfüllte sich aber der ´Fluch´, indem Karl der Kühne sehr bald scheiterte und Karl V. trotz seiner Machtfülle kein zusammengehöriges Europa schaffen konnte. Durch seinen Eigensinn entstand dagegen ein konfessionell zerrissenes Europa.

Maximilian von Österreich (1459─1519), der Sohn Kaiser Friedrich III., wurde Karls des Kühnen Schwiegersohn, als er 1477 dessen einzige Tochter, Maria von Burgund, heiratete. Dabei bekam Maximilian erhebliche Schwierigkeiten, Flandern dem Reich einzugliedern und wurde bei den Auseinandersetzungen in Flandern sogar gefangen genommen. Die Tradition des Ordens vom Goldenen Vlies führte auch er konsequent fort. Infolgedessen wurde z.B. auch Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, in den Orden aufgenommen.

Maximilians Sohn, Philipp der Schöne (1478─1506), übernahm die Tradition wie auch dessen Sohn Karl V. (1500─1558). Dieser erweiterte den Personenkreis des Ordens, indem er wichtige Stützen seines Machtapparats einbezog, selbst wenn sie von niederem Rang waren, sich aber als tüchtige, ihm ergebene Persönlichkeiten bewährt hatten. Er machte sie zu Trägern des Goldenen Vlies wie Jean de Marnix (s. Beitrag Gossært, J. de Marnix). Auf diese Weise versammelte er die für ihn zum Machterhalt wichtigen Schlüsselfiguren im Orden vom Goldenen Vlies. Damit wurde dieser Orden zu einer Auszeichnung für Kaisertreue.

Niederländisch-Philipp-v 240Meister der Magdalena-Legende:
Philipp der Schöne 1483.
Öl auf Holz 29,2 x 24,1 cm.
Coll. John G. Johnson,
Philadelphia Nr. 1175
Dieser gedankliche Umweg war zur Erhellung der Situation notwendig, denn Karl V. ist, trotz des ganz auf ihn zugeschnittenen Ordens zugleich ein treffendes Beispiel für die besondere Form der Plakette, die nicht nur adliger Zierrat war, wie bei Christoph von Baden, sondern zum Objekt einer programmatischen Aussage aufgeladen wurde.


Karl V. setzte seinen Wahlspruch plus ultra (darüber hinaus) als Devise (im umlaufenden Text) auf seine Plakette. Seine Machtpolitik lief ─ entsprechend diesem Programm ─ ebenfalls auf Machterweiterung hinaus. Für ihn gab es drei Hauptfeinde: Franz I. von Frankreich, die Türken und die konfessionelle Reformbewegung. Er gab sich mit dem Ist-Zustand nicht zufrieden, sondern suchte, sein ererbtes Territorium von Spanien bis Wien auszuweiten, wo es nur möglich war. Dafür setzte er sogar mit einer Streitmacht nach Afrika über und eroberte Tunis 1535. Während dieser Vorstoß ihm keinen Geländegewinn brachte, kam jedoch ein neuer Erdteil hinzu dank der Konquistadoren, die seine spanischen Großeltern Isabella und Ferdinand gefördert hatten: die Entdeckung und Eroberung Amerikas. Mythologisch bezog sich das plus ultra auf die sog.´Säulen des Herkules´, welche die Straße von Gibraltar nach antiker Vorstellung flankierten, wie sie auf der Plakette Karls V. abgebildet sind. Damit bewies er zugleich seine Verbindung zum Imprese-zu-Karl-V-Säulen 240Gruppe des Georg Fugger:Kaiser Karl V.
1541. Verso: Karls Imprese ´Plus Ultra´ mit
den Säulen des Herkules
Humanismus. Gerade der Rückgriff auf die Lebenswelt der Antike hatte in der Renaissance Konjunktur, nicht nur unter Humanisten. Auffällig ist an dem
Goldenen Vlies wie an den Plaketten mit Impresen, daß Karl V. als Zentrum der Macht in Europa zugleich Schnittpunkt dieser zwei Prestige-Moden war und diese auch noch mit seinem Ableben endeten.


