Erstveröffentlichung

Bartholomäus Bruyn d.Ä.:

Johann von Aich

12.36-Aich-240Eines der attraktivsten Brautbilder von Anfang des 16. Jahrhunderts wird im Wallraf-Richartz-Museum, Köln (Nr. 0431) verwahrt. Als Werk des Kölner Malers Bartholomäus Bruyn d. Ä (1493 ─ 1555) trägt es dort den Titel Bildnis eines jüngeren Mannes mit Nelke (Öl auf Eiche 69,7 x 49,3 cm, oben geschweift. 1528) und fällt durch die reiche Ausstattung, insbesondere mit Noten, heraus aus den sonst etwas spartanisch erscheinenden Portraits des Meisters.

Dementsprechend zog es die Aufmerksamkeit auf sich, so daß es vielerlei Aussagen zu dem Bild gibt. Im Katalog der Altkölner Malerei entschied sich Frank Günter Zehnder (S. 39) für »einen Sohn des Kölner Ratsherrn (für die Gürtelmacher) und Hochgerichtsschöffen Godert Eicheister«. Dieser hatte vier Söhne, von denen nach Zehnder Melchior oder Balthasar infrage kommen; zu deren beruflicher Ausrichtung liegen jedoch keine Angaben vor. Zur Begründung wird auf das linke Wappen mit vier Eicheln verwiesen. Doch finden sich Wappen mit Eicheln recht häufig und sind dadurch nicht eindeutig zuzuordnen. Außerdem gibt es Beispiele dafür, daß Wappen nachträglich in Portraits eingemalt wurden. Jedenfalls blieb bisher offen, wie es sich wirklich verhält. Deshalb bezeichnet das Museum das Portrait als Bildnis eines jüngeren Mannes mit Nelke und hielt sich mit dem unbestimmten Bildtitel vorsichtshalber bedeckt. Die im Bild enthaltenen Beweismittel weisen auf eine andere Lösung.


Das Gemälde gehört schon seit 1980 dem Museum und ging im 19. Jahrhundert durch mehrere Hände. »Firmenich-Richartz (1894) hielt es für möglich, daß ein Franzose dargestellt sei«, weil außer der lateinischen Banderole auf der gemalten Brüstung über dem Kopf des Dargestellten eine zweite Banderole mit dem weitverbreiteten Liedtext Monseul plaisirz monseul plaisirz Madouce joye joye Madouce joye flattert. Diese Zeilen beschäftigen die Musikgeschichte schon seit Langem, ohne daß ein Konsens hergestellt wurde, ob Guillaume DuFay (1397─1474) oder John Bedyngham (*1422) für das Lied als Urheber zu gelten hat. Einen urheberrechtlichen Schutz gab es damals noch nicht; jeder konnte es für sich adaptieren. In dem Porträtierten deshalb einen Franzosen zu sehen, ist übrigens nicht zwingend, da die Niederlande und das Gebiet am Niederrhein, welches das Erzbistum Köln einschloß, ein zusammenhängender kultureller Raum war, in dem es verschiedene Sprachinseln gab. Lt. Zehnder »wird mit der vornehmen Kleidung und dem kostbaren Schmuck auf den Reichtum, mit den beiden Wappen auf die vornehme Herkunft des Dargestellten hingewiesen. Mit der französischen Jahres- und Altersangabe werden sprachliche Bildung und Weltgewandtheit, mit dem französischen Liedtext kulturelles und musikalisches Interesse, mit dem nicht ganz reinen elegischen Distychon aus einer römischen Komödie humanistische Bildung vorgewiesen« (Zehnder S. 40). »Der Epigrammtext stammt aus einer Komödie des 12. Jahrhunderts von Pamphilus, de amore, in dem Venus sagt Gaudia semper amat et ludicra leta juvenus…« (S. 40).

Sicher scheint zu sein, daß der Dargestellte aus dem Raum Köln stammte und sowohl vermögend, als auch musikinteressiert war. In den Rheinlanden gibt es tatsächlich ein Dorf des Namens, und viele Familiennamen der Zeit sind von Ortsnamen abgeleitet. Deswegen liegt es nahe anzunehmen, daß er mit auswärtigem Liedgut seine berufliche Zukunft plante und dies seiner Braut in diesem Brautbild mit der weißen Nelke, der obligaten Blume der Brautwerbung, dokumentieren wollte. So kommt wahrscheinlich für den Dargestellten Johann von Aich (1508 ─ vor 1553); letzter Eintrag im Ratsprotokollbuch März 1553) infrage, dessen Familie wohl aus dem Dorf Aich am Niederrhein (andere meinen dagegen Aachen) stammte, dessen Vater es aber in Köln zum Ratsherrn gebracht hatte. Wie sich an den Büchern der Presse zeigt, verwendete Johann von Aich zwar das Schriftmaterial des Vaters, kaufte aber auch neuere Schrifttypen hinzu.

