Erstveröffentlichung
Bartholomäus Bruyn d. Ä.:
Hilger BornDie Identifizierung dieses Bildnis eines Mannes aus der Kölner Kaufmannsfamilie Born (Öl auf Holz, 38 x 25,5 cm. ca. 1540) von Bartholomäus Bruyn (ca.1493 ─ 1555) blieb auf halbem Wege stecken. Man ist sich zwar schon seit längerer Zeit im Klaren, daß es sich bei diesem Portrait um einen Abkömmling der Kölner Kaufmannsfamilie Born handelt. Dafür spricht vor allem das Wappen, » denn auch der junge Mann des Bruyn-Bildnisses hat in seinem Siegelring das Wappen der Kölner Familie Born« (Westhoff-Krummacher Nr.66, S. 141ff). Aber es konnte nicht geklärt werden, wer aus der Familie hier gemeint ist. Westhoff-Krummacher entschied sich für Johann Born: »Immer ist die Rede von den Brüdern Derich und Johann Born. Es spricht einiges dafür, daß Bruyn Johann Born porträtierte«; aber mit Argumenten unterfüttert wurde diese Annahme nicht. Offenbar herrschte der Analogieschluß vor, daß nur ein Kaufmann abgebildet sein könnte. Dazu kam es durch die auffällig ähnliche Positionierung des jungen Mannes in dem Portrait von Hans Holbein d.J. Bildnis des Derich Born von 1543 in Windsor Castle, dem Kölner Stalhofkaufmann in London. Hier soll eine andere Spur verfolgt werden.
So individuell Bruyn seine Auftraggeber gemalt hat, so stereotyp ─ vor allem bei den Frauen ─ setzte er sie ins Bild. Allenfalls die Rahmenform variierte. Aber von diesem Schema weicht dieses Portrait deutlich ab, vor allem durch die Haltung der Arme. Westhoff-Krummacher geht deshalb davon aus, daß Holbeins Portrait nach Köln verschifft und im Hause Born Bruyn zugänglich gemacht worden ist. Zur Auftragserteilung des Portraits von ca. 1540 gehörte offenbar die Anlehnung an das Bild aus London. »Die in dem Bildnis festgestellten Unsicherheiten und Ungeschicklichkeiten erklären sich aus dem Versuch, ein Holbein-Porträt zu kopieren« (Westhoff-Krummacher). Bis 1944 befand sich das Gemälde in der Collection James A.Stillman; der heutige Standort ist unbekannt. Deswegen kann das Gemälde auch nicht farbig wiedergegeben werden. Dieser Umstand trug wohl auch zur Nichtbeachtung des Bildes in der Forschung bei.
Dank der Veröffentlichung der Biographien der Erasmianer durch E. Kloosterhuis (vgl. Beitrag Bruyn, Frechen bzw. Essay: Die Portraits des Bartholomäus Bruyn) wurde die Möglichkeit erschlossen, diesen Personenkreis ─ die damalige Elite des kurkölnischen Territoriums ─ heranzuziehen. »Fast alle Gelehrten, außer einigen Kuttenträgern und Theologisten, sind Erasmianer« (Kloosterhuis S. 1), (s. Beitrag Bruyn, Frechen bzw. Essay: Die Portraits des Bartholomäus Bruyn)
Erasmus hatte zwar eine Art Erziehungsschrift für den noch jungen Kaiser Karl V. unter dem Titel Institutio Principis Christiani 1516 veröffentlicht. Sie wurde aber nicht von ihm, sondern von den Fortschrittswilligen adaptiert. Darin heißt es: »Die Gesetze […sollten] dem Zeitbild der Gerechtigkeit und Ehrenhaftigkeit entsprechen und auf nichts anderes entworfen sein als auf den Fortschritt des Gemeinwesens«. Daran wollte sich Karl V. aber nicht halten.