Mit diesem Beispiel ist der Rahmen des Essays abgesteckt: die Entwicklung von der ursprünglich souvenierhaften Plakette über das persönliche Motto bzw. den Wahlspruch, die Devise, zum neuartigen, emblematischen Objekt, der Imprese als der höchsten Steigerung durch Komnbination von Bildbotschaft und Wahlspruch. Dieses aus Italien stammende Wort bedeutet dort noch heute Unternehmung. Mit der Kombination von Text und Bild in der Imprese sollte ein Lebensziel, eine persönliche Absicht zum Ausdruck gebracht werden; bei etlichen bestand es auch in einer Heiligenfigur als religiöses Bekenntnis. Die Entwicklung dazu zog sich über zwei bis drei Generationen hin, bis sich diese Mode um 1500 voll ausbildete. Die Isaak-Medaille 240Unbekannter Künstler: Opferung des Isaak
1530/40. Privatsammlung
seltenes Beispiel einer originalen Imprese
Imprese führte damit zu einer erstaunlichen, europaweiten Blüte in dem goethischen Sinn, anderen durch Charakter zu imponieren.

Schon der Heereszug des französischen Königs Charles VIII. 1494/95 war hochgradiges Imponiergehabe. Er wollte sich das Königreich Neapel aneignen und dabei die Landbrücke zu Frankreich gleich mit. Deshalb war sein Auftreten in Italien einerseits eine Bedrohung für die italienischen Fürsten, andererseits aber auch eine Attraktion für italienische Adlige (s. Beitrag Carpaccio, Federico Gonzaga), sich ihm bei dem ´Befreiungsversuch´ anzuschliessen. Charles wollte von Italien aus Jerusalem erobern. Dazu kam es durch die Schlacht von Fornovo (s. Beitrag Bartolomeo Veneto, Francesco II. Gonzaga) nicht mehr. Die Niederlage zwang ihn zur Rückkehr nach Frankreich.

Franz-I 240Unbekannter Künstler: Franz I.
1510/15. Öl auf Holz
Society of Antiquaries, London
Worum handelt es sich bei der Imprese? In dem breit angelegten Universal-Lexicon von Johann H. Zedler 1732/54 und im Wörterbuch der Kunst aus dem Akademie-Verlag (Berlin 1957) kommt der Begriff nicht einmal vor; desgleichen nicht im Lexikon der Kunst aus dem E. A. Seemann Verlag (Leipzig 1971). Immerhin gibt es von William S. Heckscher/K.A.Würth im Reallexikon zur Kunstgeschichte Bd. 5 (S. 99) eine ausgesprochen theoretische Definition: »Eine Sonderform der Devise ist die Imprese, die durch eine Rückbildung des dreiteiligen Emblems zur Zweiteiligkeit der Devise (es fehlt das Epigramm) entstand und wie die Devise verwendet wurde. Bei schöpferischer Abwandlung des E. zur Imprese konnte auch nur ein Element des E. übernommen und ein zweites neu hinzugefügt werden, … Bezeichnenderweise wurde das Lemma des E. bei der Imprese öfters durch ein Motto persönlicheren Inhalts ersetzt«.


In neuerer Zeit beschäftigte sich Angelica Dülberg (Privatporträts. Berlin 1990) mit dem Begriff (S. 53) und stellt, bezugnehmend auf E. Panofsky, anhand der Allegorie der Klugheit von Tizian fest: »… vielmehr vermischen sich deren Inhalte zu einer neuen im eigentlichen Sinne nicht eindeutig definierbaren Kunstform«. Im weiteren Verlauf und im Zusammenhang mit den Portraitmedaillen schreibt sie (S.104): »Da die Imprese stets auf eine ganz bestimmte Person zugeschnitten ist, kann sich zwar ihre bildliche Darstellung [anderswo] … wiederholen, das hinzugefügte Motto, … die Seele des Ganzen, gibt ihr aber erst den individuellen Sinn«. Dülberg muß allerdings einschränken: »Die Devise oder Imprese, die durch Vereinigung von Bild und Motto charakterisiert ist, ist in ihrer reinen Kunstform vergleichsweise selten« (S. 106). Die Originale sind bis auf ganz wenige untergegangen. Immerhin lassen sich noch rd. 140 Exemplare auf gemalten Portraits ermitteln (s. zugehöriges Register). Daß die Parameter für den Komplex Devise/Imprese nach Art amtlicher Vorschriften festgelegt worden wären, ist natürlich für die frühe Zeit undenkbar. Eine solche Festlegung war auch bei der Ausbreitung bis nach Dänemark, Polen und Sizilien ausgeschlossen. Mode funktioniert über Reize und nicht über Anweisungen.