Über den Porträtierten und seinen Vater ist immerhin soviel bekannt, daß sie Buch- bzw. Notenhändler waren und auch als Verleger tätig wurden. Nicole Schwindt (S. 63) berichtet über das Wirken des Vaters: »Das vermutlich zwischen 1510 und 1512 entstandene, heute verschollene Liederbuch, das Arnt von Aich 1514/15 in Köln nachdrucken sollte…« Die im Gemälde ausgelegten Lieder waren offenbar Bestandteil dieses Liederbuchs. Der Chronist der Stadt Köln, Leonard Ennen, breitet in seiner Geschichte der Stadt Köln zwar enormes Wissen aus; merkwürdig ist dabei nur, daß der Sektor Musik bei ihm entschieden zu kurz kommt. Dabei war Köln in der Renaissance eine lebendige Musikstadt. So hat Willi Kahl (S. 17) herausgefunden: »…suchen wir also insbesondere nach Spuren typischer Humanisten-Musik in Köln. Bekanntlich wird das musikalische Schaffen der deutschen Humanisten auf weite Strecken hin von vierstimmigen Vertonungen namentlich Horazischer Oden beherrscht…«

Das über dem Barett des ´jüngeren Mannes´ schwebende Schriftband lautet:
Lan:mille:cinqu.cens:vingthuyt:des.ans.en.soy.vingt. – Jesus.
Damit wird das Portrait von Bruyn auf 1528 datiert und zugleich das Lebensalter des Dargestellten auf 20 festgelegt d.h der Porträtierte ist 1508 geboren. Diese Angabe ist nun nicht so recht kompatibel mit den Jahreszahlen, die N. Schwindt nannte. Das kann aber daran liegen, daß der vermögende Vater ( 1530) von Johann von Aich, der selbst wohl u.a. mit Büchern und Noten handelte, bereits mit den Vorbereitungen zum Druck des Liederbuchs begonnen hatte. »Eine genaue Abtrennung der Erzeugnisse von Vater und Sohn [läßt] sich nicht durchführen« (Benzing).

Der 1508 geborene, anscheinend sehr musikalische Sohn von Arnt von Aich und Ida (Ytgin) Grutter war jedenfalls willens, den damals noch in den Anfängen stehenden Notendruck mit jugendlichem Elan ab ca. ab 1526 voranzutreiben. Dabei ging er offenbar gezielt vor, denn zum Unternehmen gehörte eine Druckerei, die Lupus-Presse. »Ytgen von Aich wurde 1534 „wegen der Unterstützung der lutherischen Sache in den Turm geworfen“ und kam gegen Kaution 14 Tage später wieder frei« (wikipedia).

Zur Lupus-Presse hat Josef Benzing 1958 publiziert und herausgefunden, daß die Witwe von Arnt von Aich die Firma weitergeführt hat »und zwar mit Hilfe ihres Sohnes Johann, der sie wohl auch bald selbständig geführt … hat«. »Es ist dabei nicht ohne Interesse festzustellen, daß Wilhelms von Isenburg Schriften, die … fast alle von Peter Schöffer in Worms gedruckt wurden, nach dessen Weggang nach Straßburg nun von Johann von Aich zu Köln herausgebracht wurden« (Benzing). Des weiteren ist überliefert, »daß der Rat der Stadt [Kölnۚ] im Februar 1549 wegen des Druckes einer englischen Bibel gegen Johann von Aich einschritt…« Erstaunlicherweise weist das Programm auch eine Publikation von 1523 des späteren Luther-Widersachers Andres Bodensteyn von Carolstat (bekannt geworden unter dem Namen Andreas Karlstadt) aus.

Daß Anfang des 16.Jahrhunderts in Köln ein lebhaftes Musikleben einsetzte, weiß man von dem Nürnberger Magister Johannes Cochlaeus ( 1552), der 1510 an die Kölner Universität berufen, Musikvorlesungen hielt (lt. Kahl S. 12) und zum Professor erhoben wurde. »So sind die Jahre um 1500 für die Geschichte der Musik an den Hochschulen von tiefgreifender Bedeutung geworden« (Kahl S. 6). Von dieser Strömung waren anscheinend Arnd und Johann von Aich erfaßt und entschlossen, sie wirtschaftlich zu nutzen. Immerhin erschienen beachtliche 35 musikalische Werke bei ihnen.

©Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2024

Literatur
Josef Benzing: Die Drucke der Lupuspresse zu Köln (Arnd und Johann von Aich). In: Archiv für Geschichte des Buchwesens. Bd. I. Berlin 1958. S. 365 ff
Willi Kahl: Studien zur Kölner Musikgeschichte des 16. Und 17. Jahrhunderts. Krefeld 1953
In: Beiträge zur Rheinischen Musikgeschichte. Heft 3
Nicole Schwindt. In: Jahrbuch für Renaissancemusik. Hg. Jürgen Heidrich. Kassel u.a. 2010
Band 8: Die Habsburger und die Niederlande. Musik und Politik um 1500.
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn d. Ä. als Bildnismaler. München 1965
Frank Günter Zehnder (Hg.): Katalog der Altkölner Malerei. Köln 1990 S. 38 ff
de.wikipedia.org/wiki/Lupuspresse (18.7.2024)

Bildnachweis
Bartholomäus Bruyn · Die Sammlung im Städtischen Museum Wesel. Bearbeitet von Anne Katrein Löw. Wesel 2002 S. 222