Erstveröffentlichung

Lucas Cranach d. Ä./d. J.
Stanisław Słupecki

005.34-Rava-240Eines der Portraits von der Hand Lucas Cranach d. Ä. (1472 ─ 1553) trägt noch den Titel Bildnis eines jungen Herrn von Rava als Bräutigam (1539. Öl auf Holz 58,5 x 41/ 61 x 43 cm. Museo de Arte, São Paulo. Friedländer/Rosenberg Nr. 418, CDA: BR_MASP_181P). Damit ist es scheinbar bereits identifiziert; dennoch weiß man bis heute nicht, um wen es sich bei dieser Person eigentlich handelt, da der Dargestellte offensichtlich weder dem Meissner bzw. dem deutschen Adel angehörte, wie bisher behauptet wurde. Erst im Cranach-Jubiläumsjahr 2023 ist offenkundig geworden (durch die Veröffentlichung Cranach. 40 Portraits aufgeklärt), daß ein bemerkenswerter Teil der Cranach-Portraits seinerzeit von polnischen Adligen in Auftrag gegeben wurde.


Wendet man sich an das Polski Słownik Biograficzny, stößt man sehr schnell auf den Gesuchten. Stanisław Słupecki z Konar H. Rawa wurde Anfang 16. Jahrhunderts geboren und starb 1575. Er war gebildet, als Diplomat international vernetzt und, im Hinblick auf den Portraitauftrag an Lucas Cranach ausschlaggebend: Protestant. In der Frühzeit des Jahrhunderts gab es viele Adelsfamilien in Polen, die zum Protestantismus neigten. Die Familien Rawa bzw. Rawicz gehören zum älteren polnisch-litauischen Adel aus der Provinz Łódź (jedenfalls um 1635).


05.34-rawaWappen der Familien Rawa bzw. RawiczÜber die frühen Jahre Słupeckis stehen keine Angaben zur Verfügung; sie setzen erst 1545 ein mit der Studienzeit in Leipzig und Wittenberg. Er war anscheinend vorher in höfischen Diensten, denn er wird als Kastellan von Lublin (in diesem Fall Stadt- bzw. Festungskommandant von Lublin) bezeichnet. Lublin war damals auch Residenz des Königs und des Kron-Tribunals. Wohl noch zu der Zeit heiratete Słupecki die Zbigniewa. Als Bräutigam ─ also für das Brautwerbebild ─ ließ er sich 1539 von Cranach porträtieren.

Es ist ein besonderes, von den anderen Brautwerbebildern des 16.Jahrhunderts abweichendes Bild geworden. Der junge Mann in schwarzem Gewand (des Humanisten) umanisten?I) Humanistenträgt einen Brautkranz im Haar und um den Hals ein herzförmiges Amulett. Der Kranz scheint aus roten Kunstblumen gearbeitet zu sein und weist eine Besonderheit auf: Vom linken Ohr her ragt eine rotbraune Feder auf. Seine Linke greift zum Schwert, womit er sich als Ritter ausweist, und trägt einen besonders kräftigen Wappenring, der mit dem vorhandenen Bildmaterial allerdings nicht identifizierbar ist. Der Schwertknauf wirkt so, daß man vermuten kann, er sei mit Granaten besetzt.

05.34-rawa2Wappen der Familien Rawa bzw. RawiczDer auffällig intensiv-blaue Hintergrundston ähnelt darin etwas dem Cranach d.J.-Portrait des Christoph von Carlowitz von 1548. Sollte also der ´Bräutigam´ ein Frühwerk von Cranach d. J. sein? Zeitlich möglich wäre es. Immerhin war er 1539 schon 24 Jahre alt. Die starke Kontrastwirkung durch hart gegeneinander abgegrenzte Farbflächen spricht eher für Cranach d. J.

Das Gemälde weist weitere Besonderheiten auf: so einen dreifachen Goldring am Kragen des Hemdes ─ vielleicht eine Andeutung seiner gehobenen Position. Sodann Ärmel und eine geschlitzte Bauchbinde in Rot, brokatartig verziert. Insofern ergibt sich eine Kostümähnlichkeit zum Cranach d. J.-Portrait König Christian III. von Dänemark (s, Beitrag Cranach d. J., Christian III.*). Auch den Hofstaat Heinrich VIII. von England und dessen farbliche Kennzeichnung kann man zum Vergleich heranziehen. Jedenfalls ist damit ein Hinweis auf seine Funktionsstelle bei Hofe gegeben (vgl. Beitrag Cranach d.Ä.: Krzystof Szydŀowiecki*).

Als sygnatariuszUnii Lubelskiej spielte der Kastellan von Lublin, Szydŀowiecki, auch innenpolitisch 1569 eine wichtige Rolle bei der Gründung der Union von Lublin, dem Zusammenschluß Litauens, Polens und den preußischen Gebieten zu einem Wahlkönigtum. Dies war die politische Lösung für die damalige Problematik Polens, weil die Dynastie der Jagiellonen mit König Zygmunt Augusta endete. Die nächste Stufe war die Warschauer Konföderation von 1573. An beiden war Stanisław Słupecki aktiv und maßgeblich beteiligt.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2024

Literatur
Internetowy Polski Słownik Biograficzny (20.3.2024):
Halina Kowalska: Stanisław Słupecki Konar H. Rawa.
wikipedia.org/wiki/Union_von_Lublin (20.3.2024)
*Christoph Wilhelmi: Cranach. 40 Portraits aufgeklärt. Stuttgart 2022

Bildnachweise
lucascranach.org/de/BR_MASP_181P/ (20.3.2024)
coadb.com/surnames-rough/rawa-coat-of-arms-family-crest (12.3.2024)