Bart-Veneto-Badge 240Bartolomeo Veneto: Imprese von Charles de
Bourbon. Detail des Portraits im Fitz-
williams Museum, Cambridge/UK
Warum fehlt es an einer Materialzusammenstellung erhalten gebliebener Plaketten? Originale Plaketten von Baretten sind leider nur in ganz wenigen Stücken erhalten; schon Hackenbroch konnte nur ein paar Stücke ermitteln. Es ist davon auszugehen, daß sie weitgehend untergegangen sind. Bedenkt man allein die enormen Verluste an Original-Plaketten, die schon bei der Schlacht von Fornovo 1495 einsetzten (das französische Heer mußte sich bekanntlich geschlagen geben) sowie in späteren Schlachten folgten, sind die gemalten Impresen der einzige Ausweg, diese für eine Untersuchung heranzuziehen und so eine Basis für das Thema zu bekommen. Insofern sind die erfaßten und verwerteten rd. 143 gemalten Impresen beachtlich. Allerdings ist der wiedergegebene Status nur in wenigen Fällen (z.B. bei Bartolommeo Venetos Portraits) einem Original gleichwertig. Oft
stehen zur Einschätzung des Phänomens nur skizzenhafte Wiedergaben in Gemälden zur Verfügung, weil die Plaketten in den Portraits selten frontal abgebildet wurden. Zwar kommt dabei einerseits die in der Renaissance malerisch angestrebte Authentizität in der Wiedergabe der ersatzweisen Verwertbarkeit entgegen. Andererseits haben die Künstler die Plaketten an den Baretten nur skizzenhaft angedeutet (diese Aussage gilt für den größeren Teil der registrierten Plaketten). Diese Versionen überwiegen, geben aber immerhin über die Platzierung, geographische Herkunft und Verbreitung nützliche Auskunft.

Um die Vorstellung von den Konturen und auch das Ausmaß des Komplexes Plakette/Devise/Imprese deutlich herauszuarbeiten, wurden über Jahre die Daten zu entsprechenden Portraitgemälden, die Plaketten und, zu einem kleineren Teil (ca. 40%), Impresen enthalten, gesammelt. Aufgebaut wurde dabei auf dem Fundus von Frau Hackenbroch; sie zog als erste die bildliche Wiedergabe auf Portraits der Zeit zur Beschreibung des Phänomens solcher Impresen heran. Von ihrem Bildmaterial kommen 106 Beispiele für die Untersuchung infrage. Für viele der weiteren, gesammelten Beispiele gilt allerdings, daß die Impresen vom jeweiligen Künstler oft nur teilweise oder in Andeutung erkennbar sind, da sie in Schräglage oder zu kursorisch gemalt wurden.

Ferner gibt es etliche Bildnismedaillen, welche die damals so beliebten Plaketten aufweisen. An denen sind allerdings wegen des geringen Durchmessers kaum gestalterische Details innerhalb der Plaketten zu erkennen. Das im Laufe der Jahre gesammelte Material von Gemälden, Zeichnungen und Bildnismedaillen umfaßt erstmalig 378 Beispiele und hat sich seit 1996 fast vervierfacht. So eröffnet sich die Möglichkeit, das Thema erstmalig repräsentativ und aussagekräftig anzugehen sowie durch statistische Auswertungen zu dokumentieren. Dabei wurden jedoch die 40 Clouet-Zeichnungen, bei denen die Plakette nicht ausgeführt, sondern nur skizziert wurde, ausgespart, weil sie statistisch das Gewicht zusehr verschieben würden.

Bedenkt man die Ausbreitung auf zahlreiche Länder, mag die erweiterte Anzahl klein erscheinen. Dabei ist aber zu bedenken, daß von der Mode in erster Linie der Hochadel (herab bis etwa zur Grafenebene) erfaßt wurde. Insofern ist die ermittelte Menge an Beispielen sogar erheblich. Grob gesagt zwei Drittel der Bildbeispiele zeigt Plaketten, ohne daß die thematische Füllung mit überliefert wäre. Das gilt außerdem für die Clouet-Zeichnungen (s. unter Motive), welche aus der vorliegenden Statistik herausgenommen wurden, weil sich sonst die Auswertung durch die hohe Stückzahl einseitig zu Gunsten Frankreichs verschoben hätte. Im Skizzenhaften der Zeichnung ging es den beiden Künstlern um die treffende Physiognomie ihrer Auftraggeber, nicht um die Ausschmückung. Immerhin sind auch solche Beispiele aussagekräftig insofern, was die z. B. Ausbreitung angeht und die Art, wie die Plaketten getragen wurden.

