Erstveröffentlichung

Hans Holbein d. Ä.:

Bernhard Baumgartner und Barbara Koberger


33.01-Holbein-dÄ Baumgärtner 240Das Bilderpaar von Hans Holbein d. Ä. (ca. 1465─1524) war ursprünglich Bestandteil der Grazer Sammlung Attems und ging über an die Sammlung Thyssen-Bornemisza, heute Madrid (Öl auf Buche, je 23,6 x 17 cm. Nr. 189, 190). Stilistisch wurden die Tafeln auf ca. 1518/20 eingestuft. Da weder eine exakte Datierung, noch wie bei B. Bruyn eine Altersangabe in den Bildern enthalten ist, schien eine nachträgliche Identifizierung eigentlich ausgeschlossen. Anzunehmen ist allerdings, daß die Bilder aus Anlaß der Eheschließung in Auftrag gegeben wurden. Dabei springt der deutliche Altersunterschied bei dem Paar ins Auge.

Die frühere Museumsbeschreibung für die damals auf Schloß Rohoncz befindlichen Bilder spricht davon, daß sich der Künstler um das italienische Schönheitsideal bemüht habe. »Die Einfachheit und Reinheit der Form, die Sittsamkeit und Ruhe, die diese Bildnisse ausstrahlen…«. In der Tat schließt das Profilbild der Frau an florentinische Frauenportraits an. Insofern ist es seltsam, daß der Partner nicht auch ins Profil gesetzt wurde. Aber diese Freiheit hat sich Holbein genommen und erreicht, den Mann dadurch lebensvoller zu gestalten.

33.01-Holbein-dÄ NEB-da-Vinci Hochz 240Leonardo da Vinci: Hochzeitsportrait
einer jungen Frau im Profil
Hans Holbein d. Ä. (ca. 1465 Augsburg─1524 an unbekanntem Ort) war ein angesehener Künstler, hatte eine Werkstatt mit mindestens zwei Gehilfen und wurde zu vielen kirchlichen Bildwerken aufgefordert, die ihn zwangen, an unterschiedlichen Standorten zu malen. Dabei kam er mehrfach in Terminverzug. Seine Biographin im AKL, E. Wiemann, stellt fest: »Er beherrschte die ´welsche Art´ seit 1516. Tatsächlich scheinen ihm die strengen Damen-Portraits der Brüder del Pollaiuolo von 1465, vielleicht aber auch die Auffassung von Leonardo da Vincis Hochzeitsportrait einer jungen Frau im Profil (Privatbesitz Schweiz) Vorbild gewesen zu sein«.

Wiemann erwähnt bei Holbein außerdem »die profunde Kenntnis niederländischer Malerei«. Heutzutage ist Holbeins d.Ä. Nachruhm durch den unvergleichlichen Erfolg seines Sohnes am Hof in England einerseits verblasst, andererseits deutet vieles darauf hin, daß er nicht nur als Maler für Kirchen und Klöster tätig war, sondern auch als ein gefragter Porträtist. Erhalten sind aber nur relativ wenige Brustbilder von seiner Hand; dagegen etliche qualitätvolle Portraitzeichnungen, die das vermuten lassen. »In großer Zahl haben sich solche zumeist mit dem Silberstift gezeichneten Porträtaufnahmen von seiner Hand erhalten« (Brinkmann/Kemperdick S. 37).

Durch Schätzung des Alters des Dargestellten auf ca. 30 Jahre kamen rd. zehn Prominente im Umkreis des Malers infrage; als 33.01-Holbein-dÄ NEB Roritzer 240Hans Holbein d.Ä.: .Wolfgang Roritzer
Silberstiftzeichnung
passend erwies sich Bernhard Baumgartner (1492 Nürnberg─1549). Dieser gehörte durch seinen Vater, Professor Gabriel Baumgartner (
U 1507), zu den Patriziern in Nürnberg und kam bereits 1519 in den Rat der Stadt. 1526 wird er als Bürgermeister und Rat der Stadt in Zusammenhang mit dem Reichstag in Speyer erwähnt, 1530 als alter Bürgermeister und 1537 als einer der ´7 Älteren Herren´.

