Bartholomäus Bruyn d. Ä. (?)
Heinrich Wucht

12.27-Bruyn-Wucht 240Als 1965 das Werkverzeichnis zum Künstler Bartholomäus Bruyn d. Ä. (ca.1493─1555) von Hildegard Westhoff-Krummacher erstellt wurde, war dieses Gemälde noch nicht in ihrem Blickfeld. Es ist auch heute noch nicht zugänglich, sondern existiert für die Allgemeinheit bislang nur im Internet. Insofern muß eine Beurteilung unter Vorbehalt erfolgen. Es weist jedoch eine Typähnlichkeit zu dem im Kunsthistorischen Museum, Wien Nr. GG 855, auf. Leider fehlen sowohl die technischen Angaben als auch der Standort.

Dennoch gehört das genannte Werk von der Datierung 1528 her allem Anschein nach zu den Frühwerken Bruyns, hat allerdings nicht die bei ihm meist zu findende Rundung der Bildfläche oben. Zu dem Zeitpunkt mußte Bruyn sich im Raum Köln auch erst noch als Porträtist durchsetzen. Schon jetzt die Identität des Dargestellten zu ermitteln, ist immerhin auf Grund der Inschrift (ANO 1528 AETATIS SVAE 24) möglich. Geht man von einem 24jährigen aus, ergibt sich das Geburtsjahr des jungen Mannes mit 1504. Allerdings ist anzumerken, daß die erste Ziffer 2 bei der Altersangabe undeutlich ist und evtl. eine übermalte 1 darstellt. Den jungen Mann als 14jährigen einzustufen widerspricht vor allem dem als eigene Veröffentlichung deutlich präsentierten Buch.

Das Erscheinungsbild des jungen Mannes läßt auf einen Scholar schliessen. Demonstrativ hält er als Objekt seiner Beschäftigung, ein Buch in der Hand. Hinweise auf einen geistlichen Stand fehlen. So könnte man einen Juristen vermuten, zumal Bruyn zu diesen offenbar gute Verbindungen hatte. Unter diesen Voraussetzungen kommt Heinrich Wucht (gen. Buschoff ) infrage. Er stammte aus Nordbrabant und ist vermutlich im Zuge der Flamen, die sich unter der spanischen Herrschaft dort nicht mehr wohlfühlten, an den Niederrhein gekommen. Dazu paßt, daß er zu den Erasmianern (s. Beitrag Bruyn, Frechen und Essay: Die Portraits des Bartholomäus Bruyn) gerechnet wird. Er ließ sich an der Montanaburse in Köln immatrikulieren, soll jedoch nicht über Griechisch- und Hebräischkenntnisse verfügt haben.

Für dieses Portrait prädestiniert ihn, daß er 1524 sein Studium mit dem Magistergrad abschlossen hatte und im Anschluß Kirchenrecht belegte. Dieses Aufbaustudium beendete er 1531 mit dem Licentiatengrad und wurde 1535 promoviert. Erst 1551 jedoch holte er die Promotion in Römischem Recht nach. Doch war er offenbar so qualifiziert, daß er schon 1535 als Rechtslehrer an der Universität Köln zugelassen wurde. Diese Aufgabe behielt er lebenslang bei.

Seine Entscheidung für das Fach Kirchenrecht verschaffte ihm eine Kanonikerpräbende ersten Grades an St. Ursula in Köln, die seine wirtschaftliche Basis verbesserte. Die Einnahmen aus der Präbende setzten ihn in den Stand, mehrere umfangreiche Stiftungen zu hinterlassen. Außerdem beriet er hin und wieder die Stadtverwaltung und vertrat in einigen Fällen auch die Stadt Köln beim Reichskammergericht. Schon 1539 und dann 1555/56 wurde er zum Rektor der Universität Köln gewählt.

Als Wucht 1561 starb, vermachte er der Montanaburse seine umfangreiche Büchersammlung. Diese Affinität zu Büchern muß bei ihm schon frühzeitig ausgeprägt gewesen sein, wenn er sich mit 24 Jahren bereits ausschließlich mit einem Buch in der Hand von Bruyn porträtieren ließ.

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2019

Literatur
Elisabeth Kloosterhuis: Erasmusjünger als politische Reformer : Humanismusideal und Herrschaftspraxis am Niederrhein im 16. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2006
Bildnachweis
http://www.artclon.com/OtherFile/Portrait-of-a-Young-Man-1528-xx-Bartholomaeus-Bruyn.jpg (24.6.2014)