Die miteinander verzahnte Thematik machte erstmalig eine differenzierte Auswertung möglich. Diese erfolgt deshalb vom Allgemeinen (dem Vorkommen der Plakette) zum Besonderen (der Imprese). In dem gleichzeitig veröffentlichten Register der Bilder mit Plaketten resp. Impresen (s. unter Motive) sind beide Versionen unter einem Künstleralphabet zusammengefaßt; wo vorhanden, wurden die Impresen in der jeweils letzten Zeile hervorgehoben und können so im Einzelnen nachvollzogen werden.

Material. Da sich die Plaketten aus den vorausgehenden Goldschmiedearbeiten entwickelten, mit denen die Träger imponieren wollten, überwiegt als Material das Metall Gold. Andere Metalle wie Silber, Bronze kommen vor. Für den Massenbedarf der Pilger wurden als Souvenir Plaketten aus Blei hergestellt. In seltenen Fällen tritt die Verwendung von Emaille auf (s. Beitrag Bartolommeo Veneto, Charles de Bourbon). Das Edelmetall besagt schon, daß nur Herrscher und Reiche sich diese Ausschmückung leisten konnte. Wieviel z.B. Francesco Gonzaga für seine Plakette/Imprese bezahlt hat, ist nicht bekannt. Um trotzdem eine Vorstellung von den Kosten zu bekommen, bietet sich der Vergleich mit der Bildnismedaille an. Diese wurden in der Regel aus Bronze gefertigt, also keinem Edelmetall, und kosteten dennoch rd. 5 Gulden. Soviel bezahlte z.B. Herzog Georg von Sachsen dem gefragten Medailleur Hans Schwarz auf dem Reichstag in Augsburg (lt. Jeffrey Chipps Smith S. 273).

Salamanca-Medaille 240Ulrich Ursentaler: Medaille des
Gabriel von Salamanca-Ortenburg. 1533.
Münzkabinett des Kunsthistorischen
Museums, Wien Nr. 14.383bß
Form. Obwohl offiziell keine Normierung vorgegeben wurde und daher immer nur Beispiele weiterwirkten, dominiert als Form der Kreis mit 65 %. Diese Form blieb eindeutig die beliebteste, zumal die Entwicklung der Plakette parallel zu der der Bildnismedaille verlief, die sich fast ausschließlich auf die Kreisform beschränkte.

Diese wird hier gefolgt vom Oval mit 10 %, wobei sowohl die Hoch- als auch die Querform benutzt wurden. Aber es kamen auch andere, freie Formen vor (geometrische mit 2%), zumal sich mittels Abweichungen von den Vorbildern die Individualität des Auftraggebers besser herausstellen ließ. Die übrigen Plaketten sind malerisch unbestimmte bzw. undeutlich wiedergegebene Formen.

Zeitraum. Da der Ursprung der Plakette nicht völlig geklärt ist und die Laufzeit ein ´open end´ hatte (wie die Renaissance selbst), erhält diese Auswertung, geordnet nach der Entstehungszeit, eine ganz spezifische Signifikanz. Das Phänomen der Plakette zeichnet sich mittels dieser Untersuchung erstmalig chronologisch deutlich ab.

Der damals häufigen Datierung von Portraitgemälden ist zu verdanken, daß bei rd. 90% der Fälle das Auftreten mit einer Plakette zeitlich fixiert wurde. Ob allerdings der Portraitauftrag zusammenfiel mit dem Entstehungsjahr der Plakette am Barett, ist damit nicht gesagt. Wahrscheinlicher ist, daß die im Portrait wiedergegebenen Plaketten schon in den Jahren vorher angefertigt wurden. Nun sind aber längst nicht alle damaligen Portraits datiert; auf Grund von Stilvergleichen wurden viele Bilder annäherungsweise nachdatiert. Aus diesen Gründen bot sich für die chronologische Auswertung an, die Statistik auf der Basis einer Sortierung nach Dezennien vorzunehmen.