Kloosterhuis schreibt weiter (S. 2): »Erasmus richtete sein Augenmerk zunehmend auf die dortigen Territorialstaaten [am Niederrhein], wo er auf praktische Realisierung seiner philosophischen Ideen hoffte. Am Niederrhein besaß er eine große Anhängerschaft von jungen Humanisten, die sich zu seinem Geisteskosmos bekannten«.
Tatsächlich taucht ein Vertreter der Familie Born in dieser gesellschaftlichen Gruppe auf: Hilger Born (ca.1505─1541). Bedauerlicherweise ist aber das zur Debatte stehende Portrait nicht datiert, wie sonst bei Bruyn zumeist. Der Datierungsvorschlag mit ca. 1540 hat sich durchgesetzt. »Da sich überwiegend Beziehungen zu Bildnissen aus den Jahren 1539/40 ergeben, wird man die Entstehung des Bildnisses ebenfalls um diese Zeit annehmen können«
(Westhoff-Krummacher S. 142). Allerdings stammt das Vorbild von Holbein aus dem Jahr 1533. Ein zeitlicher Zwischenraum von sieben Jahren erscheint deshalb nicht sehr plausibel.
Nimmt man dagegen an, das Bruyn-Portrait sei schon 1534 gemalt worden und das Portrait stellt einen Endzwanziger dar, erhält man ein Geburtsjahr von ca. 1505 ─ das für Hilger Born angenommene. Das Tatsächliche ist nicht bekannt; der Jahrgang 1505 ergibt sich aber aus dem Umstand, daß Hilger Born 1521 an der Montanaburse in Köln immatrikuliert wurde. Das Aufnahmealter war damals etwa 16 Jahre. Allerdings wäre auch denkbar, daß der junge Hilger Born zunächst eine kaufmännische Ausbildung im Familienbetrieb ableisten mußte, ehe ihm ein Studium zugebilligt wurde. Angaben darüber existieren allerdings bisher nicht und sind auch wohl nicht aus dem Kölner Stadtarchiv zu erwarten.
Daß es sich bei dem porträtierten Mann um einen Akademiker handelt, geht aus dem Buch hervor, daß er in der Linken hält. Üblicherweise deutet es sogar auf einen eigenen, publizierten Text hin. Der in Vorschlag gebrachte Hilger Born war offenbar ein intelligenter Student, denn schon 1522 macht er seinen Magister an der Artistenfakultät. Doch dieses Grundstudium genügte ihm nicht. Er wechselte an die juristische Fakultät und suchte sich nach zwei Jahren die französische Spitzenuniversität für Juristen, Orléans, aus. Ein solches Auslandsstudium konnten sich nur ´gut Betuchte´ leisten. Die Familie Born war aus der Tuchmacherzunft hervorgegangen. 1534 promovierte Hilger Born in Orléans zum Dr. juris civilis; damit war er für Handelsrecht und Verwaltungsaufgaben prädestiniert. Es liegt nahe anzunehmen, daß dieses Ziel der Auslöser für den Portraitauftrag war.
Born war offenbar so erfolgreich, daß er 1536 als Lektor für Recht an die Universität Köln berufen wurde; 1538 erreichte er bereits die Position eines Vizekanzlers der Universität. Nebenberuflich beriet Born die Stadt Köln in rechtlichen Fragen bzw. bei Verträgen. Durch Prozeßführungen wurde er so bekannt, daß ihn auch der Herzog von Kleve-Jülich als Berater heranzog. Was zu seinem frühen Tod 1541 führte, ist nicht vermerkt, möglicherweise eine der Pestepidemien.
© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2024
Literatur
Elisabeth M. Kloosterhuis: Erasmusjünger als politische Reformer : Humanismusideal und Herrschaftspraxis am Niederrhein im 16. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2006
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn der Ältere als Bildnismaler. Berlin 1965
Bildnachweis
Hildegard Westhoff-Krummacher: Barthel Bruyn der Ältere als Bildnismaler. Berlin 1965 S. 143