Leider geben nur diese wenigen Angaben den Hintergrund seiner Persönlichkeit an. Haltung und Mimik des Dargestellten passen zu dem Status von Baumgartner, der seiner Bedeutung gewiß war. Ausschlaggebend für ihn als hier porträtierten ist seine Heirat 1519. Er ehelichte die Tochter Barbara des erfolgreichen Buchdruckers Anton Koberger (1445─1513), der ursprünglich Goldschmied war und Margaretha Holzschuher zur Frau hatte. Frühzeitig hatte Koberger die Zeichen der Zeit erkannt und 1470 eine umfangreiche Produktionsstätte am Nürnberger Ägidienhof eingerichtet. Zehn Jahre später war dieser Baukomplex bereits schuldenfrei. In seinem Betrieb arbeiteten aber auch über hundert Gehilfen. »Ein ähnliches Unternehmen hatte es in Deutschland nie zuvor gegeben. Koberger verstand es, die noch junge Erfindung des Buchdrucks in großem Stil auszubauen und kaufmännisch auszuwerten… die Nürnberger Offizin, Kobergers Wirkungsfeld, erstreckte sich über alle Länder Europas, ja er besaß Zweigstellen in Antwerpen, Paris, Lyon, Ofen, Krakau, Lemberg, Lübeck und Mailand« (Helmut Presser S. 26).

Über Baumgartners Frau sind leider keine Angaben zur Person bekannt, wie bei so vielen Ehefrauen zu dieser Zeit. Die einzige Möglichkeit, die hier vertretene These auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, bestand darin, eine Vergleichsabbildung zu finden, denn ein Familienwappen kommt im Gemälde leider nicht vor. Aber Aufträge für ein gemaltes Portrait wurden in der Regel nur einmal im Leben vergeben; außer beim Hochadel waren die Ausnahmen dafür gering.

33.01-Holbein-dÄ NEB Habich 240Erstaunlicherweise fand sich eine aussagekräftige, datierte nürnbergische Bildnismedaille von Bernhard Baumgartner aus dem Jahr 1526 in dem umfangreichen Standardwerk von Habich (Nr. 927). Diese ist durch die Umschrift mit seinem Namen und dem Alter XXXIIII zweifelsfrei bezeichnet und rückseitig mit einer Devise versehen: SALVS  IVSTORVM , übersetzt: Das Heil der Ehrlichen bzw. der sich an das Recht haltenden.

Daraus geht zweierlei hervor: Baumgartner war humanistisch gebildet und in Latein geschult, der damaligen Wissenschaftssprache. Die Vermutung, daß er Jurist war ─ eine entscheidende Voraussetzung für einen Bürgermeisterposten ─ bestätigt sich hiermit. Allerdings ist er auf der Medaille im Linksprofil dargestellt, was den Vergleich etwas erschwert. Aber trotz des kleinen Formats von 40mm Durchmesser sind einige charakteristische Übereinstimmungen zwischen dem Holbein-Portrait und der Medaille erkennbar:

der rundliche Kopf

der kleine Backenbart am ansonsten auf der Medaille verdeckten Ohr

das deutliche Doppelkinn

die gerade Nase

das füllige Gesicht insgesamt

die etwas aufgeworfenen Lippen

Eine Medaille seiner Frau hat Baumgartner leider nicht anfertigen lassen bzw. es hat sich keine erhalten, auch keine Information über ihre Lebenszeit. Bei den damaligen Verhältnissen wäre auch ein Tod im Kindbett nicht ganz ausgeschlossen, infolgedessen Baumgartner 1526 schon hätte Wittwer sein können. Doch an dem Bildnispaar bestätigt sich Holbeins »überragende Fähigkeit zu individueller Charakterisierung des Menschen« (E. Wiemann S. 216).

© Christoph Wilhelmi, Stuttgart 2017

Literatur
Bodo Brinkmann/Stephan Kemperdick: Deutsche Gemälde im Städel 1400-1550. Mainz 2005
Georg Habich: Die deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts. I, 2 München1931
Helmut Presser: ABC der großen Drucker. Mainz 1951
José Manuel Pita Andrade/Maria del Mar Borobio Guerrero: Old Masters Thyssen-Bornemisza Museum. Madrid 1992
Sammlung Thyssen-Bornemisza. Essen 1960 S. 25
E. Wiemann. In: Allgemeines Künstler-Lexikon. München. Bd. 74  Berlin/Boston 2012

Bildnachweis
Georg Habich: Die deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts. I, 2 München1931 S. 135
Old Masters Thyssen-Bornemisza Museum. Madrid 1992 S. 286/87
Christoph Wilhelmi: Porträts der Renaissance. Hintergründe und Schicksale. Berlin 2011 S. 61