Erstmals wird so der Zeitrahmen der Plakettenmode deutlich erkennbar. Die Beispiele beginnen vor 1450 mit 5 und enden bis 1600 mit 11 Exemplaren.

1481 bis 1490 ... 1,9%
1491 bis 1500 ... 7,6%
1501 bis 1510 ... 8,9%
1511 bis 1520 .. 30,6%
1521 bis 1530 .. 19 %
1531 bis 1540 .. 12,7%
1541 bis 1550 ... 3,2%
1551 bis 1560 ... 1.6%
                        ... 9,5% ohne klare Zeitangaben  

Bei einigen Portraits blieb die Zeitangabe unklar, weil damalige Bilder nicht durchgängig datiert sind. Zeitlich versprengte Plaketten sind die Ursache dafür, daß die hundert Prozent nicht erreicht werden.

Wie bereits erwähnt, sind die malerisch bzw. graphisch angedeuteten Plaketten auf Gemälden der Ersatz für die verlorenen Originale und damit Basis der Untersuchung. Sie treten an die Stelle der durchweg untergegangenen Stücke, von denen viele nicht nur eine Schmuckform hatten, sondern auch eine Aussage, weil sie als Imprese gedacht waren.

Für die in der Gesamtzahl der 143 gelisteten Impresen-Beispiele liegt folgendes chronologisches Ergebnis vor, das sich in etwa mit derr Gesamtauswertung der Plaketten deckt:

1481 bis 1490
1491 bis 1500 ... 5 %
1501 bis 1510 ... 7 %
1511 bis 1520 ...41 %
1521 bis 1530 ..23,7%
1531 bis 1540 ...8,6%
1541 bis 1550 ...4,3%
1550 bis 1560 ...0,7%
1561 bis 1570 ...1,4%

Cranach-dÄ-Sybille 240Lucas Cranach d. Ä.: Sibylle von Sachsen
ca. 1533. Holzschnitt. Gotha
Aus diesen Statistiken zeichnet sich sehr deutlich der zeitliche Rahmen des Phänomens Plakette/Imprese ab:

Er reicht vom gealterten Maximilian I. bis zum Abtreten seines Enkels: Karls V., obwohl die Vorliebe für Emblematik viel länger virulent war und später andere Erscheinungsformen annahm. War am Ende die Ausbreitung der Reformation als ´erster Aufklärung´ eine Ursache für das Absterben dieser auf die Mythologie bezogenen Ausgestaltung der Schmuckform? Auf jeden Fall war sie aber den gesamten Zeitraum fast ausschließlich ein männliches Accessoire, denn die Anzahl der Plaketten bei Frauen ist marginal geblieben, obwohl es ein paar Gegenbeispiele gibt wie z.B. die klugen/törichten Jungfrauen von 1493 des Tiefenbronner Altars von Lucas Moser.

Platzierung. Von Anfang an war die Befestigung der Plakette am Barett nicht festgelegt und daher unterschiedlich, wie auch die Barette selbst im Schnitt stark differieren. Bei den Pilgerplaketten im ausgehenden 15. Jahrhundert herrscht noch die Mitte der Stirn vor; im folgenden 16. Jahrhundert, auf das die Plakette dieser Art beschränkt ist, überwiegen ─ zur Absetzung von der Pilgermode? ─ nun als Neuerung die Flanken. Immer häufiger tauchen auch schräg aufgesetzte Barette auf, wodurch die Auffälligkeit der Plakette noch gesteigert wurde. Schräg wurden Barette etwa zu gleichen Teilen nach links oder rechts aufgesetzt.

Daher schien es lohnend, die Ortung der Plakette ─ jedenfalls nach drei Richtungen hin: nach links, mittig und nach rechts ─ statistisch auszuwerten. Dabei ist zu beachten, daß rechts und links nicht für das Gemälde gilt, sondern für die dargestellte d.h. die die Plakette tragende Person.

Plakette links am Barett 33,5%
Plakette mittig am Barett 15,4%
Plakette rechts am Barett 35,6 %
unbestimmt 15,7 %

Demnächst wird die unter der Rubrik Motive gespeicherte Datei der Plakettenträger zugänglich sein. Sie enthält 143 Träger von Impresen d.h. 37,7 % der gelisteten Gesamtanzahl.

Herkunftsgebiete der Plaketten. Die Bezeichnung Plakette gilt hier als Oberbegriff für die zahlreichen verwandten Begriffe: Agraffe, Kokarde etc. Die Bezeichnung Plakette ist zwar jünger, als die hier diskutierten Modelle an den Baretten. Angeblich wurde sie erst Ende des 19.Jahrhunderts in Deutschland üblich; aber der Begriff aber ist längst international.

Die statistische Auswertung der Plaketten in der Renaissance führt zu überraschenden Ergebnissen. Da sie erheblich anders ausfällt, als man gemeinhin vermutete (Schwerpunkt Frankreich, s.o.), bleibt zu klären, ob es Faktoren gab, welche zu Verschiebungen geführt haben könnten. Daß noch eine erhebliche Anzahl von Portraits unbekannt in Familienbesitz gehalten wird, ist wenig wahrscheinlich. Eher sind denkbar: Standorte in provinziellen bzw. kleinstädtischen Museen, die ihre Bestände nicht dokumentiert haben, Verluste an Portraits durch Unachtsamkeit und Kriege etc. Doch diese lassen sich nicht mehr rekonstruieren und auf diese Weise in die Statistik einbringen.

Bekannt ist nur ein Fall, durch den sich der Länderanteil erheblich verschieben würde:
der Fundus an Portraitzeichnungen der beiden Clouets (s.o.). Wertet man die skizzenhaft angedeuteten Plaketten als den Gemälden gleichwertige Plaketten, könnte Frankreich tatsächlich Spitzenreiter sein. Die Anzahl der ausgeführten Clouet-Portraits mit Plaketten ist demgegenüber jedoch gering. Waren diese Portraits nur geplant und sind nie ausgeführt worden? Sind etwaige Verluste an Portrait-Gemälden der Französischen Revolution anzulasten? Diese Fragen bleiben vorerst offen.

Die Statistik beruht auf der Gesamtzahl der Plaketten und ergibt nun, ohne diese Zeichnungen, folgendes Bild:

Deutschland/Österreich/Schweiz 41,8 %
Italien 24,9 %
Niederlande/Burgund 16,1 %
England 8,5 %
Frankreich 6,8 %
Spanien/Portugal 1,6 %

Dieses Ergebnis ist insofern als Groborientierung zu werten, als die heutigen und die damaligen Grenzen nicht deckungsgleich sind. Ferner waren flämische Maler in England tätig sowie Holbein d. J. So ist die Frage: Entscheidet der Auftraggeber oder das Geburtsland des Künstlers über die Einordnung? Schließlich sind bei 36 gelisteten ´Unbekannten Künstlern´ die Herkunftsländer nicht bestimmbar. Die schwach vertretene Iberische Halbinsel verfügte nur über wenige Maler.

Vermutlich hätten aber viele die Reihenfolge am Beginn gefühlsmäßig umgestellt. Außerdem ist zu bemerken, daß von den italienischen Plaketten allein 16 Barette auf einen Künstler zurückgehen: Bartolommeo Veneto. Da dieser für die Höfe in Ferrara und Mantua gemalt hat, ist fast zu vermuten, daß für dieses starke Aufkommen an Impresen in Oberitalien die Begründung vielleicht die kaiserliche Oberhoheit liefert d.h. der Markgraf von Mantua z. B. war Vasall des Römisch-Deutschen Kaisers.

Inhalte der Impresen. Wegen der thematischen Variationsbreite wurden als Schwerpunkte bei der Auswertung folgende Sortierbegriffe ausgewählt:

Religiöse Figuren 48 ... 33,8 %
Säkulare Figuren 22 ... 15,5%
Mythologische Gestalten 23 ... 16,2%
Tierfiguren 11 ... 7,7 %
Texte und Buchstaben 20 ... 14,1 %
Gegenstände 15 ... 10,6 %
uneindeutig 3 ... 2,1 %

Unter Religiöse Figuren sind vorwiegend Heiligenbilder zu verstehen. Da ihr Vorkommen an der Spitze liegt, d.h. stärker als ein Drittel ist, ist daraus wohl noch die Nachwirkung der Pilgermedaillen abzulesen. Schließlich galt das Erdenleben zu der Zeit auch als Pilgerfahrt. Da viele Heiligenfiguren darin enthalten sind, wirkt hier noch die Funktion eines persönlichen Schutzheiligen nach.

Daß in erheblichem Maße Mythologische Gestalten für die Impresen herangezogen wurden, ist auf den an der Antike orientierten Geist der Renaissance zurückzuführen. Daß diese Gruppe nur halb so stark ist, zeigt, daß in höfischen Kreisen das veränderte Denken der Renaissance noch nicht Allgemeingut war.

Als Säkulare Figuren wurden in Plaketten enthaltene Bildnisse aufgefaßt, die sich offenbar auf Verwandte (Bräute u.a.) beziehen.

Tierfiguren kommen einzeln, aber auch in Kombination vor wie z.B. dem Reiter. Die Symbolik von Tieren zieht sich durch das ganze Mittelalter.

Auffallend ist auch das Vorkommen von Schrift, zumal sie einen nicht geringen Anteil hat. Nicht immer läßt sich die Schrift genau erkennen resp. inhaltlich auflösen. Bemerkenswert ist jedenfalls, daß sich nicht zum Klerus gehörige Personen ein nicht unbedingt ein religiöses Motto zur Imprese zu wählen begannen. Immerhin waren die Herren keine Intellektuellen.

Träger. Soziologisch aufschlußreich ist, welche gesellschaftlichen Gruppen sich am Tragen von Plaketten/Impresen beteiligten. Nahezu durchgängig beschränkte sich demnach die Mode auf den Adel. Zur Vereinfachung wurde dabei nach folgender Herkunft unterschieden:

Hochadel (Graf bis Kaiser) 48%
Niederer Adel 18,2%
Bürger 16,5%
Frauen 6%
Soldaten 2,4%
Sonstige (u.a. Jünglinge) 8,9%

Daß die Hälfte der Plakettenträger zum Hochadel gehörten, ist ein deutliches Indiz dafür, daß dieser auffällige Schmuck einen Stand betonen bzw. auszeichnen sollte. Zusammen mit der Ritterschaft ergibt sich sogar eine Zweidrittelmehrheit für den Adel. Prachtentfaltung war vor 1500 (s.o. Karl der Kühne) ein Herrschaftselement. In der religiösen Malerei wurde diese vorgelebt: König Salomo oder die Hl. Drei Könige wurden auf Altären mit Agraffen/Plaketten reich ausgestattet wie z. B. vom Westfälischen Meister (Nähe Aldegrever) beim Altar in der Wiesenkirche von Soest. So wird verständlich, daß weltliche Herrscher, als die sich als gottgewollt empfanden, es ihnen gleichtun wollten.

Während diese Haltung noch als mittelalterlich zu bezeichnen ist, nutzten manche Auftraggeber die Plaketten zur Unterstreichung ihrer Individualität, in dem sie thematisch gerade keinen religiösen Bezug herstellten, sondern sich im, vom Renaissance-Denken begünstigten Eigensinn äußerten. Prominentes Beispiel dafür ist der Connétable Charles de Bourbon (s. Beitrag Bartolommeo Veneto, Charles de Bourbon).


Künstler. Erst im Laufe der Sammeltätigkeit von Portraits mit Plaketten kamen starke Unterschiede in der Anzahl zwischen den porträtierenden Künstlern zum Vorschein. So tritt auf den gemalten Portraits bei Dürer nur eine Person mit Imprese auf: Kaiser Maximilian. Im Vergleich zu Strigel oder anderen Zeitgenossen überrascht diese Feststellung. Offenbar konnte Dürer bei diesem hochrangigen Auftraggeber der Wiedergabe einer Plakette/Imprese nicht ausweichen. War Dürer so ´aufgeklärt´, daß er eine Abneigung dagegen hatte? Nicht einmal seinen Freund W. Pirckheimer hat er mit dessen Wahlspruch ain der Form der Imprese porträtiert.

Im Gegensatz dazu kommen Impresen im Œuvre von Bartolomeo Veneto, der Albrecht Dürer bei dessen Italienreise kennengelernt haben soll, für Italien überproportional häufig vor (er allein ist mit 18 Beispielen vertreten) ─ ein herausragendes Ergebnis. Nur die von ihm so sorgfältig gemalten Impresen sind im Original sämtlich verloren gegangen. Übrigens war er ─ nach bisheriger Kenntnis ─ kein Hofmaler, setzte jedoch vorwiegend Persönlichkeiten des Markgrafenhofs in Mantua und deren Gäste ins Bild. Hier ist nicht der Raum, um näher auf diesen signifikaten Künstler einzugehen; 11 Beispiele seiner Impresen sind in Wilhelmi Porträts der Renaissance ausführlich analysiert.

Auf ihn folgen in der weiteren Rangfolge Barent van Orley mit 8, Jean Gossært und Jan Mostært sowie Hans Baldung Grien jeweils mit 6 und Jan van Cleve mit 5 Impresen. Daraus ergeben sich die Niederlande als wichtiges Verbreitungsgebiet von Impresen. Das ist darauf zurückzuführen, daß sich in diesem Gebiet das kaiserliche Machtzentrum befand: Gent als Geburtsort des Kaisers Karl V. und Mecheln als Regierungssitz von Margarete von Österreich, seiner Statthalterin, an dem einige von ihnen als Hofmaler tätig waren.

Aufschlußreich ist dabei noch, daß sowohl bei Cranach d.Ä. als auch bei Holbein d.J. jeweils nur vier Fälle mit Plaketten vorkommen. Es könnte daher sein, daß diese beiden, protestantischen Künstler ähnlich orientierte Auftraggeber hatten, welche weniger geneigt waren, von dieser aus der Zeit der Pilgerzüge stammenden Mode Gebrauch zu machen. Die genannten Niederländer jedoch befanden sich in einem traditionsbewußten, altgläubigen Umfeld, das offenbar weiter an diesem Schmuckelement hing.

© Christoph Wilhelmi Stuttgart 2015


Literatur

Ferdinand Ahuis: Das Porträt eines Reformators. Der Leipziger Theologe Christoph Ering und das vermeintliche Bugenhagen-Bild Lucas Cranach d. Ä. aus dem Jahr 1532. Bern 2011
Karl Brandi: Kaiser Karl V. Frankfurt/M. 1979
John A. Goodall. In: The New Grove. Dictionary of Arts. Vol. 15 New York 1995

Yvonne Hackenbroch: Enseignes. Florenz 1996
Jan Lauts: Isabella d’Este: Fürstin der Renaissance, 1474 – 1539. Hamburg 1952
Royal Collection, London

Didier Méhu: Das Mittelalter. Freiburg/Br. 2005
Jeffrey Chipps Smith. In: Die Renaissance-Medaille in Italien und Deutschland. Hg. Georg Satzinger. Münster 2004

O. Timidor: Der Hut und seine Geschichte. Wien/Leipzig 1915
Ludwig Volkmann: Bilderschriften der Renaissance. Leipzig 1943
Johann Heinrich Zedler: Das Grosse vollständige Universal-Lecikon aller Wissensgebiete und Künste. Leipzig 1732-34
Alexandra Zvereva: Portraits et Dessinés de la Cour de Valois. Paris 2011

Bildnachweise
Yvonne Hackenbroch: Enseignes. Florenz 1996  S. 4
dto. S. █
Georg Habich: Die deutsche Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts.Bd. I, 2 München 1929-34 Nr. 1972
http://common s.wikimedia/org/wiki/File:Lucas_Cranach_d.%C3%84._-Bildnis_des_Markgrafen_Albrecht_von_Brandenburg-Ansbach_%28.Herzog_Anton_Ulrich-Museum%29jpg
aus Zeitschrift Atlantis
Royal Collection, London
akg.images.de/Docs/AKG/Media/T3_WATERMADE/b/3/9/7/AKG351053/jpg (26.5.2015)
Sotheby's Auction 1997
Kunstkalender ca. 1962
Didier Méhu: Das Mittelalter. Freiburg 2005  S. 25
dto. █
https://upload.wikimeia.org/wikipedia/commons/4/4f//DH3-Frontblatt_Hans_von_Laubenberg_JPG (10.8.2015)
Gaisberg 1  Tafel 397
https://de.wikipedia.org(/wiki/Karl_der_K%C3%BChne#/media/File:Charles_the_Bold_1460.jpg (10.8.2015)
Philipp der Schöne, Philadelphia █ Bibliographie!
Habich (s.o.) Bd. I, 2 Abb. 236
Hackenbroch (s.o.) S. 270
dto. Abb. 40
Christoph Wilhelmi: Porträts der Renmaissance. Berlin 2011  S. 15
Gerhard Rill: Fürst und Hof in Österreich. II. Wien u.a. 2003  Tafel 3
Schloß Friedenstein, Gotha, Graphische Sammlung